Leitartikel: Christian Rainer

Christian Rainer ÖWehWeh

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Auch ich fahre mit der Bahn – so wie Armin Thurnher, der das im Titel seines dieswöchigen Kommentars gesteht. Genauer gesagt: Ich bin ziemlich viel Bahn gefahren, als Fahrschüler an die 70.000 Kilometer. Die für den „Falter“-Chef­redakteur gesundheitsgefährdenden Vorkommnisse (auf der Fahrt zur Biennale nach Venedig) blieben mir dabei jedoch erspart, vielmehr erlebe ich bei den ÖBB bis heute kompetentes Personal.

„Was geht mich deren Privatisierung an?“, titelt Thurnher weiter – und auch dazu habe ich eine abweichende Meinung. Er schreibt: „Die ÖBB sind öffentliches Gut und auch von der öffentlichen Hand zu finanzieren.“ Ich finde: Wenn die öffentliche Hand finanziert, dann zahlt nicht die Hand, sondern er und ich. Thurnher: „Die ÖBB gehören nicht privatisiert, sie gehören ordentlich geführt.“ Ich: Das ist ein Widerspruch. Daher geht mich die Privatisierung doch etwas an.

Es gibt also eine rege Diskussion über die Privatisierung der Bahn. Die hat Finanzministerin Maria Fekter (ihr Wohnsitz übrigens der Bahnknotenpunkt Attnang-Puchheim) mit entsprechender Forderung losgetreten. Die Diskussion gibt es auch in der profil-Redaktion. Mit unterschiedlichen Meinungen: Christina Hiptmayr und Josef Redl kommen ab Seite 46 zu einem anderen Schluss als ich auf dieser. Ich finde: Österreich hat zumindest ein Recht auf Kostenwahrheit. Aber besser noch wäre die Privatisierung.

Von Kostenwahrheit sind die Bahnen weit entfernt. Daher bloggte ich kürzlich gegen eine Meldung in den österreichischen Medien, wonach die ÖBB im ersten Quartal einen Gewinn erwirtschaftet hätten: „Die Milliardenverluste werden bloß durch Kosmetik weggeschminkt, indem der Staat das dafür benötigte Steuergeld in einer anderen Buchführungs­variante rüberschiebt.“ Der Blog-Eintrag führte zu einer an­geregten Auseinandersetzung mit dem ÖBB-Management. Dort vertrat man die Meinung, dass laut Gewinn-und-Verlust-Rechnung eben tatsächlich Gewinne gemacht worden seien. Was ich gar nicht bestritten hatte: Ich sah das Problem bloß darin, dass diese Rechnung Milliarden-Investitionen in die Infrastruktur nicht berücksichtigt, auch nicht den Betrieb unrentabler Strecken, ebenso wenig die Kosten der ÖBB-Pensionisten.

Die Argumente der Bahn: Infrastruktur-Projekte wie der Koralmtunnel würden ja von der Politik beschlossen und bestellt. Auch die Nebenbahnen würden nur auf Wunsch der Politik weiter unterhalten. Die Pensionisten – plus Tausende Mitarbeiter, die noch in Pension gehen werden – seien Bundesbeamte, da könne man nichts machen.

Ich halte dagegen: Eine solche Mischform von Unternehmen wie jenen, welche die ÖBB da für sich reklamieren, wäre allenfalls ein Ausweg für Raúl Castro und Kim Il-sung. Oder auch für Alexander Wrabetz: Er müsste die Kosten der Landesstudios, der Nachrichtenredaktionen und von „Chili“ nicht mehr berücksichtigen, wenn er über den Gewinn des ORF spricht. Auch diese Leistungen werden ja (unter dem Titel ­öffentlich-rechtlicher Auftrag) von der Politik (in Gestalt des Stiftungsrats und des ORF-Gesetzes) bestellt. Die Bauern dürften sich ebenso freuen, zumal ihre Subventionen endgültig als Bezahlung für von der Politik bestellte Landschaftsgärtnerei firmieren würden. Überdies müsste kein Betrieb mehr (nicht nur A1/Telekom und die Post) über die Belastung durch unternehmensspezifische Pensionsleistungen nachdenken, im Besonderen nicht jene Konzerne, an denen die Republik beteiligt ist oder war: Soll doch der Staat übernehmen.
Jedes Verständnis für den ÖBB-General, der will seinen Laden möglichst effizient führen und braucht erreichbare Ziele. Aber: Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf zu erfahren, was sich hinter all den Hin- und Herverrechnungen zwischen ­Politik und Unternehmen versteckt, mit wie vielen Milliarden die ÖBB den Staat also jährlich belasten, mit wie vielen Hundert Euro jeden einzelnen Österreicher. Fehlen diese Zahlen und werden sie hinter „Gewinnen“ versteckt, dann ist es unmöglich, die Sinnhaftigkeit der Bahn ganz generell zu bewerten.

Darüber hinaus bin ich – anders als Armin Thurnher und anders als ein guter Teil der profil-Redaktion – der Meinung, dass man nur über eine Privatisierung der Bahn erstens zu dieser Kostenwahrheit und zweitens zu einer marktwirtschaftlichen „ordentlichen Führung“ (Thurnher) kommen kann.

Das recht gewichtige Argument dagegen: Die Privatisierung von Bahnen hat noch nirgends funktioniert. Meine Argumente: In Japan zum Beispiel hat die Privatisierung funktioniert. Und: Was vor allem noch nirgends funktioniert hat, ist die Eigentümerrolle des Staates. Ganz offensichtlich ist in Vergessenheit geraten, wie die Voest und sehr viele andere Konzerne im Staatseinfluss weltweit gemanagt wurden. Wie aber kann man die aktuellen Beispiele Flughafen Wien, AUA, ORF, Hypo Alpe-Adria vergessen?

Letztes Argument gegen die Privatisierung: Die ÖBB haben einen gemeinwirtschaftlichen Auftrag. Meines dafür: Das wurde nicht nur bei der AUA und bei der OMV als Totschlagargument gegen einen Verkauf ins Rennen geführt, sondern sogar bei der Austria Tabak – um die Versorgung mit Zigaretten zu garantieren.

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