Grünzeug: Wes Anderson als Kurator im Kunsthistorischen Museum

Der US-Regiestar Wes Anderson und die Künstlerin Juman Malouf arrangieren Sammlungsbestände des Kunsthistorischen Museums neu. Ganz so originell wie erwartet sehen die Ergebnisse indes nicht aus.

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Ein Philosophenbildnis des Malers Giovanni Girolamo Savoldo, ein Kimono, eine Ansammlung von Malachiten, Deckelgefäße und ein 3000 Jahre altes Kettchen treffen hier aufeinander. Was haben all diese Gegenstände gemeinsam? Ganz einfach: Sie werden von der Farbe Grün dominiert.

Wiens Kunsthistorisches Museum (KHM) hat es sich zur Gewohnheit gemacht, Künstler exklusive Ausstellungen mit seinen Sammlungsbeständen gestalten zu lassen. Für das aktuelle Projekt („Spitzmaus Mummy in a Coffin and other Treasures“, zu sehen ab 6. November) zog Jasper Sharp, der für die zeitgenössische Schiene zuständige Kurator, einen Star an Land: Der Filmregisseur und -produzent Wes Anderson („Isle of Dogs“; „Grand Budapest Hotel“, „The Royal Tenenbaums“) nahm das Unterfangen in Angriff, gemeinsam mit seiner Partnerin, der Autorin und Illustratorin Juman Malouf.

Monumentale Schaukästen in verschiedenen Farben

Zu den 14 Kollektionen des KHM-Verbandes, der weit mehr umfasst als das Haus am Burgring, gehören nicht nur die berühmte Gemäldegalerie, sondern auch die Kunstkammer, die Antikensammlung, das Innsbrucker Schloss Ambras, das Welt- und das Theatermuseum sowie einige Standorte mehr. Eine Reihe von Exponaten aus den Schausammlungen zeichnete Malouf ab. Sie ersetzen die Objekte für die Dauer der Ausstellung an ihren gewohnten Standorten.

Das Duo arrangierte die 423 gewählten Exponate nach unterschiedlichen Kriterien. In einem Teil der Kunstkammer ließen Anderson und Malouf monumentale Schaukästen in verschiedenen Farben einbauen. Diese bergen ungewöhnliche, großteils selten oder nie gesehene Exponate. In einem Bereich hängen ausschließlich Bildnisse von Kindern – ernsthafte junge Damen und Herren, viele von ihnen in steifen Gewändern, typische höfische Repräsentationskunst. Anderswo finden Tiere aller Art zueinander: der titelgebende ägyptische Sarg einer Spitzmaus aus dem vierten vorchristlichen Jahrhundert, eine kamerunische Leopardenfigur, das Gemälde einer Katze.

„Sie ignorierten alles, worauf die Kunstgeschichte basiert"

In einem Raum werden Holzgegenstände gezeigt, von der Geige über Kleinskulpturen bis zum versteinerten Aststück. Selbst die Dimension wurde zum Ordnungskriterium: Miniaturporträts und -büsten sowie winzige Modelle von Streichinstrumenten und Trommeln aus Asien werden da zu Nachbarn. Andersons liebevoll-verspielte Kinoinszenierungen hallen hier ästhetisch nach.

„Wes Anderson und Juman Malouf wählten nichts nach Kriterien aus, denen Kuratoren üblicherweise folgen“, sagt Sharp: „Sie ignorierten alles, worauf die Kunstgeschichte basiert. Es ist ein ganz anderer Blick auf diese Objekte.“ Im Katalog zur Ausstellung wünscht sich Anderson, „dass die unkonventionelle Zusammenstellung und Anordnung der präsentierten Werke die Auseinandersetzung vieler künftiger Generationen mit Kunst und der Antike auf geringfügige, vielleicht sogar belanglose, aber jedenfalls feststellbare Weise beeinflussen wird“. Aber ist sein Zugang wirklich so ungewöhnlich? Nach Materialien oder Farben zu sortieren, war bereits in den Kunstkammern üblich, wie sich gerade hier im Haus zeigt. Alles andere als neuartig ist auch der Fokus auf bestimmte Sujets (wie hier die Kinderporträts). Ausstellungen zu einzelnen Farben gab es ebenfalls schon.

Das Nebeneinander der Exponate erweist sich als reizvoll und inspirierend, die Streifzüge des Duos durch die gigantischen Sammlungsbestände haben sich sichtlich gelohnt – auch wenn sich diese Schau den Bruch mit kuratorischen Konventionen nicht ernsthaft auf die Fahnen schreiben kann.

Nina   Schedlmayer

Nina Schedlmayer