FPÖ-Affäre: Der Feind im eigenen Bett

Der Feind im eigenen Bett

"Wahlkampfspion" der Freiheitlichen packt aus

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In der Bundesparteiführung der FPÖ herrscht Unruhe. Bei aller Erfahrung im Umgang mit Feinden aus verschiedensten Richtungen hat man es nun mit einem zu tun, gegen den es kein wirksames Mittel zu geben scheint. Es ist ein Feind im eigenen Bett: ein sich betrogen fühlender, wütender Feind, der, so sagt er, Berge von Schmutzwäsche mitgehen lassen hat, als man ihn vor einigen Monaten aus dem Bett warf. Der Parteichef Heinz-Christian Strache bezeichnet ihn schlicht als „Betrüger“, der sich eingeschlichen habe, als „Lügner“, den man noch nie zu etwas beauftragt habe und dem man auch nichts schulde.

Der „Feind“: Helmut Schweitzer, 46, freier Journalist, hat die FPÖ geklagt. Er fordert 20.000 Euro an angeblich versprochenen, aber nicht bezahlten Gagen. Man hätte ihm eine Anstellung zugesagt gehabt, man habe ihn sogar glauben gemacht, er sei bereits angemeldet, was nicht der Fall gewesen sei. Er, Schweitzer, habe im vergangenen Sommer mehr als drei Monate „Tag und Nacht“ für die FPÖ gearbeitet und habe mit teils dubiosen Methoden Informationen herbeigeschafft, die als Wahlkampfmunition Verwendung finden sollten und teils auch gefunden hätten. Als er aber „endlich auch Geld sehen“ wollte, habe sich die Partei plötzlich an nichts mehr erinnern können.

Nach Abzug von Verzerrungen, Übertreibungen und Unwahrheiten in den Darstellungen beider Seiten bleibt übrig: Ganz so unbekannt und unerwünscht dürfte Schweitzer in der FPÖ nicht gewesen sein, denn er hat für die Partei – zu welchen Bedingungen auch immer – gearbeitet, er hat mehrere Artikel im Parteiblatt „Neue Freie Zeitung“ („NFZ“) veröffentlicht, er ist auf Fotos mit Spitzenfunktionären der Freiheitlichen bei verschiedenen Anlässen zu sehen, wie etwa bei einem Gokartrennen. Und vor allem: Schweitzer hat in Kooperation mit Robert Lizar, dem Blattmacher der „NFZ“, eine Art Geheimdienst betrieben, welcher der Herstellung von Wahlkampfmunition dienen sollte. Und zwar, so behauptet Schweitzer, im Auftrag von Parteigranden wie Obmann Heinz-Christian Strache, Generalsekretär Harald Vilimsky, dem zweiten Generalsekretär Herbert Kickl und vor allem Bundesgeschäftsführer Hans Weixelbaum, der auch den Wahlkampf der steirischen FPÖ für die kommenden Gemeinderatswahlen koordiniert.

Alle Genannten dementieren, Schweitzer jemals einen Auftrag erteilt zu haben. Der Mann habe in Eigenregie agiert und hin und wieder „Material“ angeboten. Immer alles deklariert ehrenamtlich.

Tatsache ist: Schweitzer und Lizar sind im Juni dieses Jahres mit einer Videokamera des FP-Parlamentsklubs ausgerückt, um herauszufinden, was es mit der in Bau befindlichen Moschee in Bad Vöslau, Niederösterreich, auf sich hat. Davon ausgehend, dass man als FPÖ-Mitarbeiter in moslemischen Kreisen mit Misstrauen rechnen müsse, hatte man beschlossen, verdeckt aufzutreten: Man gab sich als ORF-Team aus, oder man legte bei Rechercheterminen Visitenkarten der nicht existierenden TV-Firma „Televisionproduction“ vor und gab an, für deutsche Sender zu arbeiten. Selfed Ülmaz, der Bauprojektleiter der Moschee in Bad Vöslau, gab freundlich Auskunft und erzählte auch, welche österreichische Bank einen Kredit für den Bau gewährt hatte.

Kurz drauf tauchte bei einer Initiative der FPÖ gegen den Moscheenbau in Bad Vöslau der Spruch „Faire Miete statt Moschee-Kredite“ auf.

