Georg Hoffmann-Ostenhof: Der coolste Präsident

Fünf Monate, bevor Barack Obama abtritt, beginnt ihn Amerika wieder zu lieben.

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Noch dauert es fünf Monate, bis Barack Obama abtritt, aber schon mehren sich in den US-Medien die Artikel, die wehmütig auf dessen Ära zurückblicken. Nostalgie setzt schon vor der Zeit ein. Auch die Historiker überlegen bereits, welchen Rang Obama unter den 44 bisherigen US-Präsidenten einnehmen wird. Und in dieser Zunft wird gar nicht mehr darüber diskutiert, ob er unter die schlechten oder guten einzureihen ist, sondern meistens nur darüber, ob er als Großer oder gar als Überragender in die Geschichtsbücher eingehen wird.

Im Kontrast zu den beiden Kandidaten, die um seine Nachfolge rittern, sieht Obama gut aus.

Wie Obama in der publizistischen und der akademischen Öffentlichkeit Amerikas gesehen wird, hat seine Entsprechung in der Meinung der US-Bürger: Diese haben ihre Liebe zu ihm wiedergefunden. Nach einer anfänglichen Amour fou in den Anfangsjahren 2008 und 2009 waren die Gefühle der Amerikaner für Obama rasch abgekühlt. Seine Zustimmungsraten bewegten sich die längste Zeit um die 40 bis 45 Prozent. Seit einigen Wochen nun steigt seine Popularitätskurve aber steil an. Bereits über die Hälfte (in einigen Umfragen 55 Prozent) der Amerikaner finden nun seine "performance" positiv - Tendenz steigend. Erstaunlich, in einer politisch so zerrissenen Situation.

Warum aber fliegen ihm jetzt, knapp vor seinem Abtreten, die Herzen seiner Landsleute wieder zu? Vordergründig ist klar: Im Kontrast zu den beiden Kandidaten, die um seine Nachfolge rittern, sieht Obama gut aus. Die von ihm unterstützte Hillary Clinton wird, aus welchen Gründen auch immer, von der Mehrheit der Amerikaner als unsympathisch empfunden. Donald Trumps möglicher Einzug ins Weiße Haus wird zunehmend als sicherer Weg der Nation in den Abgrund gefürchtet. Da kommt den Leuten zu Bewusstsein, was sie über die Jahre an Obama gehabt haben.

Obama ist mit seiner Wirtschaftspolitik gelungen, die USA aus der tiefen Krise, die er "geerbt" hatte, herauszuführen.

Und das ist nicht nur ein subjektives Gefühl. Da mögen die Löhne weiter stagnieren und sich die soziale Ungleichheit nicht wesentlich verringert haben, die Arbeitslosenrate ist aber heute mit fünf Prozent halb so hoch wie 2008. Das Budgetdefizit wurde um zwei Drittel reduziert. Und viele Millionen Amerikaner haben nun erstmals dank der Reform der Krankenversicherung einen Zugang zu medizinischer Versorgung, ohne um ihre finanzielle Existenz bangen zu müssen. Obama ist mit seiner Wirtschaftspolitik gelungen, die USA aus der tiefen Krise, die er "geerbt" hatte, herauszuführen. Und das gegen den obstruktiven Widerstand der amerikanischen Rechten.

Steven M. Gillon, Historiker an der University of Oklahoma, hält den 44. US-Präsidenten in dieser Beziehung sogar für "erfolgreicher als Franklin D. Roosevelt": Weniger dessen legendärer "New Deal" habe damals in den 1930er-Jahren Amerika aus der "Great Depression" geholt, sondern die Kriegsproduktion. Obama aber habe die ganz große Katastrophe verhindert und die Wirtschaft wieder zum Wachsen gebracht - in einer Zeit, in der sich Amerika aus zwei Kriegen (Irak, Afghanistan) weitgehend zurückzog.

Seine Regierungszeit ist absolut skandalfrei abgelaufen.

Das Gegenrechnen der übrigen Errungenschaften (Entspannung im Verhältnis zu Iran, Kuba, ökologische Weichenstellungen, LGBT-Politik) gegen die Fehler und Unterlassungen Obamas (etwa in der Syrien- und der Migrationspolitik) wird weitergehen. Die US-Bevölkerung scheint freilich jetzt bereits eine positive Bilanz gezogen zu haben.

Und die dürfte letztlich weniger darauf basieren, was Obama gemacht hat, sondern darauf, was er ist.

Zunächst: Er und seine Leute sind nicht korrupt. Seine Regierungszeit ist absolut skandalfrei abgelaufen. Einst wurden gegen 138 Personen der Administration des Präsidenten Ronald Reagan Ermittlungen geführt, Anklagen erhoben oder Urteile gefällt. Kein Mitglied der Obama-Administration kam auch nur ansatzweise mit dem Strafgericht in Berührung. "Auf persönlicher Ebene ist Obama ehrlich, intelligent, weitsichtig, redegewandt, entscheidungsstark", schwärmt der prominente Publizist Jonathan Alter: "Vor allem aber - er ist cool."

"Cool" sein: Diese uramerikanische Tugend - die nicht zuletzt sprachlich seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts zu einem weltweiten US-Exportschlager wurde - besitze Obama im mehrfachen Sinn: Er lässt sich nicht von Emotionen mitreißen, hat sich voll unter Kontrolle und zeigt in Krisensituationen jenen kühlen Kopf, den ein Präsident braucht, der mit einem Knopfdruck einen Nuklearkrieg lostreten kann. Gerade auch, wenn die Hasser vom Typus eines Donald Trump ihm, dem schwarzen Sohn eines Kenianers, absprechen wollten, ein "echter Amerikaner" zu sein, zeigte er jene coole Gelassenheit, die viele bewunderten. Jim Nelson, der Chefredakteur des Männermagazins "GQ", schreibt rückblickend: "Als wir immer polarisierter und unsere Auseinandersetzungen immer kleinlicher und vergifteter wurden, tauchte Obama jeweils als der einzige Erwachsene im Raum auf." Und schließlich ist er mit seiner uneitlen Eleganz und seiner lässigen Selbstironie cool - im sinne von hip, also angesagt.

"You are going to make me lonesome when you go", singt Bob Dylan.

Georg Hoffmann-Ostenhof