Präsidentschaft. Die Rosenkranz-Kandidatur

Rosenkranz-Kandidatur: Erlebt Österreich noch einmal einen Waldheim-Wahlkampf?

Erlebt Österreich noch einmal einen Waldheim-Wahlkampf?

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Was ihr wohl an Alain Delon gefallen mag: der verletzliche Macho? Der melancholische Einzelgänger? Der eiskalte Engel? Jean Pierre Melvilles gleichnamiges Gangsterepos aus 1967 mit Delon in der Titelrolle ist jedenfalls ihr Lieblingsfilm und der schöne Pariser ihr Lieblingsstar, gab sie vergangenen Donnerstag in ihrem Leibblatt, der „Kronen Zeitung“, launig zu Protokoll.

Der gegenwärtige Lieblingsautor der 51-jährigen FPÖ-Landesrätin Barbara Rosenkranz heißt Christopher Caldwell, ist ein US-Journalist und schreibt Bücher wie „Gedanken über die Revolution in Europa. Immigration, Islam und der Westen“. Der britische „Guardian“ befand das Buch in einer Rezension für „islamophob“; Caldwell pflege eine „Kultur der Angstmache“.

Das trifft es einigermaßen.
Seit gut zwei Jahrzehnten verbreiten Barbara und ihr Gatte Horst Jakob Rosenkranz, 67, die Kunde von der großen Gefahr: Stoppt Zuwanderung, hütet euch vor Moslems, bannt Minarette, rettet die Familie, ächtet Schwule, verjagt Feministinnen, bleibt deutsch! Da gibt es keine knieweichen Rückzieher wie bei Haider, kein Herumgedruckse wie bei Strache. Barbara Rosenkranz – die eiserne Lady aus dem Weinviertel, wo Korn und Kartoffeln aus fettem Boden schießen wie Kinder aus fruchtbarem Schoß: Zehn hat sie zur Welt gebracht, und alle tragen sie Namen, als seien sie germanischen Heldensagen entsprungen. Der Schäferhund der Familie heißt „Greif“.

Am 25. April wird sich Frau Rosenkranz um das Amt des Bundespräsidenten der Republik Österreich bewerben. Schon einmal, 1980, war ein Rechtsradikaler bei Präsidentschaftswahlen angetreten: Norbert Burger, Chef der NDP und enger Freund von Horst Rosenkranz, hatte damals 3,4 Prozent ­der Stimmen erreicht. FPÖ-Obmann H. C. Strache traut seiner Kandidatin das Zehnfache zu.

Codiert.
Die Zeiten haben sich geändert und auch die Techniken der Politiker. Burger und seine Konsorten hatten ihre Sprüche noch ungeniert hinausgegrölt, ihre Nachfolger beherrschen längst ein verbindliches Codierungssystem. Wird Barbara Rosenkranz, wie unlängst im Ö1-„Morgenjournal“, gefragt, ob sie Zweifel an der Existenz von Gaskammern hege, dann antwortet sie: „Ich habe das Wissen, das ein Österreicher hat, der zwischen 1964 und 1976 in österreichischen Schulen war.“ Zweifelt sie nun an Gaskammern oder nicht?

Befragt, ob das Leugnen des Holocaust straffrei bleiben sollte, erklärt sie: „Es bestehen Gesetze gegen Verhetzung und Verleumdung, die selbstverständlich die Meinungsfreiheit in den Grenzen des zivilisierten Miteinanders halten.“ Was heißt das?

Als Ingrid Thurnher in der „ZiB 2“ von Rosenkranz wissen wollte, ob ihrer Meinung nach das Verbreiten von NS-Ideologie nicht mehr verfolgt werden sollte, meinte Rosenkranz, „dass jener Teil des Verbotsgesetzes, der sich mit der Meinungsäußerung befasst, ein sehr unklares Tatbild hat, dass er unbestimmt ist, damit zum politischen Missbrauch guten Anlass gibt und dass die Frage der freien Meinungsäußerung natürlich nur grundsätzlich beantwortet werden kann“. Wie denn, bitte schön?

Barbara Rosenkranz
, geboren 1958 in Salzburg, ist sechs, als sie ihre Eltern verliert. Sie wächst in einem Internat auf und studiert einige Semester lang in Wien Geschichte und Philosophie. Sie ist 21, als ihre erste Tochter geboren wird, weitere Kinder folgen fast im Jahresabstand. Nur der letzte der zehn Sprösslinge, Wolf, 8, ist ein Nachzügler.

