Hans Peter Haselsteiner

Viele Reformwünsche an die zukünftige Regierung

Gruppe von Ex-Politikern und Unternehmern will Föderalismusreform.

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Drei Jahre lang wurde an dem Konzept gearbeitet, die Initiative für den "Arbeitskreis Föderalismusreform" ging von Ex-ÖVP-Chef Josef Pröll (bei der Pressekonferenz abwesend) und dem seinerzeitigen roten Arbeiterkammer-Direktor Werner Muhm aus. Mit dabei waren auch der aus der ÖVP ausgetretene steirische Ex-Landesrat Herbert Paierl, LIF-Gründerin Heide Schmidt, der Industrielle und NEOS-Förderer Hans-Peter Haselsteiner, die frühere EU-Staatssekretärin Brigitte Ederer (SPÖ) und die ehemalige Grünen-Abgeordnete und Volksanwältin Terezija Stoisits.

Wenn nichts geschieht, sehen wir die Zukunftsfähigkeit Österreichs in Gefahr.

Ziel sei nichts weniger als eine "mutige Reform für einen modernen und zukunftsfähigen Bundesstaat", betonte Muhm bei der Präsentationspressekonferenz am Dienstag: "Wenn nichts geschieht, sehen wir die Zukunftsfähigkeit Österreichs in Gefahr." Auch weil es um Einsparungspotenziale gehe, brauche man eine Föderalismusreform, die eine Verringerung der Komplexität des Gesamtsystems (samt Vereinfachung des Finanzausgleichs) und die Abschaffung von Mehrfachzuständigkeiten bringe.

Gesetzgebung und Verordnungsrecht sollen beim Bund liegen

Die mächtigsten Gegner dieser Maßnahme sind wohl die Landeshauptleute, deren Macht dadurch massiv beschnitten werden würde. Gegen diesen Vorwurf wehrt sich jedoch der steirische Ex-Landesrat Paierl: "Das ist kein Länderbashing, keine Abschaffung der Bundesländer, keine Entmündigung." Allerdings soll laut dem Konzept die gesamte Gesetzgebungskompetenz (und die Kompetenz zur Erlassung von Verordnungen) sowie die öffentliche Budgethoheit beim Bund liegen. Die Gesetzgebung auf Ebene der Länder würde demnach eingestellt.

Öffentliche Verwaltung soll bei den Ländern konzentriert werden

Den Ländern will die Gruppe dafür die gesamte öffentliche Verwaltung inklusive Schulen und Soziales übergeben. Nur Zuständigkeit für Äußeres, Verteidigung, Innere Sicherheit, Hochschulen, Gesundheit, Steuern und Arbeitsmarkt (inklusive AMS) soll beim Bund bleiben. Vermögen im Eigentum von Ländern und Gemeinden in diesen Bereichen (z.B. die Krankenhäuser, die zentral vom Sozialversicherungs-Hauptverband gesteuert werden sollen) werden auf den Bund übertragen. Die Länder erhalten die finanziellen Mittel zur Erfüllung ihrer Aufgaben, der Bund übernimmt sämtliche Schulden.

Der Bundesrat soll abgeschafft werden

Der Bundesrat soll ersatzlos abgeschafft werden. Stattdessen soll der Nationalrat von 183 auf 199 Mandate (plus Überhangmandate) vergrößert werden. Es würden 99 Direktwahlkreismandate eingerichtet. Die restlichen 100 sollen zur Gänze von den Bundeslisten kommen.

Die Sinnhaftigkeit des Bundesrats in seiner jetzigen Form wurde immer wieder hinterfragt. Momentan kann der Bundesrat Beschlüsse des Nationalrats nicht verhindern, sondern bloß verzögern. Mehrere Reform-Modelle wurden bereits diskutiert: Die Landtage könnten seine Aufgaben übernehmen, was Gesetzesbeschlüsse aber wohl noch komplizierter machen würde. Der Bundesrat könnte mit Mitgliedern der Landesregierungen oder Landesabgeordneten beschickt werden, auch so könnte man Geld sparen.

Manche stellen die Sinnhaftigkeit eines Zweikammernsystems aufgrund der Größe Österreichs auch grundsätzlich infrage. Schweden zum Beispiel hat bereits 1970 ein Einkammernsystem mit 349 Abgeordneten eingeführt.

Bezirksverwaltungsbehörden sollen zusammengelegt werden

Ein Vorschlag, dem auch Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker etwas abgewinnen kann. Am Einsparungspotenzial dieser Maßnahme kamen jedoch durch neuere Studien schon Zweifel auf. Kritisiert werden an Zusammenlegungen auch die weiteren Wege für die Bürger.

