"Das sollten die Heuler auch verstehen"

Gottfried Schellmann kritisiert Apple-Urteil.

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profil: Sie sind, neben Apple-Chef Tim Cook, einer der wenigen, der das Urteil der EU-Kommission gegen den Konzern scharf kritisiert. Weshalb? Schellmann: Weil das Besteuerungsrecht nur den USA zustehen kann.

profil: Wie das? Schellmann: Die Amerikaner haben seit den 50er-Jahren eine Politik verfolgt, die Auslandsgewinne von US-Unternehmen begünstigt. Sobald Apple diese Gewinne in den USA ausschütten würde, müsste der Konzern dort 42 Prozent Steuer zahlen. Europa reklamiert aber nun diese Gewinne für sich, obwohl die Steuern auf die Gewinne in den USA fällig wären. Wenn Irland nun sagt, da greifen wir nicht ein, ist das völkerrechtlich völlig richtig. Irland hat bisher richtigerweise nur das besteuert, was auf der Insel selbst verkauft wurde. Den USA gehören faktisch alle Besteuerungsrechte. Deshalb sind die Amerikaner auch so aufgebracht. Dass die USA diese Einkünfte bisher unbesteuert ließen, ist deren innerstaatliches Recht und geht die Kommission wirklich nichts an.

Das ist eine völlige Umkehrung der bisherigen Prinzipien: dort zu besteuern, wo das Unternehmen seinen Sitz hat

profil: Dennoch hat Apple jahrelang Milliardengewinne am Fiskus vorbeigeschleust. Schellmann: Aber völlig legal. Natürlich ist das für viele Staaten unbefriedigend, wenn so ein großer Teil wie bei Apple einfach unbesteuert bleibt. Dennoch steht ihnen das Besteuerungsrecht nicht zu. Und die Freunde der Steuergerechtigkeit wissen nicht, dass Apple alle möglichen Null-Prozent-Steuer-Destinationen als Alternative zu Irland gehabt hätte. Das sollten die Heuler auch verstehen.

profil: Dennoch: Es ist doch zu begrüßen, dass die Kommission nun endlich gegen die Steuertricks der Konzerne vorgeht. Schellmann: Schon. Wenn man jedoch die aktuelle Sichtweise der Kommission weiterdenkt, dann kommt es zu Besteuerungsrechten im Bestimmungsland, also dort, wo die Ware hingeht. Jeder Staat, in den man liefert, dürfte dann plötzlich das besteuern, was dem Lieferantenstaat zusteht. Dann könnte irgendwann einmal für Burundi das Besteuerungsrecht gelten, wenn beispielsweise Rosenbauer ein Löschfahrzeug dahin liefert. Dass die gesamten Vorleistungen, Strukturen und Know-how jedoch in Österreich aufgebaut wurden, wäre dann nebensächlich. Das ist eine völlige Umkehrung der bisherigen Prinzipien: dort zu besteuern, wo das Unternehmen seinen Sitz hat.

profil: Die Grünen fordern Finanzminister Schelling auf, die Apple-Österreich-Tochter zu prüfen. Es wird vermutet, dass dieses Unternehmen viel höhere Umsätze erzielt, als bisher angegeben. Schellmann: Völlig zu Recht! Wenn Apple in Österreich eine Gesellschaft hat, die für die in Irland ansässige International Sales die lokalen Händler betreut und auch Abschlussvollmacht hat, dann ist dies eine sogenannte Vertreterbetriebsstätte der irischen Gesellschaft. Damit kommt es zur Steuerpflicht in Österreich. Im Falle von Google prüft das Finanzministerium bereits in diese Richtung.

Gottfried Schellmann: Der Wiener war bis 2015 Vizepräsident der Conféderation Fiscale Européenne (europäischer Steuerberaterverband)

Christina   Hiptmayr

Christina Hiptmayr

ist Wirtschaftsredakteurin und Moderatorin von "Vorsicht, heiß!", dem profil-Klimapodcast (@profil_Klima).