Rosemarie Schwaiger

Leitartikel von Rosemarie Schwaiger: Weniger nett wäre besser

Österreich muss seine Sozialleistungen für Flüchtlinge reduzieren – und zwar auch im Sinne der Flüchtlinge!

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Die Weihnachtszeit macht nicht alle Menschen mitfühlend und rührselig. Vor den Feiertagen präsentierte die dänische Regierung einen Gesetzesvorschlag, der so gar nicht zum Fest der Liebe passen wollte: In Dänemark ankommende Flüchtlinge sollen künftig auf mitgeführte Wertgegenstände und Bargeld hin durchsucht werden. Alles über einem Wert von umgerechnet 400 Euro wird konfisziert. Die Asylwerber könnten, so der Plan, auf diese Art einen Beitrag zu den Kosten ihres Aufenthalts leisten.

Das klingt, zugegeben, etwas gefühlskalt und löste international heftige Kritik aus. Bis zur „Washington Post“ reichte die Empörung. Das Blatt fühlte sich gar an die Enteignung der Juden in Nazi-Deutschland erinnert. Schmuck von Flüchtlingen zu beschlagnahmen, habe „in Europa eine besonders bittere Konnotation“, fand der Autor.

Irgendwie beruhigend, dass auch die bewunderten Kollegen in Übersee gelegentlich Nonsens produzieren.

Es gibt keinen Grund, Asylwerber zu bevorzugen.

Natürlich ist die Perlustrierung von Flüchtlingen keine herzerwärmende Vorstellung. Es mag auch sein, dass der rechtskonservativen dänischen Regierung mehr an der Schikane als am zählbaren Ergebnis liegt. Aber die Idee ist nicht per se zynisch. Praktisch jedes Sozialsystem funktioniert nach diesem Prinzip. Wer staatliche Alimentation beantragt, muss in aller Regel nachweisen, dass er sein eigenes Vermögen bis auf einen kleinen Rest verbraucht hat. Es gibt keinen Grund, Asylwerber zu bevorzugen. Es gibt im Gegenteil gute Gründe, sie schlechterzustellen als die eigene Bevölkerung. Europa kann oder will seine Grenzen nicht ausreichend schützen, das ist mittlerweile klar. Also muss Europa seine Attraktivität verringern. Das gelingt unter anderem über die Sozialpolitik. Denn selbstverständlich ist die Aussicht auf ein komfortables staatliches Netz ein Migrationsmotiv – oder wenigstens ein entscheidender Punkt bei der Auswahl des Migrationsziels. Es liegt ja nicht am Wetter oder an der regionalen Küche, dass Länder wie Estland und Bulgarien von den Flüchtlingen eher gemieden werden.

Die Dänen haben das verstanden, Politiker in ein paar anderen Ländern ebenso. In Österreich gibt es bis dato nur Absichtserklärungen. Die ÖVP drängt, die SPÖ bremst. Irgendwann im ersten Halbjahr 2016 möchte sich die Regierung auf eine Reform der Mindestsicherung verständigen. In Kenntnis der handelnden Personen wird sich das wohl frühestens bis Herbst machen lassen und eher kein großer Wurf werden. Anpassungen wären auch ohne die Flüchtlingskrise nötig geworden. Angesichts von 90.000 Asylanträgen im Vorjahr und möglicherweise noch einigen tausend mehr in den nächsten zwölf Monaten müsste sich Rot-Schwarz aber Substanzielleres einfallen lassen. Sonst bleiben wir irgendwann übrig als eine Art Club Med für die Benachteiligten dieser Welt. Und statt des Animateurs am Pool gibt es bei uns halt Integrationskurse.

Einmal hier angekommen, erkennen die meisten recht schnell, dass sie nicht im Paradies gelandet sind, auf dem Arbeitsmarkt wenig Chancen haben und als staatliche Almosenempfänger ein bescheidenes Dasein fristen müssen.

Anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte haben in Österreich Anspruch auf Mindestsicherung, also auf 828 Euro pro Monat, zwölf Mal im Jahr. Das mag für hiesige Verhältnisse nicht viel Geld sein. Aber man muss nur die Perspektive wechseln, um zu erkennen, welch unglaublichen Luxus diese Summe verheißen kann: Die meisten Asylwerber in Österreich kamen zuletzt aus Afghanistan. Dort liegt das Durchschnittseinkommen pro Kopf bei etwa 500 Euro – im Jahr, nicht im Monat. Österreich bietet 20 Mal so viel Geld. Auf Dauer, wenn es nötig ist.

Die Flüchtlingsunterkünfte sind voll mit jungen Männern, die von ihren Verwandten auf die Reise geschickt wurden. Weil es daheim gefährlich ist, aber auch, weil die Familie auf Unterstützung hofft. Einmal hier angekommen, erkennen die meisten recht schnell, dass sie nicht im Paradies gelandet sind, auf dem Arbeitsmarkt wenig Chancen haben und als staatliche Almosenempfänger ein bescheidenes Dasein fristen müssen. Trotzdem überweisen sie Geld nach Hause und fungieren damit als Werbeträger für die nächste Auswanderungswelle.

Diesen Kreislauf muss man irgendwie durchbrechen. Das wird nicht einfach, keine Frage. Erheblich weniger Bargeld und mehr Sachleistungen in der sozialen Fürsorge wären ein guter Anfang. Damit würde sich zugleich eine Vorauswahl zwischen Kriegsflüchtlingen und Wirtschaftsmigranten ergeben. Wer vor Bomben oder islamistischen Mordbrigaden davonläuft, wird – und soll – weiterhin kommen. Die anderen überlegen sich vielleicht, ob ein Alltag auf Gutscheinbasis ihre Lebenssituation entscheidend verbessert.

Einfach weiterhin nett sein und Geld verschenken ist aus österreichischer Sicht jedenfalls keine Option. Sollte es noch ein paar Jahre so weitergehen wie 2015, wird das soziale Netz reißen. Das trifft dann alle, auch die Flüchtlinge.

Rosemarie Schwaiger