Zurück in der Zukunft

Landtagswahl in Salzburg: Zurück in der Zukunft

Landtagswahl in Salzburg: Wer will, wer darf, wer kann regieren?

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Eine Landschaft wie eine Kitschpostkarte: Schneeberge am Horizont, Glitzerseen zu Füßen, schmuck herausgeputzte Ortschaften. Der Salzburger Flachgau, der Speckgürtel nahe der Landeshauptstadt, boomt nicht ohne Grund. Landeshauptmann Wilfried Haslauer steht auf der sattgrünen Wiese der Gemeinde Hallwang und posiert stolz neben einem putzigen Strohhasen, der das Transparent „Hallwang läuft für Haslauer“ hält. „Das ist total nett, das schafft ihnen keiner an, so etwas aufzustellen“, freut sich Haslauer.

Anschaffen ist relativ. Fast jede ÖVP-Ortspartei hat ein solches „Landschaftselement“ aufgestellt: Hasen (als Namensanspielung), Löwen (nach dem Landeswappen) oder irgendetwas (zum Beispiel einen Doppeldeckerflieger). Alle werben für Haslauer. Ein interner Wettbewerb mit Geldpreisen für die Top-3-Ortsparteien sorgt für Zusatzanimo, besonders Auffälliges in die Wiese zu klotzen.

Haslauer hat gute Gründe, Hasen und Co als spontane Nettigkeit aufzustellen. Wenn die ÖVP Salzburg ein Problem hat, dann ist es ihre Dominanz. Im Bezirk Flachgau etwa stellt sie in 34 von 37 Gemeinden den Bürgermeister. Platz eins gilt bei der Landtagswahl als längst vergeben, ein Wahlsieg von ÖVP-Landeshauptmann Haslauer am 22. April als ausgemacht, ein Plus vor dem ÖVP-Ergebnis als fix. Die Konkurrenz ist klar abgeschlagen. „Das klingt zwar wie ein Luxusproblem, birgt aber die Gefahr, dass die Leute nicht hingehen oder taktisch wählen“, sinniert Haslauer.

ÖVP-Ortsgruppen wetteifern um das beste Landschaftselement

Auch deshalb spaziert er an diesem strahlenden Frühsommertag durch die Orte im Flachgau und drückt jedem Passanten, der seinen Weg kreuzt, ein ÖVP-Sackerl in die Hand, stets begleitet vom Satz: „Wir kämpfen um jede Stimme.“ Haslauer ist in den vergangenen fünf Jahren im Amt fraglos gewachsen, er gilt nicht mehr zuallererst als Sohn von Wilfried Haslauer senior (Landeshauptmann von 1977 bis 1989). Eine gewisse Sprödheit hat er aber nicht abgelegt. „Mich gibt’s wirklich“ gehört zu seinen bevorzugten Gesprächseröffnungen. Oft erzählen ihm Mitarbeiter in Notariatskanzleien oder Schlossereien, dass sie seit Jahrzehnten im selben Betrieb werken; stets bringt Haslauer den obligaten Kalauer an: „Und, schon eingearbeitet?“ Heiße Herzen erzeugt man so nicht. Aber Haslauer wirbt auch mit „Stabilität“.

Wobei Stabilität in Salzburg relativ ist. Der Finanzskandal des Jahres 2012, als Spekulationen mit Landesgeldern in dreistelliger Millionenhöhe aufflogen, erschütterte das Land – und stellte gleichzeitig die alte Ordnung wieder her. Vor der Affäre war Salzburg eines der reichsten Bundesländer, danach beinahe so skandal- und schuldengebeutelt wie Kärnten. Die SPÖ/ÖVP-Koalition brach auseinander, die beiden Regierungsparteien wurden bei der außertourlichen Neuwahl massiv abgestraft: Die ÖVP sackte auf 29 Prozent und ihr schlechtestes Ergebnis der Nachkriegsgeschichte ab, die SPÖ verlor gar 13 Prozentpunkte, Gabi Burgstaller den Landeshauptfrausessel. Inzwischen ist die ÖVP wieder dort, wo sie bis auf das neunjährige Burgstaller-„Interregnum“ (2004 bis 2013) in Salzburg immer gewesen war: auf Platz eins. Und ausgerechnet der als kreuzbieder verschriene Haslauer wagte ein einmaliges Experiment: eine Dreierkoalition mit Grünen und Team Stronach.

