Der Kampf der Kardinäle

Wie sich Kardinal Schönborn mit den Seilschaften der römischen Kurie anlegt

Kirche. Wie sich Kardinal Schönborn mit den Seilschaften der römischen Kurie anlegt

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Von Thomas Migge (Rom), Otmar Lahodynsky, Verena Pliger,
Martin Staudinger und Robert Treichler

Es ist ein handverlesener Kreis von Klerikern, der am Mittwoch der kommenden Woche im Palazzo del Sant’Uffizio gleich hinter den Kolonnaden am Petersplatz erwartet wird: 15 Kardinäle, drei Erzbischöfe und zwei Bischöfe – die Mitglieder der „Kongregation für die Glaubenslehre“, einer der einflussreichsten Institutionen des Vatikans. Hervorgegangen aus der Inquisition, obliegt es ihr, die „Glaubens- und Sittenlehre“ der katholischen Kirche zu schützen und sie vor den Anfechtungen der Ketzerei zu bewahren.

Eine bedeutsame Aufgabe, gewiss. Dennoch wird einer der Geladenen dieses Mal fehlen. Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn hat am Mittwoch andere Verpflichtungen. Er besucht eine Buchpräsentation und absolviert anschließend eine Podiumsdiskussion mit dem kanadischen Philosophen Charles Taylor. Thema: „Leben wir in einem säkularen Zeitalter?“

Darüber offen Auskunft zu geben dürfte Schönborn nicht allzu schwer fallen. Heikler wird es wohl bei der Frage, weshalb er eine Sitzung der Glaubenskongregation schwänzt, um mit einem Philosophen aufzutreten, der zurzeit als „Permanent Fellow“ des Instituts für die Wissenschaft vom Menschen (IWM) ohnehin in Wien lebt. Noch dazu, wo in Rom kommende Woche auch groß angelegte Feierlichkeiten zum Abschluss des Priesterjahrs stattfinden: Papst ­Benedikt XVI. hat dazu alle Kleriker der Welt „dringend und herzlich“ eingeladen.

Die Antwort lautet kurz gefasst etwa so: Schönborn hat sich mit provokanten Aussagen in die Weltpresse katapultiert, wo er seither als mutiger Rebell gefeiert wird – und gleichzeitig einen Konflikt mit einem der mächtigsten Kardinäle des Vatikan angezettelt.

Wenige Tage nach Ostern war bekannt geworden, dass Schönborn im Gespräch mit österreichischen Journalisten offene Kritik an Kardinaldekan Angelo Sodano geübt und seinen Amtsbruder sogar namentlich genannt hatte – als Hauptverantwortlichen für das komplette Versagen des Vatikans bei der Aufarbeitung des Skandals um den früheren Wiener Kardinal Hans Hermann Groer.

Schlimmer hätte Schönborn die ungeschriebenen Gesetze der römisch-katholischen Elite nicht verletzen können: Einen „Tabubruch, den man gar nicht hoch genug veranschlagen kann“, attestierte ihm die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“.

Der Wiener Kardinal dürfte mit seinem überraschenden Vorstoß versucht haben, sich schützend vor Papst Benedikt XVI. zu stellen, der in der Debatte über massenhafte sexuelle Übergriffe katholischer Kleriker auf Kinder und Jugendliche zunehmend unter Druck geraten war: Auch auf die Gefahr hin, damit Benedikts Vorgänger Johannes Paul II. in ein schiefes Licht zu rücken, weil dieser den Einflüsterungen Sodanos erlegen sei, die Untersuchung des Falls Groer zu unterbinden.

Es geht also nicht nur um den Umgang höchster Funktionäre der Weltkirche mit der Schuld des Kindesmissbrauchs, sondern auch um die Reputation des amtierenden Papstes – und das Andenken eines verstorbenen Pontifex, der zudem gerade zur Seligsprechung ansteht: eine Situation also, die kaum konfliktträchtiger sein könnte und in der Schönborn nun eine wichtige Rolle zukommt.