Dass die Vorschläge in die Koalitionsgespräche von ÖVP und FPÖ aufgenommen werden, "wäre nicht dumm", meinte Haselsteiner. Auch der Rechnungshof hat bereits 10 wichtige Reformbereiche für die nächste Bundesregierung formuliert. Darunter ebenfalls die Verwaltung, der Bildungsbereich, Gesundheits-, Pflege- und Pensionssystem. Zu den Forderungen des Arbeitskreises wollte sich der Rechnungshof auf Nachfrage von profil.at nicht äußern.

Der vermutlich nächste Bundeskanzler Sebastian Kurz kündigte bereits im Wahlkampf eine umfassende Verwaltungs- sowie Steuerreform an. Im Rahmen der Koalitionsgespräche wurde in den Medien auch schon über eine geplante Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger berichtet.

Eine so umfassende Reform, wie vom "Arbeitskreis Föderalismusreform" vorgeschlagen, würde aber eine Gesamtänderung der Verfassung darstellen. Darum seien die Vorschläge zwingend einer Volksabstimmung zu unterziehen, hieß es in der Pressekonferenz.

Die Durchführbarkeit einer Volksbefragung über eine Verwaltungsreform bezweifelte Verfassungsexperte Theo Öhlinger bereits im profil vom 24.7.: "Das ist in dieser Form nicht möglich", die Frage müsse klar verständlich und mit Ja oder Nein zu beantworten sein. "'Wollen Sie eine Verwaltungsreform?', kommt nicht infrage." Vorstellbar seien für Öhlinger Fragen aus Teilbereichen der Verwaltung, etwa, ob alle Kompetenzen im Schulbereich von den Ländern zum Bund wandern sollten. Doch erweitert um das Förder- oder Gesundheitswesen sei der Komplexitätsgrad bereits zu hoch, meinte der Experte im Interview.

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Die Forderungen des "Arbeitskreis Föderalismusreform":

  • 1. Die Gesetzgebung und das Verordnungsrecht sollen zukünftig ausschließlich beim Bund liegen. Der Nationalrat soll außerdem auf 199 Mandate (+ Überhangmandate) erweitert werden. Diese beinhalten 99 Direktwahlkreismandate sowie 100 (+) Bundeslistenmandate, die für Wählerinnen und Wähler mehr Möglichkeiten bieten, Einfluss auf die Zusammensetzung des Nationalrates zu nehmen.
  • 2. Die öffentliche Budgethoheit soll ebenfalls ausschließlich beim Bund liegen. Das Budget für die gesamte öffentliche Verwaltung sowie die dafür erforderlichen Einnahmen werden ausschließlich durch den Nationalrat beschlossen. Auch das Einheben von Steuern und Abgaben soll beim Bund liegen. Der Bund übernimmt die Schulden und Haftungen der Länder und die Bundesländer dürfen im Gegenzug keine Finanz- oder Verwaltungsschulden mehr machen. Die Bundesmittel für die Gemeinden kommen direkt vom Bund.
  • 3. Die öffentliche Verwaltung soll bei den Ländern konzentriert werden. Die Länder erhalten Ausgabenbudgets für die übertragenen Verwaltungsaufgaben. Darunter fallen dann auch Schul- und Sozialverwaltung, die auf Grundlage einheitlicher Bundesgesetze durch die Länder vollständig übernommen werden. Die Landtage sollen das gewählte Kontrollorgan der Bürgerinnen und Bürger auf Landesebene gegenüber der Landesspitze sein.
  • 4. Der Bundesrat soll ersatzlos abgeschafft werden. Durch die 99 Direktwahlkreismandate ist die Bevölkerung der Bundesländer direkt vertreten. Auch die 15a-Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern werden nicht mehr benötigt.
  • 5. Es soll nur mehr ein Dienstrecht für Beamte und öffentliche Bedienstete auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene geben. Damit wird der öffentliche Dienst einheitlich honoriert, Verwaltungsebenen durchlässig gemacht und auch die Mobilität innerhalb der österreichischen Verwaltung vereinfacht.
  • 6. Alle öffentlichen Krankenanstalten sollen zentral vom Hauptverband der Sozialversicherungen gesteuert werden. Sämtliche Landes- und Gemeindespitäler werden auf den Bund übertragen. Der Bund übernimmt den Teil der öffentlichen Finanzierung zusätzlich zu den Beiträgen der Sozialversicherungen.
  • 7. Die Gemeinden sollen auf strukturelle Zukunftsfähigkeit in allen Bundesländern und bundesländerübergreifend überprüft werden.
  • 8. Die Effizienz der Bezirksverwaltungsbehörden soll durch regional sinnvolle Zusammenlegungen erhöht werden.
  • 9. Die Transparenz der öffentlichen Einnahmen und Ausgaben soll auf allen Ebenen und ebenenübergreifend hergestellt werden und der Bevölkerung einfach zugänglich sein.