Der Versuch kann getrost als gescheitert bezeichnet werden; es ist nur mehr eine Zweier-Koalition übrig. Landesrat Hans Mayr verließ zuerst das Team Stronach, eine Affäre um Spenden aus der Baubranche katapultierte ihn im Jänner aus dem Amt als Wohnbaulandesrat. Unverdrossen tritt er als schrullige One-Man-Show („Sag’s dem Hans“) wieder an.

One-Man-Show "Sag's dem Hans"

Der Schock des Finanzskandals ist überwunden, Salzburg hat Wien als reichste Region überholt, befindet sich wirtschaftlich auf der Überholspur und kämpft mit Sorgen auf hohem Niveau: Die Zahl der Touristen schrammt an der Obergrenze, die Wirtschaft floriert, die Arbeitslosigkeit ist so niedrig, dass Betriebe schwer Fachkräfte finden. Doch die politischen Folgen der Affäre wirken nach: Mit der Koalition hat sich Haslauer wenig Freunde gemacht – im Gegenteil.

Seekirchen am Wallersee, eine Kleinstadt im Flachgau. Haslauer geht in einer Konditorei von Tisch zu Tisch, ein älterer Herr agitiert ihn an: „Meine Stimme kriegen Sie – aber nur, wenn Sie garantieren, dass Sie keine Koalition mehr mit den Grünen machen. Diese Konstellation ist ein Horror!“ Der Stau! Tempo 80 auf der Autobahn! Und überhaupt! Haslauer seufzt eine Antwort: „Die Regierungsbildung ist wahrscheinlich schwieriger als der Wahlkampf. Sie sind gegen die Grünen. Andere sagen: Auf keinen Fall mit der FPÖ. Und die Dritten: Keinesfalls mit der SPÖ.“

Kurz: Wofür auch immer er sich entscheidet – ein Drittel seiner Wähler wird grollen oder gleich taktisch eine andere Partei stärken, um die Koalitionsentscheidung zu beeinflussen. Das fürchtet die ÖVP insgeheim am meisten – und es verleiht der Wahl einen gewissen Spannungsfaktor.

Grünen-Chefin Astrid Rössler amtiert zwar seit fünf Jahren als Landeshauptmann-Stellvertreterin, wird auf Plakaten aber allen Ernstes mit dem Slogan „Keine Politikerin“ beworben. Rössler und die Grünen waren 2013 die politische Profiteure des Finanzskandals; er katapultierte die skandalfreie Partei auf den Rekordwert von über 20 Prozent. Diesmal stehen die Aktien weit weniger hoch, ein Minus vor dem Ergebnis scheint unabwendbar.

Grünen-Spitzenkandidatin Astrid Rössler

Rössler gehört zu jener raren Spezies von Politikern, denen das Rampensau-Gen völlig fehlt. Sie brennt für Raumordnung und Bienenhotels und lobt als Hauptbonus der Koalition „fünf Jahre unaufgeregte Regierungszeit“. Medien- und Glamour-Erwartungen bedient Rössler konsequent nicht, Populismus ist ihr wesensfremd, die Festspielstadt-Society auch: „Ich bin lieber auf drei Galaabenden weniger und lese mir den Klimabericht durch“, sagt sie. Und: „Ich hoffe, dass die Grün-Wähler themenorientiert sind.“ Sie würde gern weiterregieren – wenn Wahlergebnis und Haslauer sie lassen.

