Was mit dem Herzen

Die beiden Flüchtlingskinder Sajad und Mohammad sind ambitioniert: Sie wollen Anwalt, Arzt oder Sozialarbeiter werden, um in ihrer alten Heimat Afghanistan zu helfen.

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"Wie viel kostet ein Haus hier?“, fragt der neunjährige Sajad selbstbewusst. Seinen 13-jährigen Freund Mohammad plagen bis heute Erinnerungen an "computerspielartige Schüsse“.

Die Burschen verloren ihre Eltern auf der Flucht aus Afghanistan, wo sie als religiöse Minderheit verfolgt worden waren. Auf ihrer Route trafen sie zufällig aufeinander, gemeinsam schafften sie es im September 2015 nach Österreich. Seitdem hat sich für die Jungs einiges geändert: Sie leben bei einer Pflegemutter in Wien, statt dem vertrauten Geräusch der Nähmaschine, mit der sie in Afghanistan Billig-Shirts schneiderten, hören sie nun Schulglocken läuten.

Berufswunsch: Anwalt oder Sozialarbeiter

Die Burschen sind ambitioniert. Mohammad, alle nennen in Momo, will freiwillig eine Zahnspange, er besucht ein Privatgymnasium und beschwert sich über zu wenig Hausaufgaben. Schließlich müsse er nachholen, was ihm in seiner alten Heimat verwehrt blieb. Berufswunsch: Anwalt oder Sozialarbeiter. Sein Freund Sajad hat in Mathematik einen Einser, spielt sich in der Volksschule regelrecht. Für ihn, der sein Heimweh stillt, indem er wie einst seine Schwester Zitrone mit Salz isst, steht fest: Nach der Ausbildung möchte er zurück nach Afghanistan. Als Dolmetscher, als Arzt - Hauptsache helfen. "Wenn die Schulnoten weiter so gut bleiben, gibt’s bald eine Xbox“, verspricht die Pflegemama. Die Unternehmerin bemüht sich ebenso streng wie hingebungsvoll um Wertevermittlung unter Berücksichtigung von muslimischen Gepflogenheiten: kein Schweinefleisch, kein Fernsehen, keine Werbung. Statt Haribo-Bärchen mit tierischer Gelatine wird Lavashak genascht, eine Obst-Paste, gepresst aus getrockneten Früchten. Smartphones konnte die Pflegemutter den Buben nicht verwehren. Man würde meinen, Deutsch und Englisch im Turbomodus zu lernen, wäre Herausforderung genug. Mohammad aber hat sich durch halb Wien gestöbert, bis er ein besonders dickes Farsi-Wörterbuch entdeckte. Er möchte sich gut ausdrücken können, den Österreichern Respekt entgegenbringen.

In Afghanistan wurden die Freunde bedrängt. Trotzdem versuchen sie, ihre einstigen Verfolger nicht zu hassen: "Bei denen passt einfach was mit dem Herzen nicht“, meint Momo.