Teamchef Franco Foda und Konrad Laimer jubeln über den 0:1 Erfolg nach dem Fussball-EM-Qualifikationsspieles Slowenien gegen Österreich am Sonntag, 13. Oktober 2019, in der Arena Stozice in Ljubljana.

Österreichs Nationalteam siegt und siegt – darf da Kritik überhaupt sein?

Das österreichische Nationalteam steht vor der Qualifikation für die Europameisterschaft. Was macht das mit einer Fußballnation, die zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt pendelt und Kritik nach Siegen eigentlich befremdlich fand?

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Das Weltbild im Fußballgeschäft ist simpel: Der Sieger hat immer recht. Ein solcher Fall ist derzeit das Nationalteam, das nicht immer schön spielt, aber gewinnt und gewinnt – in den letzten sechs Spielen fünfmal. Ein mickriges Pünktchen fehlt zur Qualifikation für die Europameisterschaft. Nordmazedonien und Lettland werden keine Stolpersteine dabei sein. Heißt: Österreichs Nationalteam spielt im nächsten Jahr im Konzert der Großen. Und das obwohl es in den letzten Monaten mehr kritisiert als bejubelt wurde. Zu behäbig, zu wenig attraktiv sei die Spielweise jedenfalls zeitweise gewesen. Ist nun die Zeit für großen Jubel und Euphorie im Land der oft geschundenen Fußballseele gekommen? Nicht wirklich: Bestandene Qualifikationen bedeuteten immer auch Brüche im Erfolgskurvenverlauf des Nationalteams. Teilnahmen wurden euphorisch bejubelt, aber selten ausreichend analysiert.

Bei der Weltmeisterschaft 1998 und der Europameisterschaft 2016 folgten auf hervorragende Qualifikationen Turnierflops. Die österreichische Fußballnation feiert Teilnahmen wie Europameistertitel und lässt somit dort Druck ab, wo andere Luft holen. So ignorierte man vor drei Jahren die eigene Berechenbarkeit und maue Testspiele, während in der Öffentlichkeit unverhältnismäßig Euphorie entfacht wurde. Zuletzt beklagten heimische Teamspieler kritische Stimmen, die ihnen aufgrund der Erfolge unpassend erschienen. Dabei wäre eine neue „Europhorie“ viel problematischer. In Erfolgszeiten wird für Berichterstatter aus dem „ihr“ schnell ein „wir“ und eine ganze Nation verweigert sich im Dauertrubel monatelang einer kritischen Auseinandersetzung. Dabei könnte das österreichische Nationalteam aus der Vergangenheit lernen; selten hat eine Qualifikation so viele Erkenntnisse für Analysezwecke und konstruktive Kritik gebracht wie diese acht Spiele.

Österreich hat forsch und angriffig gespielt, aber auch behäbig und ängstlich. Und wie zuletzt in Slowenien: mit einer Mischung aus Beidem. Mutig, aber nicht übermütig. Aggressiv, aber nicht entfesselt. Souverän, aber nicht glänzend. Österreich hat so viele unterschiedliche Strategien ausprobiert wie selten zuvor. Nur die Kompatibilität aus richtiger Strategie für das passende Spiel konnte nicht immer gefunden werden. So wurden das biedere Polen und das zur Inferiorität neigende Israel in den ersten beiden Spielen durch die überängstliche österreichische Strategie erst zu Sturmläufen ermutigt. Zwei Niederlagen waren die Folge. Und zuletzt im Heimspiel gegen Israel lief Österreich nicht wie das in allen Belangen (Spieler, Weltranglistenplatzierung, Marktwert) weit überlegene Team auf, sondern irritierend devot. Zwei von drei Spielen, in denen Österreich abwartend und überängstlich agierte, wurden verloren. Erst als gegen Slowenien, Nordmazedonien, Lettland und Polen erfrischend nach vorne gespielt und hoch gepresst wurde, holte Österreich Punkte. Genauer gesagt: Zehn von zwölf. Fast schien es, als würde Foda seine Spieler nun von der Leine lassen.

Zur Erklärung: Selten hatte eine österreichische Fußballnationalmannschaft so viele gute Kicker in den besten Ligen Europas. Die meisten von ihnen spielen bei ihren Klubs Pressing- und Tempofußball. Auch im Nationalteam kamen ihre Stärken so am besten zur Geltung. Eine gute Mischung aus aktivem, aber nicht übermütigem Fußball fand Foda beim wichtigen Auswärtsspiel in Slowenien, das souverän 1:0 gewonnen wurde; Randnotiz: gegen ein äußerst biederes Slowenien. Nun gut: Die glückliche Auslosung kann man dem ÖFB schwer vorwerfen, wenngleich sie in die Analyse zur EM-Vorbereitung einfließen sollte. Polen, Slowenien und Israel – die Gegner um die beiden EM-Tickets – wurden bieder auf die Spielfelder geschickt. Selbst in einer offensichtlichen Findungsphase konnten die Österreicher das Gros ihrer Spiele gewinnen. Auch Peter Stöger erklärte gegenüber profil zuletzt, dass er Österreich für die individuell beste Mannschaft in dieser Gruppe halte. Viele Experten sehen das ähnlich. Nur wurde die Stärke auf dem Papier selten zur Gänze auf dem Feld ausgespielt. Österreich sprang so hoch wie es musste. Nie höher. Dass die Österreicher mit sehr aktivem Fußball auch höher eingeschätzte Gegner besiegen können, zeigten die Testspiele zu Beginn der Foda-Ära, ehe in der Nations-League die Ausrichtung mit dem ersten Pflichtspiel zu mehr Passivität verändert wurde.

Eine weitere Erkenntnis: Einzelne Spieler besiegeln nicht mehr das Schicksal des Teams. Selbst nach Ausfällen der Superstars David Alaba und Marko Arnautovic sowie Stammspielern der deutschen Bundesliga kann der ÖFB auf ein reiches Spieler-Reservoire zurückgreifen, um Spiele (gar auswärts) souverän zu gewinnen. Österreichs Fußballteam darf also durchaus im Bewusstsein der eigenen Stärke agieren. Die Ausrutscher (die Heimniederlage gegen Polen und das peinliche 2:4 in Israel) müssen gezeigt haben, wie man nicht agieren sollte, während die Glanzlichter (die aktiven Spiele gegen Slowenien, Nordmazedonien, Polen auswärts und Lettland) den strategischen Kurs klar vorgeben. Das Team glänzt durch Aktivität und limitiert sich durch Passivität.

Und: Kritikfähigkeit sollte auch in Erfolgszeiten als wichtiger Baustein zur Selbstoptimierung erkannt werden. Julian Baumgartlinger gab sich nach dem 3:1-Sieg gegen Israel schwer beleidigt, als er von einem Reporter gefragt wurde, ob das passive Spiel nicht besser und aktiver zu gestalten gewesen wäre. Gegen Israel war das Happel-Stadion nur halbvoll. Und selbst nach dem vorentscheidenden Spiel in Slowenien bemerkten Beobachter, dass die Euphorie im Land ein wenig fehle. Was es ebenso zu bemerken gilt: In der Vergangenheit war Euphorie mit Scheuklappen oftmals der (Turnier-)Lustkiller, nicht hartnäckige Analyse und konstruktive Kritik (selbst) nach Siegen.