Wie gut funktionieren die Öffis in Oberösterreich?

Severin Mayr, Grünen-Landtagsabgeordneter aus Oberösterreich, will das herausfinden und fährt von der nördlichsten bis zur östlichsten und von der südlichsten bis zur westlichsten Haltestelle des Bundeslandes. profil hat ihn auf einer Etappe begleitet.

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Täglich pendeln 110000 Menschen aus dem Umland nach Linz, davon fahren aber nur 25 Prozent mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Der Grünen-Politiker Severin Mayr will mit den Passagieren, den Lokführern und Busfahrern sprechen, um herauszufinden, warum viele Menschen lieber mit dem Auto als mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, und welche Maßnahmen man setzen muss, um Zug und Bus attraktiver zu machen.

Grünen-Landtagsabgeordneter Severin Mayr will es wissen: Unterwegs mit den Öffis

Im Gespräch mit den Passagieren wird schnell klar, warum die Mühlkreisbahn und der Busverkehr derart unattraktiv sind. Parkplätze sucht man bei den meisten Bahnhöfen und Bushaltestellen vergeblich, es gibt weder W-Lan noch Steckdosen oder eine Klimaanlage. Und wenn im Zug etwas kaputt geht, dauert es oft Monate, bis alles wieder in Ordnung gebracht wird. Manche Türen sind wochenlang defekt. Das liege daran, dass seit dem Abriss der Eisenbahnbrücke in Linz die Schieneninfrastruktur vom Mühlkreisbahnhof zur Remise im Hauptbahnhof nicht mehr existiere, erklärt der Lokführer, der uns von Linz nach Rohrbach bringt. Seitdem müssen die Waggons in Urfahr von den Schienen genommen und mit Niederflurfahrzeugen über die Nibelungenbrücke zum Hauptbahnhof gefahren werden – ein enormer logistischer Aufwand.

Ulrike Böker, langjährige parteiunabhängige Bürgermeisterin der an der Mühlkreisbahnstrecke gelegenen Gemeinde Ottensheim, beklagt: „Es gibt Schnellzüge, die in gut fünfzehn Minuten von Rottenegg nach Linz fahren. Aber in Ottensheim, dem Bahnhof, an dem die meisten Leute einsteigen würden, bleiben sie nicht stehen.“

Die meisten fahren mit dem PKW, da sie so ohne Stau eine Stunde schneller sind. (Michael Leitner, ÖVP-Bürgermeister von Schwarzenberg)

Von Rohrbach aus fahren wir nach Schwarzenberg am Böhmerwald, der nördlichsten Gemeinde in Oberösterreich. Nur sieben Linienbusse und drei „Schichtbusse“, die die voest-Schichtarbeiter direkt in den Betrieb fahren, verbinden Schwarzenberg und die umliegenden Dörfer mit dem Zentralraum. Der Busfahrer kennt seine Stammpassagiere und weiß genau, bei welchen Haltestellen er stehen bleiben muss und an welchen er durchfahren kann. Es lohnt sich, als Gelegenheitsfahrgast den Fahrplan genau im Kopf zu haben und kurz vor der gewünschten Ausstiegshaltestelle dem Fahrer laut zuzurufen, dass er stehenbleiben möge.

Michael Leitner, ÖVP-Bürgermeister von Schwarzenberg, sind vor allem die langen Fahrtzeiten ein Dorn im Auge. „Von Schwarzenberg fährt man mit dem Bus fast zwei Stunden nach Linz. In Rohrbach muss man entweder auf einen anderen Bus oder die Mühlkreisbahn umsteigen. Da die Mühlkreisbahn nur bis Urfahr fährt, ist der Bus beliebter. Die meisten fahren aber mit dem PKW, da sie so ohne Stau eine Stunde schneller sind.“ Wenn eine schnellere Fahrtzeit sowie eine Direktanbindung der Mühlkreisbahn an den Hauptbahnhof gegeben wäre, würden erheblich mehr Menschen auf den öffentlichen Verkehr umsteigen, so Leitner.

Auf der Fahrt von Schwarzenberg zurück nach Rohrbach kann man die Passagiere im Bus an einer Hand abzählen. Das sei fast immer so, sagt Busfahrer Helmut Dikany. Kurz vor der Abfahrt steigt er nochmal aus und geht zu einer Gruppe Wanderer, die an der Haltestelle wartet, aber nicht einsteigt. Er spricht kurz mit ihnen, kommt zurück und erzählt: „Die Postbusse fahren seit dem Februar des letzten Jahres auf dieser Strecke nicht mehr, seitdem habe ich das teilweise mit meinem privaten Busunternehmen übernommen. Vielen Touristen, die auf die bekannten Linienbusse warten und das nicht wissen, muss man daher erklären, dass dies der richtige Bus ist.“

Dass der Handlungsbedarf groß ist, das betonen alle, und ebenso groß ist das Unverständnis darüber, warum nichts getan wird, obwohl konkrete Pläne seit Jahren in der Schublade liegen. „Es gibt seit 2008 Diskussionen und Pläne, wie wir mit der Mühlkreisbahn weiter machen sollen. Und diese Endlosdiskussionen haben es verlangsamt. Es zieht sich jetzt so lange hin, dass alle Leute fragen, ob man sie denn wirklich braucht. Wir sind der Meinung, eine Schienenstruktur, die man einmal hat, kann man nicht aufgeben, gerade angesichts des Klimawandels“ meint Ulrike Schwarz, Gemeinderätin in Rohrbach und Vorantreiberin der Initiative „Zugkunft Mühlkreisbahn“.

Am Ende einer fast fünfstündigen Fahrt von Linz bis an den nördlichsten Punkt des Mühlviertels und wieder zurück lässt sich konkludieren, dass Oberösterreich noch weit von einem gut vernetzten und funktionierenden Öffi-System entfernt ist. Ob der schon seit Jahren laufenden Diskussionen und der breiten Unterstützung fast aller Parteien bleibt es für viele Pendler unverständlich, warum keine Maßnahmen gesetzt werden und sich die Bürgermeister und Verkehrslandesräte nicht zielführend mit der Problematik befassen. Denn sowohl die Entlastung der Verkehrssituation im Zentralraum als auch der Kampf gegen den voranschreitenden Klimawandel sind Argumente, die sehr schwer zu entkräften sind.

Lena Leibetseder

Lena Leibetseder

ist seit 2020 im Online-Ressort bei profil und Teil des faktiv-Teams. Schreibt über Popkultur und Politik.