Schock.
Tatsächlich aber liegt dem bedächtigen, konsensfreudigen Dominikaner nichts ferner, als in versteckte Kriege und halböffentliche Kabalen verwickelt zu werden. Es kommt ihm also nicht ungelegen, den Kirchenstaat und die mögliche persönliche Begegnung mit seinen Gegnern vorerst meiden zu können. Und zum Glück folgt auf die Sitzung der Glaubenskongregation auch gleich die lange Sommerpause. Der Kardinal hat also Zeit genug, darüber zu meditieren, ob er sich mit seiner neuen Rolle als Held anfreunden möchte und wie er überhaupt in diese Lage gekommen ist.

Er muss dabei 15 Jahre zurückgehen – eben zum Fall Groer, der erst Österreich und dann die gesamte katholische Welt erschütterte.
Im März 1995 enthüllt profil, dass der damalige Kardinal von Wien während seiner Tätigkeit als Religionslehrer und Seelsorger massive sexuelle Übergriffe gegen Schüler begangen hat: Die schockierende Nachricht bringt bereits damals sowohl Schönborn unter Zugzwang als auch Sodano und Kardinal Joseph Ratzinger, den späteren Papst Benedikt XVI.

Schönborn ist zu dieser Zeit Weihbischof von Wien, seine Konsekration in dieses Amt hat ­Groer durchgeführt, sein theologischer Lehrer und Förderer war Ratzinger. Sodano amtiert als Kardinalstaatssekretär der römischen Kurie – und damit als Verantwortlicher für die politischen und diplomatischen Agenden des Heiligen Stuhls.

Ihm formell untergeben, als Präfekt der ­Glaubenskongregation aber mit beachtlicher Machtfülle ausgestattet, sitzt Ratzinger 1995 ebenfalls an einer Schlüsselposition.

Und über ihnen allen thront Johannes Paul II., der Superstar unter den Päpsten: ein Charismatiker, der kraft seiner Persönlichkeit Kirchen- und Weltpolitik macht – und sich dabei nur am Rande um den bürokratischen Alltag in den Sekretariaten, Kongregationen, Ämtern und Kommissionen hinter den Mauern des Vatikans kümmert.

Wie in jeder strengen Hierarchie schwelt in seinem Umkreis ein stetiger Machtkampf: Wem schenkt der Papst Gehör? Wer hat überhaupt Zugang zu ihm?

Darüber wacht bei Johannes Paul II. Stanislaw Dziwisz, Privatsekretär und Landsmann des polnischen Papstes. Bei ihm müssen selbst Kardinäle antichambrieren. Und wenn man der heutigen Ratzinger-Fraktion glaubt, dann bewies vor allem Sodano dabei großes Geschick.

Ratzinger und Sodano: Das sind zwei komplett unterschiedliche Charaktere. Sodano gehört zur so genannten „diplomatischen“ Fraktion der Kurie – den geschmeidigen Machtpragmatikern. Als päpstlicher Nuntius in Chile fällt er in den siebziger Jahren etwa durch sehr viel Verständnis für Diktator Augusto Pinochet auf. Nach dieser Verwendung glänzt er als Sekretär des Rats für Außenbeziehungen bei zahlreichen internationalen Tagungen in aller Welt, etwa auch bei der OSZE in Wien, und begleitet Johannes Paul II. auf nicht weniger als 53 Auslandsreisen.

Sodanos Freunde und Verbündete trifft man in den besseren Lokalen von Rom, zum Beispiel im L’Eau Vive, nicht weit vom Pantheon entfernt, wo Gerichte wie Côte de veau à la Mexicaine oder Gambas flambés au Whisky serviert werden: Das Essen ist ausgezeichnet, die diskreten Gespräche sind noch besser.

