Willi Resetarits
"Ich bereue nichts"

Willi Resetarits gestorben: Ein profil-Interview über das Leben und seine Karriere

Am Sonntag ist Willi Resetarits gestorben. Ein Interview aus dem profil-Archiv über seine Karriere, das Leben und den Tod.

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Willi Resetarits, bekannt unter seinem Künstlernamen "Ostbahn Kurti", ist tot. Er verunglückte am Sonntag, im Alter von 73 Jahren, wie seine Familie bekannt gab. Am gestrigen Samstag hatte er noch den vom Integrationshaus, als dessen Gründer er fungiert hatte, veranstalteten Flüchtlingsball im Wiener Rathaus eröffnet.

profil sprach mit ihm 2017, über das Leben, den Tod und seine Karriere. Seine Gedanken sind hier dokumentiert.

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Das Streben gilt dem schönsten Lied der Welt. Das ist die unerreichbare Karotte, die vor dem Esel hin und her schwingt. Man erreicht diesen Zustand entweder nie, oder nur für eine sehr kurze Zeit. Das ist das große Dilemma des Musikers: Mit weniger will man sich nicht zufrieden geben, und mit weniger muss man sich zufrieden geben.

Ein neues Lied muss man erst erfühlen. Das gelingt, wenn man sich nicht mehr auf den Text und die Musik konzentrieren muss, sondern gewisse Automatismen greifen.

Am Anfang steht immer die Begeisterung. Das bestimmte Gefühl kommt dann von ganz allein. Manchmal weine ich, wenn ich ein Lied zum ersten Mal höre. Ich mag Texte, zu denen man gut weinen kann.

Ein guter Text lässt beim Publikum verschiedene Deutungen zu. Wenn man Franz Schubert glauben mag, ist das traurige Lied das schöne Lied. Da hatte er nicht unrecht: Traurige Musik spendet Trost.

Preise und Auszeichnungen passieren mir einfach. Die Wichtigkeit eines Preises würde sich erst dann ermessen lassen, wenn man einen Preis nicht bekommt, aber ihn gern hätte. Ob mir Ehrungen wichtig sind, kann ich also nicht sagen.

Einen musikalischen Lebensplan hatte ich nie. Nachdem ich mich als junger Musiker an die Beatles gewöhnt hatte, gab es plötzlich die Stones und auch die Kinks. Plötzlich war da die ganze Soulmusik, „My Generation“ im Jahr 1965 – die Welt war plötzlich wieder eine ganz andere. So ging es mir auch mit meinen eigenen Bands, es gab eine stete Weiterentwicklung.

Ich liebe es, verschiedene Banden zu gründen. Jetzt spiele ich häufig mit der Gang of Four, also mit Molden, Soyka und Wirth. Wenn ich die Bande schon nicht selber gründe, möchte ich zumindest bei vielen verschiedenen dabei sein.

Ich mag die Gruppenarbeit. Zum Musizieren lade ich mir meine Freunde ein. Bei meiner Sozialarbeit ist das auch nicht anders. Um ein Projekt wie das Wiener Integrationshaus umzusetzen, brauche ich jemanden von der Wiener SPÖ, der sich Gehör verschaffen kann. Dann brauche ich Sozialarbeiter mit dem Schwerpunkt Flüchtlingsarbeit, einen Architekten und viele Helfer. Wie es der Zufall so will, habe ich diese Menschen immer in meinem Bekanntenkreis.

Ich brauche Gesprächspartner, denen ich ins Wort fallen kann. Das ist auch auf der Büh-ne so. Wenn die Musiker schon mit der nächsten Nummer loslegen wollen, fange ich erst richtig zu erzählen an. Diesen Druck brauche ich.

Alleine wollte ich nie musizieren. Das hat zwei Gründe: Ich hatte nie das Bedürfnis, für mich im stillen Kämmerchen zu arbeiten. Und: Ich kann es nicht.