„Plump verhalten“. Bei einer anderen Gelegenheit meldeten sich die verdeckten Ermittler bei Amina Baghajati, der Sprecherin der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Wien, und wollten Informationen über einen angeblich in Graz geplanten Moscheenbau. Baghajati: „Die haben sich dermaßen plump verhalten, dass ich gleich Verdacht geschöpft habe. Die haben gesagt, mein Gott, die armen Moslems, denen müssen wir ja unbedingt helfen. Gleichzeitig waren sie aber offensichtlich völlig ahnungslos, was die angesprochenen Fragen betraf. Als es dann zu einem Treffen kommen sollte, haben sie sich nicht mehr gerührt.“

Die „FP-Ermittler“ fanden nicht direkt heraus, ob in Graz nun eine Moschee kommen soll oder nicht (sie kommt). Man brachte aber in Erfahrung, dass ein türkischer Verein namens Atib in Graz ein Grundstück erworben hat. Darauf müsse, so die Folgerung der FPÖ-Geheimdienstler, wohl die Moschee gebaut werden. Es dauerte nicht lange, und das entsprechende Sujet für den demnächst in die heiße Phase gehenden Grazer Wahlkampf war gefunden. Und dieses Sujet übertrifft einiges, was sich die FPÖ bisher an Wahlkampfsprüchen geleistet hat: „Schweinskotelett statt Minarett. Weil Heimat besser schmeckt“, dichtete man und plante, die Grazer Spitzenkandidatin Susanne Winter auf der Straße Koteletts verteilen zu lassen. Parteiintern wurden diese und andere Sprüche in Bewertungslisten getestet – und gerade die Idee, mit unreinem Schweinefleisch gegen Moslems vorzugehen, wurde von so manchem mit der Höchstnote fünf bewertet.

Aber Helmut Schweitzer und Robert Lizar benötigten noch mehr Wahlkampfmunition. Daten über Kinder mit Migrationshintergrund erschienen nützlich und gut verwertbar. Man kontaktierte also die steirische Landesschulratsbehörde, gab sich als SPÖ-Funktionäre aus und bat um Übermittlung entsprechender Daten auf die fingierte E-Mail-Adresse spoe1@ gmx.at. Bemerkenswert ist, dass das funktionierte. Gottfried Kerschbaumer von der Ausländerberatungsstelle des steirischen Landesschulrates bestätigt die Übermittlung entsprechender Listen. Kerschbaumer räumt ein, dass die betroffenen Daten zwar „sensibel“ seien, deren Übermittlung an unbekannte Personen aber „in Ordnung“ gewesen wäre.

Diesen Punkt stellt FP-Bundesgeschäftsführer Hans Weixelbaum auch nicht in Abrede: „Schweitzer hat mir die Listen unaufgefordert übergeben, und ich habe sie an unsere Grazer Kandidatin weitergeleitet.“

„Dubiose Person“. Die verdeckten Ermittler führten eine Reihe weiterer Recherchen durch und berichteten im Parteiblatt „NFZ“ darüber: Darunter sind Auftritte in einem Flüchtlingslager, am Arbeitsstrich und in einem Schwimmbad, in dem moslemische Mädchen abgesondert Schwimmunterricht erhalten, was aus der Sicht der FPÖ verboten werden muss.

Seit Schweitzer seine Klage gegen die FPÖ auf Zahlung von Gehältern eingebracht hat, wird parteiintern praktisch alles in Abrede gestellt, was mit dem Engagement Schweitzers zu tun hat, denn jetzt liegt es an ihm, sein Arbeitsverhältnis mit der FPÖ nachzuweisen. In der Partei wird jetzt erzählt, diese „dubiose Person“ sei irgendwann im Sommer ungebeten aufgetaucht, habe sich ständig und überall aufgedrängt. Bald seien aus allen Richtungen Beschwerden gegen Schweitzer eingegangen, der mit von ihm selbst gefälschten FPÖ-Visitenkarten und auf FPÖ-Briefpapier anderen Personen mit „Maßnahmen“ gedroht habe. Daraufhin sei ihm Hausverbot erteilt worden (siehe Interview). Alles, was Schweitzer geleistet hat, habe er ungebeten und „ehrenamtlich“ gemacht. Robert Lizar, der Blattmacher der „NFZ“, der es ablehnt, gegenüber profil direkt Stellung zu nehmen, erklärte in Anwesenheit von Bundesgeschäftsführer Weixelbaum, das Schweinefleisch-Sujet „nur privat in meiner Freizeit gemacht“ zu haben. Dieses im Wahlkampf einzusetzen sei nie geplant gewesen.

Von Emil Bobi