Die Familie lebt von Beginn an in einem ausgebauten Winzerhaus in Seebarn, nördlich des Bisambergs, 20 Autominuten von Wien. Der Vater ihrer Kinder, Horst Jakob Rosenkranz, ein stämmiger Mann, 15 Jahre älter als sie, arbeitet für das Filmunternehmen des „Wochenschau“-Starreporters Otto Pammer als Cutter. Dennoch gibt es im Hause Rosenkranz lange keinen Fernsehapparat: Nachrichten aus der Außenwelt passen nicht zum hermetischen Erziehungsstil der jungen Frau.

Anders als Barbara ist Horst schon in den achtziger Jahren politisch hochaktiv. Er bewegt sich im Kreis um NDP-Chef Norbert Burger, seit den fünfziger Jahren unumstrittener Anführer der radikalen Rechten in Österreich. Dort trifft Horst Rosenkranz alle Granden der Bewegung: den derzeit eine vierjährige Haftstrafe absitzenden Gerd Honsik, den bekennenden Neonazi Gottfried Küssel und Bruno Haas, der wegen NS-Wiederbetätigung neun Monate bedingt ausgefasst hatte. Ein junger Mann namens Heinz-Christian Strache ist damals mit einer Burger-Tochter liiert.

Rabauken.
Barbara Rosenkranz ist nicht mit der Rabaukentruppe unterwegs. Sie tritt 1989 der FPÖ bei und wird Mitglied des Gemeinderats. Oft marschiert sie mit einem Korb durch den Ort und verteilt Informationsmaterial. Ihr Thema ist die Familienpolitik. 1992 schreibt Barbara Rosenkranz in einem Leserbrief an die „Presse“ gegen den Ausbau von Kindergärten an: Das sei „inhumane kollektive Fremdverwahrung kleinster Kinder“, die sie an den Ostblock erinnere.

Gatte Horst hat ein anderes Thema gefunden. Schon 1988 war er bei der Landtagswahl in Niederösterreich Kandidat der Gruppe „Ein Herz für Inländer“ gewesen. Im Sommer 1990 meldet er die Liste „Nein zur Ausländerflut“ an, mit der er als Spitzenkandidat in die Nationalratswahlen gehen will. Auf seiner Liste findet sich die ­Nomenklatura des Rechtsextremismus. Die Kreiswahlbehörde Wien untersagt die Kandidatur. Politisch zuständig für das Verbot ist Stadtrat Hannes Swoboda, heute Europaabgeordneter der SPÖ. Der Verfassungsgerichtshof bestätigt einige Monate später das Verbot.

Horst Rosenkranz konzentriert sich auf die Publizistik:
Seine bis heute existierende Zeitschrift „Fakten“ erscheint erstmals 1990. Träger des Blatts ist der Verein „Kritische Demokraten“, in dessen Vorstand der ­Staatspolizei bekannte Leute sitzen. Einige von ihnen hatten 1987 einen Anschlag
auf ein von linken Autonomen besetztes Haus in der Wiener Aegidigasse verübt.

Das „Fakten“-Blatt
des Horst Rosenkranz agiert unverblümt. Ein Mitarbeiter wird 1991 zur Tagung der Holocaust-Leugner im bayerischen Wunsiedl geschickt und berichtet unter dem Pseudonym „Dankwart“: „Als der Kongress beendet, da riefen alle Teilnehmer spontan im Chor das Wort, das behördlich so verpönt und gefürchtet: ,Auschwitz, Auschwitz, Auschwitz‘.“

Die Rosenkranz-Zeitung bewirbt auch einschlägige Literatur und Tonträger, zum Beispiel das Werk „Einigkeit, Recht und Freiheit“: „Auf zwei Langspielplatten wird der Hörer mit einer der besten Reden Hitlers bekannt gemacht. Teils scharf, teils ironisch, teils versöhnlich wies der Reichskanzler jede US-Einmischung entschieden zurück.“

