Elfriede Hammerl

Elfriede Hammerl Beinharter Respekt

Beinharter Respekt

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Andreas Gabalier ist noch keine 30, aber er agiert und argumentiert wie ein alter Stammtischbruder: Erst die Weiber ignorieren (so war’s schon immer, so hamma’s schon in der Volksschule gelernt) und danach, wenn sich welche beschweren, feixend vom Respekt reden, den man der geschätzten Damenwelt doch eh entgegenbringe.

Geschätzte Damenwelt, so drückt Herr Gabalier sich aus. Das Gegenstück zur Damenwelt ist die Herrenwelt. Die Herrenwelt besteht aus Herren, die einen Herrschaftsanspruch erheben, auch über die Damenwelt, die zwar ignoriert wird, sich aber dennoch respektiert und geschätzt fühlen soll. Weil: Was Respekt und Wertschätzung sind, bestimmen die Herren.

Seine Damen und Dirndln (wie Herr Gabalier so sagt) seien doch, behauptet er, schon derart gleichberechtigt, dass man es nicht extra betonen müsse. Das heißt, in seinen Augen wäre offenbar die schlichte Wahrnehmung des weiblichen Teils der Bevölkerung bereits zu viel, eine Überbetonung, ein Hervorheben von Menschen, die man normalerweise – nämlich nach der Norm der Herrenmenschen – ­verbal unter den Tisch fallen lässt, wo sie sich dann aber gefälligst gleichberechtigt vorkommen sollen. „Wer sich mit meinen Liedern, vor allem aber auch den Texten, schon einmal auseinandergesetzt hat, dem dürfte es nicht entgangen sein, dass ich vor Frauen den allerhöchsten Respekt habe“, sagte Herr Gabalier, alle tadelnd, die sich der Exegese seines Textschaffens bisher womöglich ent­zogen haben.
Also bitte – jetzt einmal im Ernst: Erhebt da einer, dessen sprachliche Sensibilität nicht einmal ausreicht, um zu begreifen, dass verbales Unterschlagen der Töchter keine Wert-, sondern eine Geringschätzung ist, erhebt so einer tatsächlich den Anspruch, frau müsse erst einmal alle seine Texte ausführlich studiert haben, ehe sie ihre, der Frauen, Existenzberechtigung einfordern darf?

Andreas Gabalier hatte den Auftrag, in Spielberg die österreichische Bundeshymne vorzutragen. Diesem Auftrag ist er nicht korrekt nachgekommen. Denn die Hymne hat von Gesetzes wegen mittlerweile einen Text, in dem nicht mehr ausschließlich unsere großen Söhne besungen werden. Das ist nur recht und billig. Unser Land hat erstens auch große Töchter hervorgebracht, und zweitens ist eine Bundeshymne nicht Ausdruck subjektiven dichterischen Schaffens, sondern ein zweckgerichtetes Werk, das die Zusammengehörigkeit der jeweiligen Bevölkerung beschwören soll. Ob man derlei nationale Symbole gut oder schlecht findet, ist eine andere Debatte, doch wenn die Bundeshymne schon zum Einsatz kommt, dann muss sie ein Identifikationsangebot an die gesamte Bevölkerung sein. Deswegen: zwei geänderte Silben in Strophe eins. Nicht mehr „bist du“, sondern „Töchter“: Heimat großer Töchter, Söhne. Da holpert nix, da hatscht nix, das geht sich rhythmisch prima aus.

Der Heimatdichter Gabalier indes verweigerte den neuen Text und zog die patriarchale Fassung vor. Das stand ihm nicht zu, er sang ja in quasi öffentlicher Mission. (Seine drollige Rechtfertigung, er habe die Hymne mit acht Jahren eben so gelernt, wurde bereits hinlänglich zerpflückt, deswegen nur noch eine kleine Fantasie: Gabalier erkrankt, sein Leiden wäre mit modernen Mitteln leicht zu kurieren, er kriegt sie aber nicht. Begründung seines Arztes: Als ich studiert hab, hatte man dagegen noch keine Therapie.)

Also: ärgerlicher Auftritt. Wirklich erschütternd aber ist der Beifall, den Herr G. dafür kriegt. Nicht nur von Tourette-Postern, die seine KritikerInnen unflätig beschimpfen, sondern auch aus anscheinend gemäßigteren Kreisen, wo, so hätte man gehofft, nicht bloß mit dem Saurierhirn gedacht wird. Aber leider, nein, die Volksseele kocht über vor Frauenverachtung, und Herr Gabalier wird quer durch die Internetforen als mutiger Aufständischer gegen unhalt­bare Zustände gefeiert. Die Bandbreite des angeblich Unhaltbaren ist groß, alles Mögliche wird angeprangert. Aber in ­einem ist man sich einig: Es gebe nichts Lächerlicheres und Überflüssigeres als die Forderung, die Nationalhymne möge sich nicht bloß auf eine Nation aus Söhnen beziehen.

Kann es sein, dass Österreich in Wahrheit auf einem Gender-Bewusstseinsstand ist, den sogar saudische Scheichs als etwas sexistisch kritisieren würden? Und was geht speziell in Frauen vor, die leidenschaftlich dagegen sind, dass Frauen in der Bundeshymne vorkommen?
Inzwischen regt Gabalier gar eine Volksbefragung zum Text der Hymne an, und die Boulevardzeitungen sowie die FPÖ haben das begeistert aufgegriffen. Kann spannend werden. Soll Österreich auch ein Land für Töchter sein?

Und was kommt danach? Sollen Frauen im Wähler­verzeichnis genannt werden? Ist es zulässig, dass Töchter unsere (Hoch-)Schulen verstopfen? Wie verfahren wir mit ­Weibern, die weder zu Damen noch zu Dirndln oder Zuckerpuppen ­taugen?

Ja, Zuckerpuppen heißen weibliche Menschen in Gabaliers Texten fallweise auch. Wenn das nicht nach beinhartem Respekt klingt, was sonst?

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