Martin Sajdik. Der österreichische Spitzendiplomat vermittelt seit 2015 im Ukraine-Konflikt
„Kurz muss alle auf Linie bringen“

OSZE-Sondergesandter: „Kurz muss alle auf Linie bringen“

Martin Sajdik, Sondergesandter des OSZE-Vorsitzenden für die Ukraine, über die derzeit heikelste Mission.

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In der Ost-Ukraine überwachen 1100 Beamte der OSZE den fast täglich gebrochenen Waffenstillstand zwischen von Russland unterstützten Separatisten und der ukrainischen Armee. Bislang starben mehr als 10.000 Menschen im bewaffneten Konflikt. Der österreichische Spitzendiplomat Martin Sajdik steht als Sondervertreter der OSZE im Zentrum der Friedensbemühungen.

profil: Was kann Österreich im Rahmen des OSZE-Vorsitzes in der Ostukraine bewirken? Sajdik: Die Mission der OSZE in der Ostukraine wird auch unter Österreichs Vorsitz der wichtigste Einsatzort bleiben. Das Wichtigste wird sein, dass alles funktioniert, ausreichend Geld vorhanden ist und dass die Mitgliedstaaten bereit sind, g Mitgliedstaaten nicht mitgeht, gibt es ein Problem. In der OSZE muss Kurz als Vorsitzender wirklich alle auf Linie bringen.

profil: Außenminister Kurz hat angekündigt, dass er auf Moskau zugehen möchte, weil man ohne Russland keine Lösung des Ukrainekonflikts erreichen könne. Andere meinen, man müsse gegenüber Moskau härter auftreten. Sajdik: Dazu möchte ich nicht Stellung nehmen. Außenminister Kurz wird Kiew und Moskau besuchen und dort sein Programm bekannt geben.

Man kann auch sagen, es bewegt sich alles in einem langsameren Tempo vorwärts.

profil: Ist der Minsk-Prozess, der ins Stocken geraten ist, noch erfüllbar? Sajdik: Man kann auch sagen, es bewegt sich alles in einem langsameren Tempo vorwärts. Es geht sehr wohl etwas weiter im humanitären Bereich. Auch der Austausch von Gefangenen hat stattgefunden und es gibt eine neue Initiative zum Waffenstillstand. Und es finden regelmäßig Verhandlungen im Rahmen des Normandie-Formats – unter Beteiligung von Russland, der Ukraine, Deutschland und Frankreich – statt.

profil: Russland hat aber bereits eine neue OSZE-Mission aus bewaffneten Polizeikräften abgelehnt. Sajdik: Die Frage stellt sich im Zusammenhang mit den abzuhaltenden Lokalwahlen in der Ostukraine. Können oder wollen die Milizen der Separatisten die Sicherheit von Kandidaten garantieren, die für Parteien wie den „Block Petro Poroschenko“ oder Tymoschenkos „Vaterland-Vereinigung“ antreten? Sorgen sie auch für die Sicherheit der OSZE-Wahlbeobachter? Außerdem: Die Polizeimission könnte ja auch unbewaffnet sein, so wie die OSZE-Special Monitoring Mission.

Zur Türkei gibt es im OSZE-Kontext keine offenen Fragen.

profil: Stimmt der Eindruck, dass die ukrainische Regierung die Probleme in den Rebellengebieten den Russen überlassen wollen? Sajdik: Unter der neuen Regierung von Premierminister Groisman gibt es ein eigenes Ministerium, das sich damit beschäftigt. Die Regierung bemüht sich, hier eine Linie zu finden und die Ukraine in ihrer Gesamtheit zu erhalten. Aber in einem Land mit 45 Millionen Einwohnern und 600.000 Quadratkilometern ist das eine schwierige Aufgabe.

profil: Als Vorsitzender muss Außenminister Kurz Vermittler sein – auch im Namen der Türkei. Ist das noch möglich, nachdem er sich den Zorn der türkischen Regierung auf sich gezogen hat? Sajdik: Ja, denn zur Türkei gibt es im OSZE-Kontext keine offenen Fragen. Auf beiden Seiten gab es überdies schon Konflikte. Die Türkei hat die Ernennung der früheren Außenministerin Ursula Plassnik zur Generalsekretärin der OSZE blockiert. Man darf aber nicht vergessen, dass unter der österreichischen EU-Präsidentschaft 2006 das erste Kapitel der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei eröffnet und auch vorläufig abgeschlossen wurde. Jetzt muss unter unserem Vorsitz ein neuer Generalsekretär der OSZE vorgeschlagen werden, der von allen akzeptiert werden muss. Als Vorsitzland kann Österreich schwer einen Österreicher ins Rennen schicken. Ich glaube, dass unter anderen der slowakische Außenminister Miroslav Lajcák gute Chancen hat.