Die Tonlage des Blatts hat sich bis heute nicht geändert. Im Jänner 2009 agitieren die „Fakten“ gegen „Totschlagworte wie die angeblichen Verbrechen der Wehrmacht und die Gräuel der KZs … ein Gewirr von Lügen und Entstellungen“. FPÖ-Rechts­außen Otto Scrinzi, 92, in derselben Ausgabe über US-Präsident Barack Obama: „Ein mit anonymen Werbemilliarden hochgepushter halbschwarzer Messias.“

Karrieresprung.
Leben kann Rosenkranz von seiner Zeitung nie. Anfang der neunziger Jahre wird er von seiner Firma als Cutter an den ORF Burgenland verliehen. Dort produziert er ausgerechnet das Minderheitenprogramm in kroatischer Sprache. Am Parkplatz sticht den Kollegen ein Sticker an der Heckscheibe seines Autos ins Auge: „I bin a Deutscher.“ Als eine Mitarbeiterin Rosenkranz’ Namen im Impressum eines Hetz-Flugblatts gegen Ausländer findet, wird er hinausgeworfen. Er bleibt fortan zu Hause bei den inzwischen sieben Kindern und jobbt gelegentlich als Nachtportier in einem Hotel.

Da trifft es sich gut, dass Frau Barbara, mittlerweile 35, Karriere macht: 1993 kandidiert sie auf Platz fünf der FPÖ-Landtagswahl-Liste. Sie ist in guter Gesellschaft: Vor ihr, auf Platz vier, rangiert Edwin Rambossek aus Perchtoldsdorf, Mitglied der rechtsradikalen „Kameradschaft Prinz Eugen“. Hinter ihr, auf Listenplatz sechs, findet sich der FPÖ-Obmann von Wiener Neustadt, Wolfgang Haberler, in dessen Parteisekretariat die Polizei drei Jahre zuvor eine „Sturmtruppe Ost“ ausgehoben hatte. Die jungen Radikalen hatten dort Neonazi-Propaganda produziert.

In der Partei schaden Barbara Rosenkranz die Umtriebe ihres Gatten also nicht, aber Journalisten fragen jetzt bei der neuen Abgeordneten nach. Deren Antworten sind bis heute dieselben: „Ich kann nicht sehen, dass er etwas Ehrenrühriges macht.“ Oder: „Wenn die Staatsanwaltschaft nichts dran findet, kann ich auch nichts dran finden.“ Oder: „Wenn er mich fragt, ob ein Beistrich fehlt, dann sage ich es ihm.“ Und sie fügt hinzu, er sei seinen Kindern „ein heiß geliebter Vater“. Noch heute versammle sich die ganze Sippe jeden Sonntag zum gemeinsamen Mahl, die Mutter kocht.
Es gehört zur politischen Stilisierung der Barbara Rosenkranz, ihr Familienleben ideologisch zu überhöhen. Jeder am Tisch hat seinen Platz, jeder seine Aufgabe. Es gehe um die „grundsätzlichen Einheiten, die grundsätzliche Ordnung, die Nation, das Land, die Heimat“, bringt sie ihr politisches Gefühlsleben 2004 bei einer Sonnwendfeier auf den Nenner: „Die Regeln für uns selbst finden wir in der Natur, sie müssen unserem Gesellschaftsleben zugrunde gelegt werden.“

Barbara Rosenkranz – eine „Sozialdarwinistin“?
In Pervertierung der Lehre des großen Biologen postuliert der „Sozialdarwinismus“ die „natürliche Auslese beim Kampf ums Dasein“ auch im menschlichen Zusammenleben. Das Starke, das rassisch Gesunde werde siegen, das Schwache ausgemerzt, hieß es im Nationalsozialismus. Nur folgerichtig, dass Alt-Ideologe Scrinzi bei einem Symposium in Kärnten im Vorjahr Darwin frech als „geistigen Vater des dritten Lagers“ vereinnahmte – übrigens in Anwesenheit von Barbara Rosenkranz.

In der FPÖ steigt sie ab Ende der neunziger Jahre stetig auf.
1998 wird Rosenkranz Landessekretärin in Niederösterreich, 2002 Abgeordnete zum Nationalrat, ein Jahr später Landesparteichefin. „Jörg Haider war sie nie ganz geheuer“, erzählt einer seiner Weggefährten. „Sein bubenhafter Charme hat bei ihr überhaupt nicht gezogen.“ Dennoch ist Rosenkranz geladen, als Haider im Sommer 2002 die Größen der europäischen Rechten zu einem Geheimtreffen an den Wörthersee holt. Und sie ist wenige Wochen später auch in Knittelfeld mit von der Partie, als Haider, Strache, Stadler und die Scheuch-Brüder den rechten Parteiflügel gegen die Liberalen um Susanne Riess-Passer putschen lassen.

