Frieden schaffen ohne Waffen

Eine neue Einheit des Bundesheeres setzt auf weiche Methoden wie Mediation.

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Zum Jahreswechsel vollzog Oberstabswachtmeister Oliver Jeschonek eine Änderung. Er legte seine Bundesheer-Uniform ab und ziviles Gewand an. Aus dem Unteroffizier wurde ein Amtsdirektor der Landesverteidigungsakademie. Jeschoneks Arbeitsplatz ist ein Büro in der Klagenfurter Laudon-Kaserne. Er hat kurze, etwas ergraute Haare, breite Schultern und ein einladendes Lächeln, das ihm bei seiner Tätigkeit durchaus hilft. Jeschonek ist Mediator im österreichischen Bundesheer.

Vor allem höherrangigen Offizieren fiel die Zusammenarbeit mit ihm zu Beginn nicht ganz leicht. Dass ihnen ein Unteroffizier Themen vorgab und sogar das Wort entzog, passte nicht zum hierarchisch dominierten Selbstverständnis der Obersten und Generäle. Das hat sich geändert. Jeschonek: "Nach sieben Jahren Aufbauarbeit zählen der gute Ruf und die Expertise mehr als ein Dienstrang." Im Allgemeinen löst eine Armee einen Konflikt mit Waffengewalt. Und bei der Ausbildung und im Dienstbetrieb zählen Disziplin und Gehorsam. Doch seit einigen Jahren setzt das Bundesheer auch auf weiche Methoden: Mediation statt Abschreckung; Coaching und Teamentwicklung statt Drill und Kasernenton.

Nach sieben Jahren Aufbauarbeit zählen der gute Ruf und die Expertise mehr als ein Dienstrang

Im Jahr 2008 war eine Projektgruppe beim Streitkräfteführungskommando des Bundesheeres in Graz eingerichtet worden, die Coaching, Mediation und Teamentwicklung für militärische Organisationen adaptieren sollte. Der damalige Generalstabschef Edmund Entacher hatte das Projekt genehmigt. Projektleiter war der Chefpsychologe des Bundesheeres, Bernhard Penz: "Ich war damals vermehrt mit komplexen Anfragen konfrontiert. Besonders wenn nicht nur eine Einzelperson betroffen war, sondern Konflikte in oder zwischen Organisationseinheiten auftraten, war das mit den damaligen Ressourcen nicht machbar."

Wie in jeder großen Organisation gibt es auch beim Militär Streitereien zwischen Mitarbeitern. Wenn Mitglieder eines Teams nicht mehr zusammenarbeiten können, betrifft das freilich nicht nur diese allein. "Dort, wo das Betriebsklima passt, ist auch die Arbeitsmotivation höher", sagt Oliver Jeschonek. Das gilt in der Privatwirtschaft ebenso wie im Bundesheer.

Dort, wo das Betriebsklima passt, ist auch die Arbeitsmotivation höher

Ein Drittel seiner Arbeitszeit verwendet der Bundesheer-Mediator für Gespräche mit Soldaten aller Dienstränge. Bei der Lösung von Auseinandersetzungen gehe es ihm nie um die Schuldfrage, sagt Jeschonek. Dieses zentrale Prinzip der Mediation ist nicht selbstverständlich in einer hierarchisch gegliederten Organisation, die sich in der Vergangenheit oft mit Schuldsuche und Bestrafung auseinandersetzte. Jeschonek: "Auch beim Militär arbeiten Menschen. Es macht etwas mit ihnen, wenn sie für den Nachweis eines vermuteten Fehlverhaltens seitenweise Protokolle führen müssen. Sie schärfen dabei zwar ihren Blick für die Fehler, allerdings auf Kosten der Möglichkeiten."

Mittlerweile sind Coaching, Mediation und Teamentwicklung fix im Militär verankert. Aus der Projektgruppe des Jahres 2008 entstand das Referat "Coaching, Mediation &Teamentwicklung" im Zentrum für menschenorientierte Führung und Wehrpolitik der Landesverteidigungsakademie. Jeder der vier Spezialisten leistet im Heer pro Jahr etwa 120 Kliententage. Seit 2009 wurden 145 Teamtrainings, 268 Coachingsitzungen und 56 Mediationen mit Heeresangehörigen durchgeführt. Zusätzliche Team-und Kommunikationstrainer bildet sich das Verteidigungsministerium selbst aus. Statt mit Operation, Taktik und militärischer Strategie beschäftigen sich die angehenden Coaches mit Didaktik, Mathetik und Mäeutik.

"Die Herausforderungen an die Soldaten und Soldatinnen im nationalen wie internationalen Bereich haben sich seit geraumer Zeit dramatisch geändert", sagt Günther Fleck, der interimistische Leiter des Zentrums für menschenorientierte Führung und Wehrpolitik. Auslandseinsätze haben das militärische Anforderungsprofil beträchtlich erweitert. Fleck: "Der Soldat ist mitunter gefordert, Aufgaben eines Sozialarbeiters oder Polizisten wahrzunehmen. Hier sind militärische Einsatzkräfte gegebenenfalls auch als Mediatoren und Vermittler gefordert."

Die Herausforderungen an die Soldaten und Soldatinnen im nationalen wie internationalen Bereich haben sich seit geraumer Zeit dramatisch geändert

Dass das Bundesheer nicht nur über militärische Fertigkeiten, sondern auch über kompetente Coaches und Teamentwickler verfügt, wurde mittlerweile sogar in der zivilen Mediatoren-Branche registriert. Im Vorjahr zeichnete der gemeinnützige Grazer Verein "IRIS -Gesellschaft für Konfliktkultur und Mediation" das Streitkräfteführungskommando mit einem Anerkennungspreis in der Kategorie "Öffentliche Verwaltung" aus.

Elvira Hauska: Zur Kunst des Friedens. Leben und Wirken österreichischer Friedensstifterinnen und Friedensstifter; novum-pro, 282 Seiten

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.