Hausmannskost.
Währenddessen frequentiert Ratzinger vorzugsweise die Cantina ­Tirolese. Dort ist noch heute Tisch Nummer sechs für ihn reserviert, auf der Speisekarte steht bayrisch-tirolerische Hausmannskost: Schweinsstelze, Knödel, Käsefondue. Mit den Strategiespielen, an denen sich die Kuriendiplomaten ergötzen, kann der theologische Feingeist nichts anfangen. Der Präfekt der Glaubenskongregation macht sich lieber Gedanken über christologische Grundsatzfragen. In der Früh sieht man ihn mit seiner abgewetzten Aktentasche über den Petersplatz zum Palazzo del Sant’Uffizio schlendern, vor seiner Wohnung bei der Porta Sant’Anna füttert er schon einmal streunende Katzen.

Dennoch: Auch er kennt die byzantinische Bürokratie des Vatikans, ihre Finten und Ränkespiele. Der Antagonismus vom leicht verschrobenen Vatikangelehrten auf der einen und dem ausgeklügelten Machtap­parat der Kurie auf der anderen Seite wird von Ratzingers Verteidigern zwar mit Hingabe verbreitet. Den Tatsachen entspricht er nur bedingt.

Zumal auch Ratzinger ein enger Vertrauter des Papstes ist. „Kardinal Ratzinger hat Johannes Paul II. einmal in der Woche unter vier Augen getroffen“, weiß Marco Politi, als Autor mehrerer Bücher einer der am besten informierten Vatikanisten (siehe auch das Interview auf Seite 28): „Dabei konnte er all seine Anliegen vorbringen.“ Wenn man Schönborn glaubt, hat Ratzinger diese Möglichkeit im Fall Groer auch zu nutzen versucht – allerdings vergeblich.

Durchgriff.
Im Vatikan wird Politik gemacht wie in jedem anderen staatlichen Apparat auch. Mit dem feinen Unterschied, dass die Kleriker nicht an die Regulative einer gewachsenen Demokratie gebunden sind. Der Vatikan ist eine absolute Monarchie, theoretisch hat ihr Oberhaupt, der Papst, ein nahezu uneingeschränktes Durchgriffsrecht. Als der Fall Groer an ihn herangetragen wurde, hätte Johannes Paul II. jede Möglichkeit gehabt, ihn klären und aufarbeiten zu lassen.

Das geschieht allerdings weder im Jahr 1995 noch danach. Zunächst wird mehr oder weniger dreist geleugnet und abgestritten. Erst als die Zahl der Kirchenaustritte in Österreich sprunghaft ansteigt, veröffentlichen vier Bischöfe – Georg Eder (Salzburg), Johannes Weber (Graz-Seckau), Egon Kapellari (Gurk) und Christoph Schönborn (Wien) – im Februar 1998 eine Erklärung, in der sie die gegen Groer erhobenen Vorwürfe als „im Wesentlichen zutreffend“ bezeichnen.

Das ist ein direkter Affront gegen Sodano, der den Fall nicht in der Öffentlichkeit diskutiert sehen will. Von diesem Zeitpunkt an, sagt ein österreichischer Kircheninsider, sei das Verhältnis zwischen dem Kardinalstaatssekretär und den Österreichern „allerhöchstens korrekt“ gewesen.

Groer zieht sich ins Kloster zurück, bleibt jedoch im Kardinalsrang. 1996 wird er Prior des Benediktinerklosters in Maria Roggendorf, einem Ableger von Göttweig. Das Stift Göttweig wird daraufhin einer „Visitation“ unterzogen, das Ergebnis der Untersuchung bleibt – mit dem Hinweis, dass die Kompetenz für weitere Schritte beim Papst liege – geheim. Groer verlässt Göttweig, Papst Johannes Paul II. äußert sich nicht öffentlich zu dem Fall. Groer stirbt 2003.

Die 500.000 Unterschriften beim „Kirchenvolks-Begehren“ für mehr Reformen bleiben für die Amtskirche ohne Folgen. Den offiziellen Dialog mit der zornigen Basisorganisation „Wir sind Kirche“ müssen Österreichs Bischöfe – nach einem Machtwort Kardinal Ratzingers, der alle Forderungen als Verstoß gegen das Kirchenrecht ablehnt – 1999 wieder beenden. Der Fall Groer gerät langsam in Vergessenheit – und wird erst wieder zum Thema, als Missbrauchsskandale in den USA, Irland, Deutschland und auch Österreich die Debatte im vergangenen Jahr neu entfachen.

