Christian Rainer: Alles neu macht der Mai

Neuer Kanzler. Neuer Bundespräsident. Ein Versuch in Optimismus.

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Bei einem Telefoninterview mit dem Deutschlandfunk heute Morgen – erschwerend: es war echt früh – lautete eine Frage des Journalisten: „Entsteht aus dieser Krise irgendetwas Positives für Österreich?“ Meine Antwort vorschnell: „Absolut nicht.“ Das musste ich dann doch relativieren. Natürlich gibt der Wechsel an der Spitze von Regierung und Sozialdemokratie dem Land eine neue Chance. Neue Leute, neues Spiel.

Wir lernen: In der aktuellen politischen Situation kann der Pessimismus ungehindert Platz greifen. Daher heute: ein Versuch, den Entwicklungen mit Optimismus zu begegnen. Ernsthaft.

In wenig mehr als einer Woche wird die Republik einen designierten Bundespräsidenten haben, der weder der SPÖ noch der ÖVP zuzurechnen ist. So neutral formuliert, kann das eine gute Nachricht sein. Er wird bei keiner der Regierungsparteien in der Schuld stehen, daher seine Meinungen nicht durch den Filter der eigenen Vergangenheit oder Zukunft pressen. Verbale Opposition quer über den Wiener Ballhausplatz, das kann sinnvoll sein. Und heiter. Der Vergleich des parteilosen deutschen Bundespräsidenten Joachim Gauck mit seinen farblosen Vorgängern aus der CDU, Horst Köhler und Christian Wulff, macht uns da sehr sicher.

Wie heiter das wird, ob das Lachen nicht doch in der Kehle erstickt, hängt – zugegeben – davon ab, wer denn nun die Wahl gewinnt. Optimistische Sicht: Alexander Van der Bellen gewinnt. Dann ist der Hinweis auf Gauck auf dem Punkt. (Nebenbemerkung: Wie kann man den schrulligen Herrn Professor Van der Bellen für einen Linksextremen halten, sogar für einen gefährlichen? Das ist bei den ÖVP-Wählern aber offensichtlich ein Mantra, egal ob es sich um Döblinger Bürgertum handelt oder um ein niederösterreichisches Bäuerlein. Man möge mir entsprechende Hinweise auf meine Mailadresse schicken! Ich werde antworten. Wobei Van der Bellens jüngste Buchveröffentlichung tatsächlich Allerschlimmstes ahnen lässt: „Die Kunst der Freiheit. In Zeiten zunehmender Unfreiheit“)

Vielleicht reicht es ja schon, mal wieder einen Repräsentanten der FPÖ in voller Wichs arbeiten zu sehen.

Viel wahrscheinlicher: Norbert Hofer gewinnt, wird bei guter Führung zwölf Jahre bleiben. Was können wir dem abgewinnen? An Konstruktivem wirklich wenig. Aber eventuell im Umkehrverfahren dieses: Vielleicht reicht es ja schon, mal wieder einen Repräsentanten der FPÖ in voller Wichs arbeiten zu sehen. Wenn wir der traurigen Gestalten von ständig wechselnden freiheitlichen Regierungsmitgliedern ab dem Jahr 2000 gedenken, der Peinlichkeit, Inkompetenz, Korruption, dann lebt die Hoffnung, dass Hofer sich selbst schnell als das präsentieren wird, was er ist. Und vielleicht zieht er dabei die Partei ein wenig mit.

Auch die Hoffnung stirbt irgendwann – aber sie stirbt zuletzt.

Ich gestehe: Deutlich einfacher gerät die Belobigung des Wechsels an der Regierungsspitze. Werner Faymann war in der Partei, in der Koalition, in den Medien, bei den Wählern abgenutzt und zuletzt gescheitert.

Jeder Nachfolger wird kurzfristig besser sein, die bei Redaktionsschluss hoch gehandelten Christian Kern und Gerhard Zeiler werden es auch bis zur nächsten Nationalratswahl bleiben.

Beide haben sich jahrelang in relativer Ruhe auf diese Möglichkeit vorbereitet. Sie kennen die Funktionsweise von Politik und SPÖ im Detail, auch das Ensemble. Sie sind aber seit Jahren nicht mehr mittendrin, Zeiler gar nicht, Kern peripher. Beide sind ideologisch sattelfest, durch ihre Jobs aber noch fester in der Welt von Zahlen und Fakten geerdet. Während Wohnraumverweser Faymann Ökonomie für eine lästige Randerscheinung hielt, wissen die Herren, dass die Wirtschaft im Zentrum steht. Vor allem aber können beide in für uns, das Publikum, menschenwürdiger Weise sprechen.

Und wahrscheinlich sind Kern und Zeiler so gut, dass sich auch Sebastian Kurz nicht mehr länger dem Wechsel nach oben entziehen kann. Optimistisch: Kern (oder Zeiler) und Kurz – da fällt die FPÖ bis 2018 aus ihrer Spitzenposition.

Vorerst aber: Am 22. Mai wählen gehen, und natürlich den Richtigen!

[email protected] Twitter: @chri_rai