Mainstream.
Barbara Rosenkranz hat auch längst ihre eigenen Kontakte geknüpft. Im November 2001 hält sie bei der Vierjahresfeier von Andreas Mölzers Wochenblatt „Zur Zeit“ auf Schloss Kranichberg bei ­Gloggnitz die Begrüßungsrede. Unter den Ehrengästen befinden sich der ungarische Antisemit Istvan Csurka und Filip de Winter vom rechtsradikalen Vlaams Blok aus Belgien. Rosenkranz lobt sie als „Menschen, die sich nicht dem Mainstream anschließen und eigenständig und frei denken“.

Sie entzündet jetzt alljährlich selbst ein Sonnwendfeuer in Seebarn, um das sich die Volkstreuen scharen. Am 21. Juni 2002 ist Ewald Stadler ihr Festredner. Der damalige Volksanwalt ruft angesichts der Rosenkranz-Riege dazu auf, „unseren Volkserhalt durch gesunde, starke und kinderreiche Familien selbst zu organisieren“. Anschließend ­beklagt er, 1945 sei es „zur Staatsideologie geworden, dass wir angeblich von Faschismus und Tyrannei befreit worden sind“. Bei der Rosenkranz-Mittsommernachtsfete 2004 warnt Andreas Mölzer vor der Gefährdung „unseres gewachsenen Volkstums“ durch Zuwanderung und Islam.

Auch Horst Jakob Rosenkranz hat noch seine Auftritte.
Wiederholt lädt ihn der Ring Freiheitlicher Jugend Oberösterreich – nach Meinung von Experten die am weitesten rechts stehende Untergliederung der FPÖ – zu Referaten. Ende 2002 ist er Gast bei der notorischen „Arbeitsgemeinschaft für demokratische Politik“. Die Ultras feiern den 100. Geburtstag von Jose Antonio Primo de Rivera, dem Gründer der spanischen Faschistenpartei. Horst Rosenkranz referiert über die Zukunft des Nationalstaats.

Barbara Rosenkranz bleibt in diesen Jahren auch in der praktischen Politik ihrer weltanschaulichen Berufung treu. Bei der Zehnjahresfeier von „Zur Zeit“ stellt sie erstmals das Verbotsgesetz infrage – übrigens mit derselben Formulierung wie vergangene Woche in der „ZiB 2“. Als Einzige ihrer Fraktion stimmt sie im Nationalrat gegen den EU-Lissabon-Vertrag, anders als die anderen Abgeordneten läuft sie 2005 nicht zu Jörg Haiders BZÖ über. Ihre Standfestigkeit verfehlt bei den alten Kameraden nicht die Wirkung. Vor der Nationalratswahl 2006 ruft Gerd Honsik noch von seinem Fluchtort in Spanien aus zu einer Vorzugsstimmen-Abgabe für Barbara Rosenkranz auf: „Keine Stimme den Volksfeinden und Verrätern!“

Als sie im vergangenen Oktober bei den „Kärntner Kulturtagen“ in Sirnitz spricht, ­einer Heerschau rechter Theoretiker, hat sie einen hartgesottenen Vorredner: Der deutsche Publizist Jürgen Schwab, 43, war einst Chefideologe der NPD, hat sich von dieser aber abgewendet, weil sie „den Parteienstaat erhalten möchte und als Systemalternative nicht glaubwürdig ist“. Schwab strebt die Beseitigung des Parlamentarismus an.

Wohl nicht zuletzt wegen solcher Kontakte nannte Landeshauptmann Erwin Pröll Barbara Rosenkranz einst „ein Sicherheitsrisiko“. Dass Prölls Klubobmann Klaus Schneeberger nur Stunden nach ihrer Kür zur Wahl der Kandidatin aufrief („Ein ÖVP-Wähler wird, bevor er einen Herrn Fischer wählt, eine Frau Rosenkranz wählen“), zählt zu den ersten Überraschungen dieses ­Wahlkampfs.