"Hoffe, unsere Stimmen wenden den Brexit ab"

Joseph García, Deputy Chief Minister des britischen Überseeterritoriums Gibraltar, über den drohenden Austritt aus der EU.

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profil: Wie sieht man denn in Gibraltar die Debatte um den "Brexit"? Joseph García: Ganz anders als in Großbritannien. Wir sind geografisch von Spanien und der EU umgeben und traditionell freundlicher gegenüber Europa gestimmt. Wir stehen geschlossen für einen Verbleib. Aktuell liegen wir bei 88 Prozent für den Verbleib bei der EU.

profil: Woher kommt diese hohe Zustimmung? García: Aus einer Vielzahl von Faktoren: Unser ökonomisches Modell hängt stark am Zugang zum europäischen Markt. Wir erhalten zudem Mittel wie Sozialund Regionalförderungen aus der EU. Und das Gros der jährlich fast zehn Millionen Touristen kommt aus der EU. Außerdem gibt es eine politische Dimension: unseren Nachbarn, der uns aktuell mit der rechtskonservativen Regierung des Partido Popular (PP) feindlich gegenübersteht. Manchmal aggressiv. Die EU ist eine Rettungsweste gegen Madrids Avancen.

profil: Nehmen Sie die Drohung Spaniens, im Fall des Brexit die Grenze zu schließen, ernst? García: Drohungen bleiben nicht nur solche, sie werden umgesetzt. Als 2014 im Sommer unter dem Vorwand der Bekämpfung des Tabakschmuggels penible Grenzkontrollen eingeführt wurden, gab es mehrere Stunden lange Staus. Betroffen waren davon ironischerweise mehrheitlich Spanier, von denen mehr als 10.000 tagtäglich frühmorgens nach Gibraltar zur Arbeit pendeln. Damals hat Madrid das EU-Prinzip des freien Personenverkehrs mit Füßen getreten.

profil: Gibraltar liegt an einem Hotspot der Migration. Ist das ein Thema für die Bevölkerung? García: Es ist kein Grund zur Sorge. Gibraltar hat ein sehr kleines Territorium und eine kurze Küstenlinie. Wir kooperieren punktuell mit der spanischen Küstenwache, um in Seenot geratene Flüchtlingsboote zu retten. Aber kein Immigrant will in Gibraltar landen. Denn von hier hat man keine Chance auf ein Weiterkommen in die EU.

profil: Wie wird die Brexit-Wahl ausgehen? García: Wenn es sehr, sehr knapp werden sollte und es um wenige Tausend Stimmen geht, wie wir gerade auch in Österreich gesehen haben, hoffe ich, dass unsere 28.000 Stimmen das Zünglein an der Waage für den Verbleib in der EU sein werden - und dass die Stimmen Gibraltars das Ergebnis drehen und den Brexit abwenden.

Joseph García (48) ist Parteichef der Gibraltar Liberal Party (GLP) und als Deputy Chief Minister die politische Nummer zwei in Gibraltar. Der studierte Politikwissenschafter und Historiker ist mit den Agenden der Internationalen Politik, den Beziehungen zur Europäischen Union sowie zur UN betraut.