Ein Rauswurf aus dem Landtag wie in Kärnten droht den Grünen wohl nicht, ist Salzburg doch eine ihrer Wiegen. 1977 eroberten sie mit Herbert Fux, Knallchargenspieler in 120 schlechten Filmen, das Stadtparlament; 1982 kam mit dem blutjungen Versicherungsvertreter Johannes Voggenhuber der erste Grünpolitiker Europas in eine Regierung und ertrotzte Fußgängerzonen. Lange her. Diesmal haben die Grünen mit heftigem Gegenwind zu kämpfen – und mit neuer Konkurrenz. Der streitbare Sepp Schellhorn, der Pongauer Gastronom und Nationalratsabgeordnete, wirbelt für die NEOS den Wahlkampf auf. Mit dem Slogan „Geht ned gibt’s ned“ wütet er in Videos gegen Stillstand, Reaktionäre und Wirtschaftsblockaden und will die Liberalen in den Landtag bringen. Wenn die Umfragen stimmen, könnte das Unterfangen gelingen – zulasten von Grünen und ÖVP. Auch Schellhorn will regieren, wenn Wahlergebnis und Haslauer ihn lassen.

Neos-Spitzenkandidat Sepp Schellhorn

Genau wie Walter Steidl, Spitzenkandidat der SPÖ. Vor Burgstaller fungierte die Sozialdemokratie über Jahrzehnte als Juniorpartner der ÖVP – in diese Zukunft will Steidl zurück. Dafür rackert sich der bodenständige Gewerkschafter durch den riesigen Spar-Supermarkt in Salzburg-Lehen, der bevorzugten Wohngegend jener, denen Preis vor Altstadtlage gehen muss. „Wie geht’s“, grüßt Steidl jovial und verwickelt Mitarbeiter und Passanten in Gespräche. „Es ist respektlos, dass wir in Salzburg neuerdings Teilzeitkrankenhäuser haben, die um 15 Uhr zusperren“, sagt er zu einem Mann. Einer Frau preist er seine Idee an, in Schulen gesundes Gratismittagessen zu verteilen: „Es geht nicht, dass die Kinder sich von Leberkässemmeln und Cola ernähren.“ Einem anderen erklärt er, warum Wohnen zu teuer ist und wie das geändert gehört: „Es ist würdelos, dass Wohnbaugelder verlost werden.“

SPÖ-Spitzenkandidat Walter Steidl

Die Kunst des schnellen Small Talks ist nicht Steidls Domäne, er führt längere Unterhaltungen. „Ich kann gut zuhören und habe auch schon in Ehekrisen beraten“, grinst er. Da trifft es sich, dass SPÖ-Chef Christian Kern als Wahlkampfhelfer mit dabei ist und jene beackert, die Steidl durch die Lappen gehen. Er kritisiert den „Lavendel“ der Bundesregierung und ihre AUVA-Pläne. Die Unfallversicherung erweist sich als unverhofftes Wahlkampfgeschenk: Die roten Gewerkschafter formieren sich zwei Tage vor der Wahl zur Großprotestversammlung.

FPÖ-Spitzenkandidatin Marlene Svazek

Die SPÖ hofft, dass Bundesthemen die Wahl mitbeeinflussen – die FPÖ befürchtet genau das. Ihre Generalsekretärin, die 25-jährige Marlene Svazek, ist Obfrau und Spitzenkandidatin der FPÖ. Ihr Atout ist, dass Salzburgs ausgeprägte deutschnationale Tradition der FPÖ vor allem in den Gebirgsgauen meist zu Ergebnissen weit über dem Bundestrend verhalf – ihr Manko, dass Sicherheits- und Migrationsthemen im Wahlkampf kaum eine Rolle spielen. Selbst die Taschenalarme, die Svazek verteilt („Ich hoffe, Sie brauchen ihn nie“) führen zu keinen Anti-Ausländer-Debatten auf dem Schrannenmarkt in Salzburg. Die Standler empfangen Svazek freundlich, sie überreicht mit breitem Lächeln Alarme, Manner-Schnitten („Marlene mag man eben“) und Kaffee, bekommt Leberkässemmerl und Schnapserl retour, verabschiedet sich nett mit den Worten: „Ich will euch nicht aufhalten.“ Mehr Gesprächsbedarf ist nicht auszumachen. „Ein emotionales Thema gibt es in Salzburg nicht“, meint Svazek. Auch sie möchte gern mitregieren – wenn Wahlergebnis und Haslauer sie lassen.

Eva   Linsinger

Eva Linsinger

Innenpolitik-Ressortleitung, stellvertretende Chefredakteurin