Der türkische Europaminister Ömer Çelik

"Politik Österreichs ist stark nach rechts gerückt"

Der türkische Europaminister Ömer Çelik droht mit Strafmaßnahmen gegen Österreich. Außenministerin Karin Kneissl besucht Ende Jänner Ankara.

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Außenministerin Karin Kneissl wird am 25. Jänner ihren türkischen Amtskollegen Mevlüt Çavuşoğlu in Ankara besuchen. Sie will dabei eine "Normalisierung" der Beziehungen einleiten. Doch dies erscheint wegen des Einsatzes von Bundeskanzler Sebastian Kurz, die Beitrittsverhandlungen der EU mit der Türkei ganz einzustellen, schwierig. Die Türkei hat bereits Ende 2016 die Teilnahme Österreichs an NATO- Militärübungen im Rahmen der "Partnerschaft für den Frieden" blockiert. Während Çavuşoğlu "neue Seiten" in den Beziehungen mit Wien aufschlagen will, kritisiert Europaminister Ömer Çelik im Interview mit profil die neue österreichische Bundesregierung scharf. Eine Frage zu inhaftierten Journalisten in der Türkei ließ Çelik, der auch Chefverhandler der Türkei in den suspendierten Beitrittsgesprächen ist, unbeantwortet. Çelik über die neue Regierungskoalition in Österreich: Der Anstieg der Rechtsextremen in Europa und deren Machtergreifung wie zuletzt in Österreich macht uns Angst. Die extreme Rechte, die auch bei den Wahlen in Frankreich, den Niederlanden und Deutschland Stimmengewinne verzeichnete, wurde nun leider in Österreich sogar Koalitionspartner. Die ÖVP konnte die meisten Stimmen einsammeln, indem sie die Ideen der Rechtsextremen übernahm. Unsere Sorge gilt nicht nur Österreich, sondern der Zukunft Europas. Die FPÖ, die sich als Opposition zur Türkei, feindlich gegenüber dem Islam, antisemitisch sowie konträr gegenüber Migranten und xenophob positioniert, ist an die Macht gekommen. Das Fehlen von Maßnahmen, wie sie europäische Politiker vor 17 Jahren gegen die FPÖ von Jörg Haider getroffen haben, beweist, dass rechtsextreme Politik offenbar in der EU üblich geworden ist. Die größte Bedrohung für die EU sind aber nicht Muslime oder die Migration. Es sind Politiker, die diese Gruppen als "anders" ausschließen und universelle Werte durch Angstparolen unterminieren. Diese Sprache der Angst entfernt die EU von ihrem Ziel eines Friedensprojektes, indem Radikalisierung und soziale Unruhe verstärkt werden. Daher glaube ich, dass die Politik in Österreich, die stark nach rechts gerückt ist, weder der Türkei noch der EU oder Österreich in der kommenden Periode nützlich sein wird.

INTERVIEW: OTMAR LAHODYNSKY

... über die Ankündigung von Bundeskanzler Sebastian Kurz, die Beitrittsverhandlungen der EU mit der Türkei abbrechen zu wollen:

Wir sind besorgt darüber, dass die österreichische Regierung einen Abbruch der Beitrittsverhandlungen zugunsten eines unklaren Nachbarschaftskonzeptes anstrebt. Das widerspricht allen EU-Zusagen. Die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei brachten Vorteile für beide Seiten. Aussagen, wonach die Türkei ausgeschlossen werden soll, schaffen Risiken für die Zukunft Europas. Die politischen Parteien, die den Brand in Europa in den 1930er-Jahren entfachten, waren alle durch Antisemitismus verbunden. Heute erscheint Widerstand gegenüber Muslimen als verbindendes Element der rechten Parteien.

... über den EU-Beitrittswunsch der Türkei:

Die Türkei wollte Mitglied einer wohlhabenden und starken EU, die universellen Werten verpflichtet ist, werden. Die Türkei möchte noch immer einer solchen Union angehören. Doch wir sehen mit jedem Tag ein immer verstörenderes Bild von der EU. Die Türkei verfolgt weiter das strategische Ziel, EU-Mitglied zu werden. Aber unsere Beziehungen zur EU können nur aufrechterhalten werden, wenn die EU ernsthaft auf die konkreten Schritte der Türkei reagiert.

... über mögliche Gegenmaßnahmen Ankaras gegen Österreich:

Der Platz der Türkei in Europa ist zweifellos eine historische Realität. Wenn Österreich Maßnahmen gegen die Türkei ergreift, ohne zu bedenken, dass die Türkei eine europäische Macht und Demokratie ist, dann sollte es wissen, dass wir ähnliche Initiativen starten können. Die Türkei hat als souveräner Staat alle unfreundlichen Akte entsprechend beantwortet und wird dies weiter tun. Wir wollen aber alle Kanäle von Kooperation und Dialog offen halten.

... über mögliche Kürzungen von EU-Förderungen:

Die Vorbeitrittshilfen und die Fazilität für Flüchtlinge in der Türkei (FRIT) sind zwei unterschiedliche Mechanismen. Nach UNHCR-Statistik ist die Zahl der täglichen Ankünfte von Migranten aus der Türkei in Griechenland von 7000 im Oktober 2015 auf 55 im Dezember 2017 gesunken. Diese Zahlen beweisen den Erfolg des Abkommens. Wir erwarten, dass jetzt auch die EU ihre Verpflichtungen einhält. Daher sollten die Beitrittsverhandlungen wieder aufgenommen werden und die dafür vorgesehenen drei Milliarden Euro an Vorbeitrittshilfen wie vereinbart ausbezahlt werden. Auch die Vorbereitungen über weitere drei Milliarden Euro, die laut Abkommen bis Ende 2018 ausbezahlt werden sollen, müssen jetzt starten. Wir erwarten auch konkrete Schritte in der Visa- Liberalisierung und bei der zugesagten Reform der Zollunion. Wenn die Türkei von der EU wiederholt wegen verschiedener Punkte kritisiert wird, dann ist es doch total widersprüchlich, wenn die EU Mittel für Projekte, die unser Land auf den EU-Rechtsbestand vorbereiten, kürzen sollte. Dies würde die Türkei noch weiter von der EU entfernen.