Das liegt nicht nur an der besonderen Schockwirkung, die ein Kardinal als Missbrauchstäter verbreitet – sondern auch daran, dass es nie ein kirchenrechtliches Verfahren gegen Groer gegeben hat und dass damals wie heute dieselben handelnden Personen das Bild der katholischen Kirche bestimmen: Kardinal Ratzinger ist inzwischen vom Präfekten der Glaubenskongregation zu Papst Benedikt XVI. geworden. Kardinal Sodano, damals Kardinalstaatssekretär, ist heute als Kardinalsdekan formell Erster unter seinesgleichen. Kardinal Schönborn, Groers Nachfolger, ist in seiner pastoralen Arbeit immer noch mit dem Erbe seines Vorgängers belastet. Johannes Paul II. schließlich ist zwar verstorben, erwartet jedoch im Jenseits seine baldige Seligsprechung.

Als Benedikt XVI. in der „New York Times“ vorgeworfen wird, er habe als Präfekt der Glaubenskongregation im Fall ­Groer versagt, beginnt die Gegenoffensive. Kardinal Sodano eilt dem Papst auf eine Weise zu Hilfe, die diesen noch mehr unter Druck setzt: Das Volk Gottes werde sich von „dem Geschwätz“ nicht beeindrucken lassen, sagt der Dekan des Kardinalskollegiums während des Ostergottesdienstes zu Benedikt XVI. und verleiht damit öffentlich seiner Forderung Nachdruck, die Missbrauchsdebatte auszusitzen.

Seligsprechungssorgen.
Das ist der Moment, als Schönborn der Kardinalskragen platzt: Wenige Tage später outet er Sodano als Verantwortlichen dafür, dass schon vor 15 Jahren eine Untersuchung des Falls ­Groer verhindert worden sei.

Damit sind die Fronten klar, aber entschieden ist noch gar nichts. Wird Benedikt XVI. Sodano zum Rücktritt als Kardinaldekan drängen? Sodano, heißt es, sei mit dem Führungsstil des amtierenden Papstes höchst unzufrieden. Nicht nur weil der Pontifex zu einsamen Entscheidungen neigt – er mischt sich auch immer stärker in die Kurie ein, die unter seinem Vorgänger Johannes Paul II. schalten und walten konnte, wie es ihr beliebte. Benedikt XVI. hat etwa damit begonnen, Kardinäle wegzuloben, die durch allzu ausschweifenden Lebenswandel aufgefallen waren, wie Erzbischof Michael Fitzgerald, oder durch sinistre Geschäftspraktiken wie der undurchsichtige Kardinal Crescenzio Sepe. Bei der Neuernennung von Kurienkardinälen verlässt er sich auf Kandidaten, denen er aus seiner Zeit in der Glaubenskongregation vertraut. Das schwächt den Flügel der „Diplomaten“ vom Schlage Sodanos.

Droht die Seligsprechung von Johannes Paul II. zu scheitern? Unklar ist, ob Benedikt der Erhebung seines Vorgängers zur „Ehre der Altäre“ zustimmen kann, wenn er diesen gleichzeitig implizit dafür verantwortlich macht, Verfahren gegen Kinderschänder auf Sodanos Geheiß unterlassen zu haben? Sodano selbst hat im Zusammenhang damit bereits eine Entscheidung getroffen, die Rückschlüsse auf eine gewisse Nervosität erlaubt: Er verweigerte sich einer im Rahmen des Seligsprechungsverfahrens anberaumten Befragung über das Leben von Johannes Paul II., bei der er die Pflicht gehabt hätte, auch Belastendes und Negatives auszusagen. Der Schweizer Theologe und Vatikankenner Hans Küng sieht sowohl den früheren Papst, aber auch Benedikt XVI. als Vertuscher.

