„Sie gehören ­sterilisiert, ­angezündet, ­eingeäschert!“

Lehrer. Ein profil-Cover, ein Meinungsstück: Eine Welle an empörten und zustimmenden Zusendungen

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„Nazi-Methoden“, „Stürmergeist“, „primitive Hetze“. Schrieben die einen. „Wir haben kein Bildungssystem, sondern ein Lehrer- und Politikersystem“; „Ich habe es satt, mich von Gewerkschaftsvertretern in Geiselhaft nehmen zu lassen“, „wuchtig und hervorragend“. Schrieben die anderen. „Eine Abrechnung, die sich gewaschen hat und verdeutlicht, mit welch unsauberen Methoden seit Jahrzehnten eine Bildungsreform verhindert wird.“ Schrieb die „Kronen Zeitung“.

Nicht, dass wir keine Reaktionen auf das profil-Cover der Vorwoche „Die Lehrer und ihre Gewerkschafter. Eine Abrechnung“ erwartet hätten; jede Bildungsgeschichte, nüchtern wie polemisch, evoziert zahlreiche Stellungnahmen von den Betroffenen.

Diesmal aber ...

Schon am Sonntag der Vorwoche mussten wir erkennen, dass unser Bemühen, Zusendungen persönlich zu beantworten, dem Freischaufeln eines Autos im Schneesturm gleichkam. Daher auf diesem Weg der Versuch einer – kollektiven – Antwort.

Erstens: profil versteht sich als unabhängiges Nachrichtenmagazin. Wir erhalten weder Presseförderung noch richten wir unsere Berichterstattung an Inserenten aus. Der Vorwurf des „vorauseilenden Gehorsams“ oder gar jener, „Gelder von Parteien“ erhalten zu haben, geht daher ins Leere. Kritik ist zulässig. An Regierung, Parteien, Justiz, Polizei, Banken, Unternehmen, Journalisten und – ja – auch am Berufsstand der Lehrer Höherer Schulen. Und erst recht an ihren gewerkschaftlichen Vertretern.

Zweitens: Nein, unsere Kinder besuchen keine Privatschulen, und nein, wir haben keine „traumatischen Erinnerungen“ an unsere eigene Schulzeit.

Drittens: Die Lehrerin eines Wiener Gymnasiums schrieb: „Sie haben mich beleidigt und herabgesetzt.“ Das nehmen wir ernst. Und wir verstehen, wenn eine AHS-Lehrerin meinte: „In jedem Beruf gibt es schwarze Schafe. Aber ich und viele meiner KollegInnen möchten nicht in diesen Topf geworfen werden.“ Die Nachricht ist angekommen, aber nicht erst jetzt. Wir haben geschrieben, dass es sehr wohl motivierte und engagierte Lehrer gibt (an Höheren Schulen und erst recht an Volks- und Mittelschulen). Ja, es gibt viele Pädagogen, die ungeachtet von Wochenenden und Freizeit in ihrem Job aufgehen. Wir stehen nicht an, dies nochmals ausdrücklich zu betonen. Nichts liegt uns ferner, als „Lehrer zu demotivieren“ oder „die Motivation von Idealisten zu sprengen und zu zerschießen“, wie es in Zuschriften hieß.

Viertens: Wir bezweifeln in unserer Geschichte nicht, dass Lehrer mit Schularbeitsfächern ziemlich beschäftigt sind. Dennoch hat sich ausgerechnet jene Gruppe besonders zahlreich und betroffen zu Wort gemeldet – mit detaillierten Aufstellungen, welchen Arbeitsaufwand ihr Fach mit sich bringt: „Ich unterrichte Englisch und Deutsch. Für eine volle Lehrverpflichtung brauche ich fünf Korrekturklassen, das sind rund 125 Kinder. Ich wende pro Woche rund 15 Minuten für Korrekturen von Hausübungen, Vokabelwiederholungen, Diktaten und Schularbeiten auf. Das sind 31,5 Stunden pro Woche NUR für Korrekturen. Dazu kommen die 18 Unterrichtsstunden, eine Sprechstunde, Supplierbereitschaften, Gangaufsicht.“ Das ist nachvollziehbar.

Aber es gibt eben nicht nur Schularbeitsfächer.

