Drohnenbild vom Kreuzstadl in Rechnitz mit umliegenden Wiesen und Feldern
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Rechnitz: Wie entdeckt man ein Massengrab?

Seit Jahrzehnten wird intensiv nach den 180 Opfern des NS-Massakers in Rechnitz gesucht. Auch die bislang letzte Grabung im Oktober blieb erfolglos. Wie es in Rechnitz nun weitergeht.

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Palmsamstagnacht, 24. März 1945: Im Schloss der Gräfin Margit Batthyány-Thyssen feiert die lokale NS-Prominenz ein „Gefolgschaftsfest“. Der Geschützdonner der anrückenden Roten Armee ist bereits zu hören, wird aber von den etwa 50 Gästen übertönt. Im Lauf des Abends bekommt der Gestapo-Beamte und SS-Hauptscharführer Franz Podezin einen Anruf, auf den hin er Hildegard Stadler, Leiterin des „Bundes Deutscher Mädel“ und seine angebliche Geliebte, beauftragt, zehn bis 15 Männer in ein Magazin zu führen. Dort werden sie bewaffnet.

Sie ziehen los in Richtung Kreuzstadl, wo sich bereits von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern ausgehobene Gruben befinden. Vom Bahnhof werden inzwischen die Schwächsten unter den jüdischen Zwangsarbeitern herangekarrt, die man untertags bei einem Transport aussortiert hat. Angeblich sollen sie an Fleckfieber leiden – im NS-Regime ist die Krankheit eine häufige Rechtfertigung für Erschießungen, wie der Historiker Walter Manoschek in seinem Studienband „Der Fall Rechnitz“ beschreibt.

Nach Mitternacht beginnt das Massaker: Die Männer ermorden 180 Zwangsarbeiter, nur 18 lassen sie am Leben. Danach macht sich das Todeskommando wieder auf zum Schloss, um weiterzufeiern. Am nächsten Tag zwingen sie die 18 Überlebenden, die Leichen in der von Schützengräben durchzogenen Landschaft zu verscharren. Danach werden auch sie erschossen.

Was der Öffentlichkeit wenig bekannt ist: Das Massengrab wurde zwei Mal gefunden und geöffnet, bevor es hinter einem Nebel aus Schweigen und Angst verschwand. Im April 1945, nur wenige Tage nach der Tat, sucht die sowjetische Besatzungsbehörde nach Toten aus den eigenen Reihen, um sie ordentlich zu beerdigen, aber auch nach Spuren von NS-Verbrechen. Hinweise auf den Fundort gaben ihnen zwei ukrainische Zwangsarbeiterinnen.

Franziska Dzugan

Franziska Dzugan

schreibt für das Wissenschaftsressort, ihre Schwerpunkte sind Klima, Medizin, Biodiversität, Bodenversiegelung und Crime.