Georg Hoffmann-Ostenhof

Georg Hoffmann-Ostenhof Volksverblödung

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Am Sonntag, dem 6. September 2009, wurde dem österreichischen Fernsehpublikum endlich die Wahrheit gesagt: Nicht Bin Laden und seine Suizid-Terroristen waren die Täter bei den Anschlägen in New York und Washington vor acht Jahren. Nicht die von den Al-Kaida-Kämpfern gelenkten Flugzeuge ließen die Wolkenkratzer des World Trade Center in sich zusammenstürzen. Sie wurden vielmehr von innen gesprengt. Und Teile des Pentagons gingen nicht in Flammen auf, weil eine Boeing in das Gebäude hineinraste. Das US-Verteidigungsministerium war, entgegen der „offiziellen Version“, Ziel einer Mittelstreckenrakete. Nun wissen wir es.
Der vom ORF ausgestrahlte italienische „Dokumentarfilm“ „9/11 – Was steckt wirklich dahinter?“ lässt keinen Zweifel daran: Die US-Regierung oder Geheimdienstkreise haben die Terroranschläge selbst inszeniert oder zumindest sehenden Auges geschehen lassen. Und warum haben sie das gemacht? Um sich die Legitimation für Krieg zu verschaffen, um die globale Vorherrschaft zu erringen.

Natürlich ist das eine klassische Verschwörungstheorie. Damit wird der 11. September 2001 in jene mythischen Erzählungen eingereiht, in denen Elvis lebt, John F. Kennedy einem Komplott von Mafia und CIA zum Opfer fiel, die Mondlandung in der Wüste Nevadas stattfand, Diana vom britischen MI5 ermordet wurde und Jörg Haider nicht mit hundertachtzig Stundenkilometern volltrunken in den Tod fuhr, sondern von dunklen Mächten ums Leben gebracht wurde.

Wie immer bei gewaltigen, historisch einschneidenden Ereignissen wie der Terrorattacke des September 2001 bleiben Seltsamkeiten und Ungereimtheiten bestehen. Das ist bei ­einem so komplexen Geschehen wahrscheinlich unvermeidbar. Aber was damals passierte, ist durch Zeugenaussagen, langjährige Untersuchungen durch tausende Wissenschafter und Journalisten und durch Geständnisse von Personen, die an der Terrorplanung beteiligt waren, klar rekonstruiert, die von Anfang an grassierenden Verschwörungstheorien sind eindeutig widerlegt.
Der Hausverstand sagt einem ja auch: Es ist absurd zu glauben, die amerikanische Regierung – und sei sie noch so skrupellos – würde das Zentrum der eigenen Macht angreifen. Und warum sollten die Komplotteure der CIA oder des Weißen Hauses denn mehrere Flugzeuge in die Gebäude krachen lassen, wenn diese ohnehin von innen gesprengt wurden?

Bleibt die Frage: Was macht Verschwörungstheorien so attraktiv? Was hat die Verantwortlichen des ORF geritten, ein solches Machwerk wie „Was steckt wirklich dahinter?“ zu senden?

Zunächst: Handwerklich ist der Streifen brillant verfertigt. Das macht einen Teil seiner Suggestion aus. Wer aber nur ein bisschen etwas von Journalismus versteht, der sieht sofort, dass es sich dabei keineswegs um eine Dokumentation handelt, sondern um einen puren Propagandafilm. Es werden nur „Indizien“ angeführt und kombiniert, die scheinbar die Grundthese stützen; alles, was dagegen spräche, wird systematisch ausgeblendet. So erscheint die Aussage vollends konkludent – ähnlich schlüssig wie Nazi-Propaganda über die verwerflichen Pläne des internationalen Judentums oder einst die Anklagen gegen Oppositionelle in den Stalin’schen Schauprozessen der dreißiger Jahre. Allen Verschwörungstheorien liegt ein gleiches Denkmuster zugrunde: Großes Unglück braucht große Ursachen. Es kann doch nicht sein, dass eine kleine radikalislamische Sekte, bloß mit Teppichmessern bewaffnet, die Supermacht USA mit ihrer Hochrüstung, ihrer entwickelten Technologie und ihren Geheimdiensten durch einen Überraschungsangriff ins Mark trifft. Aber genau so war es.

Zur Verteidigung jener, die glauben, die Regisseure des Schauspiels des 11. September seien in Regierungsbüros in Washington und nicht in den afghanischen Bergen gesessen, sei aber gesagt: Verschwörungen waren in den vergangenen Jahren Zeitgeist. Auch George W. Bush und seine Leute wollten sich nicht damit zufrieden geben, dass da ein paar durchgeknallte Fundis Amerika herausgefordert hatten. Auch sie suchten nach den großen Ursachen. Und so wurde Al Kaida, die kleine wahhabitische Terrorgruppe, die sicherlich nie mehr als wenige tausend Mitglieder hatte, zu einer Weltmacht fantasiert, dann zum „Terrorismus“ schlechthin hochstilisiert, der die Nachfolge des Kommunismus als Hauptfeind des Westens antrat. Bin Laden, der bärtige Saudi, erschien so als die Spinne im Zentrum eines globalen Terrornetzwerks. Und die Achse des Bösen, auf die Bush Staaten wie Irak, Iran und Syrien schob, erschien nur als Teil dieses weltweit gezielt agierenden Terrorismus, gegen den Krieg zu führen der weltpolitische Imperativ der Bush-Ära wurde. Ganz schön verrückt. Jene aber, die hinter den Terroranschlägen des Jahres 2001 ein dunkles Geheimnis wittern und gegen die „offizielle Lüge“ die ganze Wahrheit über 9/11 aufdecken wollen, konnten immerhin darauf verweisen, dass Bush seine Landsleute, die Vereinten Nationen und die ganze Welt mit gefälschten Bedrohungsszenarien täuschte, um den Weg seiner Soldaten in den Irak zu ebnen. Warum soll die amerikanische Administration nicht auch über den Angriff auf das World Trade Center und das Pentagon gelogen haben?

Mit der Wahl Barack Obamas ist Gott sei Dank wieder Vernunft eingekehrt. Die paranoide Weltsicht ist nicht mehr en vogue. In diesem Sinne sei der ORF aufgefordert, seinem öffentlich-rechtlichen Status gerecht zu werden und fürderhin davon Abstand zu nehmen, gefährlich volksverblödenden Unsinn wie „Was steckt wirklich dahinter?“ auszustrahlen – und sei er noch so quotenträchtig.

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Georg Hoffmann-Ostenhof