Nicht unerwähnt bleiben soll an dieser Stelle das Mail jenes Lesers, der erst vor Kurzem aus der Privatwirtschaft (Controlling) in den Lehrberuf gewechselt hat: „Tatsächlich fühle ich mich mit weniger als einer vollen Lehrverpflichtung mehr ausgelastet als jemals zuvor in meinem beruflichen Leben.“

Die Diskussion um den Arbeitsaufwand ist eng verbunden mit
Fünftens: der Anwesenheit in der Schule. Die heimischen Pädagogen verbringen zu wenig Zeit mit den Schülern. Das sagen nicht wir, das sagt die OECD. Ein Leser schlug daher vor: „Lasst die Lehrer wie alle Arbeitnehmer 40 Stunden pro Woche an ihrem Arbeitsplatz in der Schule arbeiten, und die Diskussion über ihren Halbtagsjob wäre vom Tisch.“

Sechstens: Wir sind nicht wehleidig. Doch es macht Angst, dass ein Lehrer eines Stiftsgymnasiums, Josef Schlöglhofer vom Stift der Benediktiner Seitenstetten (zudem ÖVP-Gemeinderat) sich zu folgendem Schreiben hinreißen ließ: „Sie gehören ja aus dem Verkehr gezogen und sterilisiert, damit sich so etwas nicht auch noch weitervermehrt. Ihre Redaktion gehört angezündet und eingeäschert und das Hetzblatt ‚profil‘ verboten!“. DAS ist Stürmergeist.

Siebtens: Unsere Kritik an der AHS-Lehrergewerkschaft halten wir unverändert aufrecht. Mehr noch: Wir fühlen uns darin sogar bestärkt. Weil das Vorgehen von AHS-Gewerkschafter Eckehard Quin vergangenes Wochenende einmal mehr unter Beweis stellte, dass er nichts verstanden hat.

Bereits am Sonntag sendete Quin ein „Service-Rundmail“ (mit unseren Mailadressen sowie jener der Abonnenten-Abteilung des profil) an seine Mitglieder aus, in welchem er die Marschrichtung vorgab: „Hätte ich ein profil-Abo, hätte ich es spätestens heute gekündigt.“ Und zur inhaltlichen Orientierung „empfahl“ er den Blog eines oberösterreichischen„Dir. HR Dr.“, der sich sarkastisch „Volksschädling“ nennt und meinte: „Lehrer sind ja einiges gewöhnt, aber diesmal ist eine Grenze überschritten worden. Welch seltsame Motive die beiden Journalistinnen antreiben, darüber kann man nur Vermutungen an­stellen. Jedenfalls greifen sie zu Mitteln der persönlichkeitszerstörenden Diffamierung und Hetze, wie sie in einschlägigen Systemen des 20. Jahrhunderts gang und gäbe war. … In diese Strategie fügt sich auch das Titelbild hervorragend ein. Ich kenne keinen AHS-Lehrer, der so oder auch nur so ähnlich aussieht.“

Zufall? Wortidente oder ähnliche Sätze fanden sich in einer Reihe von Leserbriefen wieder; viele davon waren sogar mit „ein Volksschädling“ unterschrieben. Quin selbst hat bis heute nicht den Mut gefunden, an profil heranzutreten.

Achtens: Belästigt fühlten sich manche Eltern. „In diesen Tagen werden Eltern und Kinder an Bundesgymnasien mit einem unglaublichen Pamphlet zum neuen Lehrerdienstrecht belästigt, das von Halb- und Unwahrheiten nur so strotzt“, schrieb etwa ein Kärntner Vater.

Neuntens und abschließend: profil hat beschrieben, warum die Bildungspolitik in diesem Land aussieht, wie sie aussieht. Wir haben es uns, weil auch dieser Vorwurf immer wieder in Reaktionen durchklang, nicht leicht gemacht, haben dafür die Bildungspolitik seit den 1980er-Jahren aufgearbeitet, mit Experten telefoniert, Studien durchgearbeitet. Unterm Strich blieb die Erkenntnis, dass sich keine andere Gewerkschaft so hartnäckig gegen Reformen stemmt wie jene der AHS und BHS.
Und was die Pädagogen betrifft: Paul Kimberger, oberster Lehrergewerkschafter, sagte in einem profil-Interview (zum Thema Nachhilfe) im Mai dieses Jahres: „Ich lege die Hand nicht für alle Kollegen ins Feuer. Es gibt bestimmt viele, die sich zu wenig im Unterricht engagieren, dafür aber umso mehr in ihrer Freizeit. Aber genauso existieren auch jede Menge Vorzeige-Lehrer.“

Stimmt.