Peter Michael Lingens

Peter Michael Lingens Die ÖVP als Millionärspartei

Die ÖVP als Millionärspartei

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Der Tod Hans Dichands hat doch etwas geändert: Die „Kronen Zeitung“ rückte den Valluga-Bericht (Vermögensreport des Liechtensteiner Investmenthauses Valluga), wonach Österreichs 77.600 Millionäre ein Vermögen von 245 Milliarden besitzen, aufs Titelblatt und knüpfte daran die Frage nach einer Vermögenssteuer.

78 Prozent ihrer Leser sind dafür.

Bei der ÖVP schrillten naturgemäß die Alarmglocken: VP-Generalsekretär Hannes Rauch geißelte den „ungerechten Neid“, sein Kollege Konrad Steindl forderte ein „Ende des ­Reichen-Bashings“. Mir erläuterte Wirtschaftskammer-Chef Christoph Leitl persönlich per Leserbrief, wie wenig die „Millionärssteuer“ zur Sanierung des Staates tauge: „Die paar Millionäre können das nie bringen.“

„Wissenschaftlich“ kann sich die ÖVP auf Christian Keuschnigg, den Chef des „Instituts für Höhere Studien“, berufen, der vor ­einer Vermögenssteuer warnt, „weil Österreich sowieso schon eine der höchsten Steuerquoten hat“.

Auch ihm scheint entgangen zu sein, dass Skandinavien mit den höchsten Steuerquoten wirtschaftlich am besten, der „Süden“ mit den niedrigsten am schlechtesten dasteht. (Die Schweiz ist als Steueroase ein Sonderfall.) Aber darüber will ich nicht weiter diskutieren – nur über eine Notwendigkeit, die Keuschnigg und Leitl kaum anders als ich sehen dürften: Dass wir nämlich unsere Staatsschuld abbauen müssen.

Beider Rezept lautet: Der Staat möge sparen. Sofern er zu Lasten staatlicher Investitionen spart, kann man in Spanien oder Portugal seit fünf Jahren beobachten, wie die Wirtschaft schrumpft, während Arbeitslosigkeit und Schulden steigen. Also vorsichtiger: Der Staat möge sparsamer verwalten! Ich habe das oft genug auch gefordert: Natürlich sollte er gleichartige Bereiche nicht „föderal“ mit der neunfachen Beamtenschaft regeln. Natürlich sollte er Beamten (und Bundeskämmerern) kein höheres Lebenseinkommen als die Privatwirtschaft bescheren, indem er ihnen überhöhte Pensionen bezahlt, um sie dann per „Hackler-Regelung“ vorzeitig zu pensionieren, usw. usf.

Aber im Moment wollte ich Österreichs Beamten Einkommensverluste schon deshalb nicht zumuten, weil es gefährlich wäre, die Kaufkraft eines so großen Teils der Bevölkerung zu senken.

Solche Kaufkraftverluste muten Funktionäre der Wirtschaft und der ÖVP indessen sehr wohl dem größten und schwächsten Teil der Bevölkerung zu, wenn sie fordern, das „Ausufern des Sozialstaates“ einzudämmen, obwohl die Ausgaben des Staates in Relation zum BIP nicht gestiegen, sondern seit 1995 um 5,6 Prozent gefallen sind. Denn die wesentlichste Funktion des „Sozialstaates“ ist die (in Österreich sehr massive) soziale Umverteilung durch Transfer- und Sozialleistungen. Sie stellte in den vergangenen 15 Jahren – leider – das einzige Gegengewicht zu jener Umverteilung von unten nach oben dar, die in der Wirtschaft zu beobachten ist, indem die Löhne stagnierten und die Gewinne stiegen.

Natürlich kann (soll) man die Treffsicherheit der sozialen Umverteilung verbessern, aber wenn man die Mittel des Sozialstaates relativ zum BIP kürzt – und das bedeutet die Forderung nach seiner Eindämmung –, dann bedeutet das zwingend, dass die konsumbereite „Unterschicht“ relativ weniger in der Brieftasche hat und also weniger einkaufen kann. Letztlich zum Schaden der Wirtschaft.

Im Idealfall kann ich Leitl und Co anregen, sich zu fragen, ob die bereits 15 Jahre andauernde Stagnation der Löhne nicht ein wesentlicher Teil des aktuellen Problems ist – aber mir genügt, wenn sie mir zugestehen, dass es gefährlich wäre, die Massenkaufkraft ausgerechnet in der aktuellen Krise durch die „Eindämmung“ staatlicher Sozialleistungen zu vermindern.
Wenn wir dennoch einig bleiben, dass der Staat seine Schulden abbauen muss, müssen wir uns fragen, wem er zu diesem Zweck etwas abverlangen kann. Nicht den Unternehmen, denn die sollen Wachstum schaffen; nicht der Masse, denn deren Kaufkraft muss erhalten bleiben. Ich fürchte, es bleiben doch am ehesten jene rund fünf Prozent „Reiche“, die allein seit 1995 Einkommenszuwächse erzielten und schon wieder mehr und reicher geworden sind. Denn sie werden kaum minder konsumieren, wenn sie höhere Schenkungs-, Erbschafts- und vor allem Grundsteuern zahlen. Und sie werden das Land auch nicht verlassen, denn selbst in der Schweiz sind die Vermögenssteuern doppelt so hoch.

„Mit uns wird es keine Besteuerung der Substanz geben“, beharrt Michael Spindelegger. Ich kann darauf ausnahmsweise nur emotional und polemisch reagieren: Eine meiner Jugendfreundinnen ist Altenpflegerin mit rund 800 Euro im Monat. Derzeit sinkt ihr Einkommen, weil der Staat bei der Pflege spart. Gleichzeitig vergibt er auch Wohnbeihilfen oder Gebührenbefreiungen nur sparsamst, während die öffentliche Hand die Preise für Gas, Wasser und Strom kräftig erhöht. In den letzten Tagen jedes Monats isst meine Freundin daher nur noch gesüßten Reis. Von ihrer „Substanz“ darf man durch „Eindämmen des ausufernden Sozialstaates“ nehmen. Nicht aber von der Substanz nahezu steuerbefreiter Großbauern, Waldbesitzer oder Eigentümer ganzer Straßenzüge. Die schützt die Millionärspartei ÖVP.

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