Das Wiener Unternehmen "Lichterloh" designte aus der Würfeluhr eine umfassende Produktserie.

Brodmann: "Wer ruft schon bei Magistraten an“

Fredi Brodmann, Uhrendesigner, über Normalzeit und Christoph Waltz

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profil: Sie leben seit 1979 in New York, kommen aber auch regelmäßig nach Wien - was ist für Sie Normalzeit? Fredi Brodmann: Die Gesellschaft sagt, die Zeit vergeht; ich sage, die Gesellschaft vergeht an der Zeit. Zeit ist einfach. Dahingehend ist der Begriff, der in Wien damals geschaffen worden ist, um überall allen zu sagen, wie spät es ist und sein Leben danach zu richten, Normalzeit. Es ist die Zeit, die für alle gleich ist - und die Würfeluhr ein populistisches Informationsgerät, das zum ersten Mal den Menschen die Möglichkeit gegeben hat, sich zu organisieren.

profil: Welche Erinnerungen verbinden Sie mit der Würfeluhr? Brodmann: Ich hätte nie gedacht, dass das so eine Schlüsselfigur für mich wird als Designer. Sie war ja immer irgendwo da, egal wo es hingegangen ist - im Gänsehäufel oder im Zentrum oder in Heiligenstadt. Ich hab sie aber nie so bewusst wahrgenommen, in dem Sinn, dass ich stehen geblieben wäre und ihre Formgebung bewundert hätte.

Christoph Waltz ist mein alter Freund.

profil: Wie kam es denn überhaupt dazu, dass Sie mit dem Projekt betraut wurden? Brodmann: Wäre ich nicht vor zwei Jahren in New York auf die Designmesse und zu dem Stand der Wiener gegangen, hätte ich die Leute von Lichterloh nie kennen gelernt. Ich hab ja schon ewig den Gedanken mit mir herumgetragen, eine Uhr in Anlehnung an die Würfeluhr zu designen. Aber wer ruft dann schon bei den Magistraten an und erkundigt sich. Bei dieser Messe ist aber eine große Würfeluhr gestanden, und so hab ich gefragt, wer dafür zuständig ist. So bin ich auf Christoph Stein gestoßen und hab ihm von meiner Idee erzählt. Da hat er mir verraten, dass sie auch so etwas vorhaben, aber bis jetzt niemanden gefunden haben, der das Projekt umsetzt. Da hab ich ihm gesagt: Hier bin ich, mein Vater! Dann haben wir einander angeschaut, umarmt, Handschlag gemacht, und ein Jahr später war die Uhr heraußen. Jetzt bekommt man sie im MoMA in New York, MoMA in Tokio, in den feinsten Geschäften - und wir bauen weiter unsere Marke auf.

profil: Stimmt es, dass Sie eine der limitierten Normalzeit-Uhren Christoph Waltz geschenkt haben? Brodmann: Er ist mein alter Freund, und das ist mein kleiner Oscar für ihn.

profil: Sie haben mit ihm, als sie jung waren, in einer WG gelebt? Brodmann: Nein. Wir sind in die Mittelschule gegangen und haben gemeinsam beschlossen, dass wir nach New York gehen. Die ersten Wochen haben wir dort auch gemeinsam auf der Upper West Side gewohnt - er war damals an der Lee Strasberg Schule und ich an der School of Visual Arts. Dann haben wir halt unsere Ausbildung abgewickelt …

Im Endeffekt ist die Wiener Geschwindigkeit nachhaltiger, besser.

profil: Als die Uhr in New York präsentiert wurde, war sie sofort ein Hype. Wie erklären Sie das? Brodmann: Das liegt sicher auch daran, dass ich meine Finger seit 30 Jahren in der Uhrenbranche habe und alle kenne. Wempe New York hat sie gleich in die Auslage gelegt und in Wien angerufen und zu Herrn Pelz, dem dortigen Geschäftsführer, gesagt, wir präsentieren hier diese neue Wiener Uhr, die solltet ihr in Wien auch haben.

profil: Was muss man beachten, wenn man eine Uhr entwirft, die noch dazu die Aufgabe hat, eine Stadt zu repräsentieren und zu einer globalen Marke zu werden? Brodmann: Das wichtigste an einer Uhr ist ihre Geschichte. Das unterscheidet die vielen tollen Uhren, die jedes Jahr erfunden werden, von unserer. Die Normalzeit-Uhr ist die seltene tolle Kombination aus Superdesign von 1906 und echter Geschichte: Sie brachte uns die synchronisierte Zeit und vereinigt Innovation und Tradition, denn dass die Würfeluhr aus Wien zu Zeiten der Monarchie stammt, ist nicht schlampert. Ich nenne es auf Englisch: wristory - history on the wrist. Zeitgeschichte am Handgelenk. Mein persönliches Ding mit der Uhr ist: Ich habe für mich die Brücke wieder aufgebaut, die im Dritten Reich zerstört wurde und damit die Achse Wien-New York wieder hergestellt. Damit bin ich ein transatlantischer Designer geworden, meine eigene Geschichte ist wieder komplett.

profil: Wie unterschiedlich ticken die Uhren der beiden Städte denn heute noch? Brodmann: In Amerika heißt es: Hurry up and wait. Eigentlich eine Geschwindigkeitstäuschung, denn obwohl alles so schnell geht, bleibt nichts hängen. Und in Österreich wird lange herumgebastelt, dafür passt es auch. Die Beschäftigung mit der Würfeluhr hat mich wieder an diese Langsamkeit erinnert. Man braucht doch einige Zeit, um die Dinge zu absorbieren, um etwas mitzukriegen und dann auch hinzustellen. Im Endeffekt ist die Wiener Geschwindigkeit nachhaltiger, besser.