Wahlanfechtung

Wahlanfechtung: Hermelin und Schlitzmaschine

profil kürt die Preisträger des Spektakels.

Drucken

Schriftgröße

14 Juristen, eine Meinung (Aufhebung der BP-Wahl), 67 Zeugen. profil kürt die Sieger in 15 Kategorien.

Bester Richter: Georg Lienbacher ist seit 2011 Mitglied des VfGH und im Hauptberuf Rechtsprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien. Er steht also an Anfang und Ende der juristischen Evolutionskette. Wenn er zu Studenten so freundlich ist wie zu Zeugen, sollte man bei ihm Prüfungen ablegen. Wenn er bei Prüfungen so präzise nachfragt wie im VfGH, sollte man als Student gut vorbereitet sein. Lienbacher strahlt am intensivsten die Überzeugung aus, dass der VfGH die führende No-Nonsense-Einrichtung der Republik Österreich zu sein hat.

Beste Richterin: Wer glaubt, Juristen würden einfachste Sachverhalte zwanghaft komplizieren, kennt Claudia Kahr nicht. Die ehemalige Sektionschefin im Verkehrsministerium besticht im Umgang mit Zeugen durch Praxisnähe. Wo andere Verfassungsrichter formulieren, "Sie haben also Montag früh zwar entgegen den Bestimmungen des Bundespräsidentenwahlgesetzes, aber doch in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Öffnung der Wahlkarten den Auszählvorgang begonnen?“, fragt Kahr: "Ihr habt’s einfach a bisserl zu früh mit dem Auszählen ang’fangen?“

Beste Zeugin: Isabella L. war von allen Wahlbeisitzern die einzige, die am Tag der Stichwahl in ihrer Bezirkswahlbehörde Einspruch gegen Unregelmäßigkeiten erhoben hatte. L., Beisitzerin für die FPÖ in Villach Stadt, ließ ihren Protest gegen die vorzeitige Auszählung der Wahlkarten sogar protokollieren. Ihr Protest gegen die unvollständige Protokollierung ihres Protests wurde nicht protokolliert.

Beste Erklärungen von Zeugen, warum sie faktenwidrige Wahlprotokolle unterschrieben: "Ich habe nicht aufgepasst.“ - "Ich dachte, es wäre eine Anwesenheitsliste.“ - "Ich hatte unerschütterliches Vertrauen zur Bezirkswahlbehörde.“ - "Alle haben alles unterschrieben.“ - "Wenn ein Jurist am Werk ist, wird das schon so stimmen.“

Bestes Amtsdeutsch: Ministerialrat Robert Stein, Leiter der Abteilung für Wahlangelegenheiten im Innenministerium, führte den verschollen geglaubten Begriff "Unzukömmlichkeiten“ wieder ein. Dieser umfasst das gesamte Spektrum bürokratischer Fehlleistungen bei der Auszählung der Wahlkarten - von ärgerlicher Schlamperei bis zu staatsanwaltlich verfolgter Rechtswidrigkeit.

Beste offene Frage: Was ist unter "Vorbereitungshandlungen“ (Vorsortieren? Sortieren? Stapeln?) bei der Auszählung der Wahlkarten nun wirklich zu verstehen, und wann sind solche unzulässig?

Bester Pelz: Der Präsident und die Vizepräsidentin des VfGH tragen Verbrämungen aus Hermelin auf ihren Talaren. Nach Auskunft des Gerichtshofs behandeln Gerhart Holzinger und Brigitte Bierlein die Pelze so schonend, dass die Hermelin-Krägen noch mehrere Anfechtungen von Bundespräsidentenwahlen erleben werden. Sollten die Pelze eines Tages unzukömmlich sein, werden sie durch Kaninchenfell ersetzt.

Bestes Gerät: Um Tausende Wahlkarten rasch öffnen zu können, verwendeten viele Bezirkshauptmannschaften Schlitzmaschinen. In einigen Bezirken kamen diese allerdings vor dem gesetzlich zulässigen Zeitpunkt zum Einsatz, in anderen schlitzten sie nicht richtig. Das Innenministerium sollte über eine Schlitzmaschinensteuer nachdenken.

Beste Frage an einen Zeugen: "Sind Sie in Kontakt mit Herrn Wolfgang M.?“ - Zeuge: "Der bin ich.“

Beste Frage einer Zeugin: "Hab i an Blödsinn verzapft?“

Beste Suggestivfrage eines Richters: "Geben Sie mir recht, dass bei aufgeschlitzten Kuverts die Unversehrtheit des Verschlusses nicht mehr gegeben ist?“

Beste Überraschungsantwort eines Zeugen: "Die Unversehrtheit des Verschlusses ist auch bei geöffneten Wahlkarten nachvollziehbar.“

Bester Nachsatz: "Man kommt nicht so in die Wahlkarte hinein, dass man nicht sieht, dass man drinnen war.“

Bester Name: Walfried. Der Vorname eines ÖVP-Wahlbeisitzers aus dem Bezirk Wolfsberg trifft es nicht ganz so genau wie "Sigthorsson“ im EM-Match Island gegen England.

Beste Ermahnung: "Herr Bundesminister, wenn Sie vor Gericht bitte aufstehen wollen.“ VfGH-Präsident Holzinger rügt den zur Entscheidungsverkündung erschienenen Innenminister Sobotka. Niederösterreichische ÖVP-Politiker erheben sich eben nur, wenn Erwin Pröll den Raum betritt.

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.