In der Echtzeitfalle

Warum Live-Videos im Netz gefährlich sein können.

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Schüsse am Stachus? Nein, doch nicht. Aber beim Hofbräuhaus, da ist was passiert! Nach dem Münchner Amoklauf am 22. Juli verbreiteten sich neue Gerüchte via Twitter und Facebook praktisch im Minutentakt; gleichzeitig tauchten Videos des um sich schießenden Täters auf, von denen zunächst keiner wusste, ob sie echt waren oder nicht. Jedes neue Gerücht, jeder Post angeblicher Augenzeugen, jedes Video befeuerte weiter die Panik, behinderte die Arbeit der Einsatzkräfte.

In der Stadt, in der ich lebe, herrschte stundenlang der Ausnahmezustand. Man wagte es kaum, das Smartphone aus der Hand zu legen, weil man fürchten musste, eine entscheidende Information zu verpassen: München nach dem Amoklauf eines 18-jährigen Täters - eine Stadt in der Echtzeit-Falle. Vor allem Live-Videos haben in letzter Zeit Diskussionen ausgelöst. In den USA hat eine Frau ein Video gepostet, in dem zu sehen ist, wie ihr von einem Polizisten angeschossener Mann verblutet. Mitte Juni übertrug ein islamistischer Terrorist in Frankreich seinen Mord an einem Polizistenehepaar per Video; die Streaming-App Periscope zeigte schon einmal einen Selbstmord und eine Vergewaltigung. Alles live, ungefiltert, ungeschnitten.

Ab nun trage jeder "eine Fernsehkamera in der Tasche“, schrieb Mark Zuckerberg auf Facebook zur Freischaltung der Live-Video-Funktion in seinem Netzwerk. Es ist keine Frage: Eines Tages werden wir den Live-Stream eines Amoklaufs wie in München zu sehen bekommen, gefilmt mit Helmkamera, aus der Perspektive des Täters. Sozusagen ein ganz realer "Egoshooter“. Die sozialen Netzwerke müssen verhindern, dass ihre Plattformen zu Bühnen für Terroristen und andere Massenmörder werden. Die Antwort auf den Terror kann nicht einfach sein, alles zu zeigen, was irgendwelche Leute hochladen - inklusive die Täter selbst.

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