Ich wünsche mir das breite Spektrum. Die Musik bleibt in meiner Kunst das verbindende Element. Ein guter Songtext wird mir im Alter im wichtiger. Den kann man nicht mit einem Gedicht vergleichen.

Man muss nicht in jedes Lied einen Jodler einbauen, nur weil man gut jodeln kann. Als Musiker muss man sich die Frage stellen, wie ich dem Lied dienen kann. Gegenüber jedem Song sollte man Demut zeigen. Egal, ob es sich dabei um eine Eigen- oder Fremdkomposition handelt.

Ich war damals vielleicht ein fescher Kampel, ich selbst war aber der Meinung, dass ich der schirchste Teufel von allen bin.

Einen Trick gibt es beim Musizieren nicht. Am Anfang steht man bei jedem Programm oder Tonträger wieder ganz nackt da. Nach Jahrzehnten im Geschäft fürchte ich mich zumin-dest immer weniger. Irgendwann weiß man, dass es immer so ist. Vielleicht ist das ein Trost für andere Musiker.

Krankhafte Selbstkritik hält einen nur auf. Als Jugendlicher war es ganz schlimm, da habe ich mir nichts zugetraut. Ich dachte immer, wenn das Lied von mir geschrieben wurde, muss es ja schlecht sein. Ich war damals vielleicht ein fescher Kampel, ich selbst war aber der Meinung, dass ich der schirchste Teufel von allen bin.

Ich bereue nichts. In dieser Hinsicht halte ich mich streng an Édith Piaf. Egal ob es um das Wiederauferstehen von Kurt Ostbahn oder andere Belange geht. Jede Entscheidung ist ein Lernprozess, der nie endet.

Man muss sich seine Freunde gut aussuchen. Mit knapp 50 Jahren habe ich beschlossen, mich nur noch mit lieben, also leiwanden Leuten zu umgeben. Da sind einige Weltklassemusiker dabei. Das ist der Luxus, den ich mir bis heute gönne.

Man darf seine Herkunft nicht vergessen. Bei mir ist es die Prägung als burgenland-kroatisches Kind, das erst später Deutsch gelernt hat, dazu das Arbeitermilieu, die bescheide-nen Verhältnisse in Stinatz und in Favoriten. Daher kommt meine Zuwendung, meine Sympa-thie für die sozial Schwächeren. Man hat eine Verpflichtung sich zu engagieren, wenn man wie ich immer Glück im Leben gehabt hat.

Im Leben darf man nicht nur die Schwierigkeiten sehen. Das Problem ist: Die Errungen-schaften sind ja schon da, die sieht man nicht immer. Allein das Glück, in einem Land wie Österreich geboren zu sein, mit diesem Wohlstand, ist ein großes Geschenk. Wie soll man das jungen Menschen erklären? Man kann ja nicht probeweise Hungern, um das alles wertschät-zen zu können. Ich wurde zwar als armes Kind geboren, habe aber nie Hunger gehabt. Ein Schmalzbrot war immer da.

Als Künstler geht man nie in Pension. Die Frage ist nur, ob man noch Einkünfte hat. In der Regel beginnt man seine musikalische Karriere ohne Einkünfte, und vielleicht kommt ir-gendwann der Tag, an dem niemand mehr zu den Konzerten kommt.

Die Bühne gibt mir Kraft. Bei alten Bluesmusikern war es oft der Fall, dass sie auf die Büh-ne getragen werden mussten, um dann leichtfüßig ihr Konzert spielen zu können. Bei mir war das zwar aus anderen Gründen notwendig, dieses Phänomen ist mir aber bekannt.

Wehmütig schaue ich nicht zurück. Seit mir bewusst geworden ist, dass meine Tage näher beim Tod als bei der Geburt liegen, sind mir diese bewussten Stunden viel wichtiger gewor-den. Schade um jeden Tag, an dem man sich unnötig ärgert.

Philip Dulle

Philip Dulle

1983 in Kärnten geboren. Studium der Politikwissenschaft in Wien. Seit 2009 Redakteur bei profil. Hat ein Herz für Podcasts, Popkultur und Basketball.