Hat Schönborn das Ziel erreicht, durch seinen Vorstoß einerseits Benedikt XVI. aus der Schusslinie zu nehmen und andererseits die Kurie in die Schranken zu weisen? Seinem Zorn verschaffte er zwar kurzfristig Luft, hat damit aber gleichzeitig die alte Feindschaft mit Sodano bekräftigt – und es sich mit der Kurie verscherzt. Vorvergangenes Wochenende soll profil-Informationen zufolge Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone dem Wiener Kardinal in einem Telefonat dringend empfohlen haben, öffentliche Anschuldigungen gegenüber Kollegen in Purpur in Zukunft tunlichst zu unterlassen. Schönborn äußert sich seither „zu kirchenpolitischen Fragen derzeit überhaupt nicht“, wurde profil auf Anfrage bestellt.

Seltsamerweise wirkt sich der heftige Konflikt in der Sache selbst – dem weiterhin nicht aufgearbeiteten Fall Groer – überhaupt nicht aus. Weshalb etwa wird der Skandal nicht jetzt untersucht, wo doch mit Benedikt XVI. ein angeblicher Befürworter solcher Verfahren das Sagen hat? Groer selbst ist zwar tot, Opfer und Zeugen leben jedoch noch. Das Büro von Kardinal Schönborn wiegelt betreten ab: Zu viele Betroffene seien bereits gestorben.
Schönborn muss sich mit aller Kraft seinen Schäfchen widmen, die der Kirche wieder einmal herdenweise abhandenzukommen drohen – eine Sorge, die einen Kurien­kardinal in Rom naturgemäß weniger plagt.

Schönborn erweist sich als taktisch geschickt: Den Gottesdienst zum aktuellen Missbrauchsskandal ließ er gemeinsam mit den Kritikern von „Wir sind Kirche“ organisieren, und der Kardinal bekannte eindrucksvoll die Schuld der Kirche ein. Die reformwütigen Laienorganisationen wittern Morgenluft. Am Donnerstagabend der vergangenen Woche probten einige Dutzend Aktivisten der Plattform „Wir sind Kirche“ in der Wiener Donau-City-Kirche wieder einmal frommen Aufstand gegen Bischöfe und den Vatikan. Nach dem Vorbild der friedlichen Massenproteste in der DDR sollen von nun an jede Woche Gebetsrunden in ganz Österreich stattfinden. „Es reicht! Änderungen jetzt. Rote Karte für den Vatikan“ stand auf vorgedruckten Postkarten, die Katholiken, mit persönlichen Kommentaren versehen, dem Papst schicken sollen. Die Forderungen wirken mittlerweile schon so vertraut wie die Zehn Gebote: Abschaffung des Pflichtzölibats, Priesterweihe für Frauen, Sakramente für wiederverheiratete Geschiedene …
Die Enttäuschung wird folgen wie das Amen im Gebet. Denn während Schönborn bei der offensiven Aufarbeitung des Missbrauchsskandals erstens keine Glaubensregeln verletzen muss und zweitens den Papst hinter sich weiß, müsste er sich zur Durchsetzung der Anliegen von „Wir sind Kirche“ gegen den gesamten Vatikan stellen. Abgesehen davon, dass das wohl eine aussichtslose Ketzerei wäre, ist der stille Kardinal wohl auch nicht der richtige Mann für einen ernsthaften Aufstand. Erhard Busek, Ex-Vizekanzler und Mitinitiator der aufmüpfigen „Laieninitiative“, charakterisiert Schönborn so: „Reformer ist er sicher keiner. Er versucht, es allen recht zu machen.“

Mit gutem Grund. Im Herbst wird Schönborn nicht umhinkönnen, eine Sitzung der Glaubenskongregation zu besuchen. Er wird den Palazzo del Sant’Uffizio durch das Portal betreten, über dem früher einmal geschrieben stand, dass in diesem Gebäude „die Anhänger häretischer Schlechtigkeit gezüchtigt werden“. Und auch wenn die Inschrift nicht mehr da ist, hat der Satz seine Gültigkeit behalten.