Jetzt nur nicht traurig werden

Christiane Rösinger: Was ich vom Leben gelernt habe

Christiane Rösinger: Was ich vom Leben gelernt habe

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Ein bisschen Leiden muss schon sein. Beim Songwriting gehört ein Stück Traurigkeit dazu. Sonst hätte ich keinen Grund, Lieder zu schreiben. Der Albumtitel ist daher als Vorsatz gemeint: Ich will „Lieder ohne Leiden“, ich kann mir doch nicht jeden Tag das Ohr abschneiden.

Aus Glück lässt sich kein gutes Lied basteln. Das Zweifeln und Verzweifeln an einer Sache macht es mir ja erst möglich, länger über ein Problem nachzudenken. Wenn ich wahnsinnig glücklich, zufrieden und pumperlgsund bin, muss ich darüber kein Lied schreiben.

Man muss nicht immer traurig sein. Bei meinem ersten Soloalbum „Songs of L. and Hate“ habe ich zu Andreas Spechtl, meinem musikalischen Partner, gesagt: Wir nehmen jetzt das traurigste Album aller Zeiten auf. Manche Lieder sind so traurig, dass ich sie heute gar nicht mehr spielen mag. Das ist wie ein Abgrund. Das neue Material haben wir jetzt fröhlicher arrangiert.

Wenn man traurig ist, hilft traurige Musik. Als junge Melancholikerin haben mich die Songs von Leonard Cohen immer aufgebaut. Ich habe mir gesagt: Siehste, anderen geht es nicht anders. Mit der Band Britta hatten wir mal den kleinen Indie-Hit „Happy Song“. Das war ein wirklich fröhlicher Song. Es hat mich jedes Mal deprimiert, wenn wir ihn live gespielt haben.

Man darf sich nicht alles schlechtreden. Natürlich hat sich Berlin verändert. Alles ist voller, alles ist touristisch. Das Fortgehen hat sich verändert. Mit dem Alter entwickle ich auch eine gewisse Naturliebe und habe jetzt einen Kleingarten am Stadtrand. Ich bin jetzt wohl ein Laubenpieper, ein Spießer, wie man hier in Berlin böse sagen würde.

Im Leben muss man sich einen Ausgleich schaffen. Mir tun kleine Ausflüge aufs Land richtig gut. Hier gibt es keine Kreativen, keine Hipster. Nichts ist „awesome“. Die Leute tragen Funktionskleidung und gehen mit ihren Hunden Gassi. Das ist herrlich. Wenn ich dann wieder in die Stadt fahre, freue ich mich richtig.

Um das Alter wird zu viel G’schiss gemacht. Vor allem für Frauen scheint es kein perfektes Lebensalter zu geben: Zuerst sind sie zu jung, dann gleich zu alt. In der Popbranche ist das nochmal schlimmer. Diesen Terror wollte ich mir nicht antun. Ich wollte ein Buch über das Altern schreiben – aus dieser Idee wurde dann der Song „Joy of Ageing“.

Man kann nicht links sein und in eine geerbte Eigentumswohnung ziehen. Meine preiswerte Kreuzberger Mietwohnung hat es mir erst ermöglicht, in den letzten 30 Jahren Lieder zu schreiben. Das schlimme ist: Die Leute, die sich jetzt Eigentum zulegen, sind nicht ausschließlich böse Immobilienhaie, sondern junge Menschen und Freunde von mir, die das Glück haben, zu erben. Nach dem Motto: Unsere Eltern wollten es uns halt unbedingt schenken. Mit der Single „Eigentumswohnung“ mache ich mich über die Erbengeneration ein bisschen lustig.

Nur weil man 18 Semester Germanistik studiert hat, heißt das noch lange nicht, dass man Deutsch unterrichten kann. Ich habe ein Jahr lang ehrenamtlich Flüchtlinge in Deutsch unterrichtet und mache das mittlerweile professionell. Das macht unfassbar viel Spaß, es wird viel gelacht, es ist peinlich. Man lernt plötzlich Menschen aus Afghanistan, aus Mali kennen – und es entsteht ein menschliches Miteinander. Diese lustigen Geschichten und Erfahrungen habe ich in dem Buch „Zukunft machen wir später“ (erscheint am 18. März) zusammengefasst.

In kreativen Berufen gibt es keinen Feierabend. Das finde ich belastend. Als freie Journalistin und Songschreiberin arbeitet man sich von Job zu Job. Manchmal wünsche ich mir, einer unaufgeregten Arbeit nachzugehen; vielleicht in einem Museum oder mit leichter Büroarbeit. Auch dazu gibt es einen Song: „Lob der stumpfen Arbeit“.

Christiane Rösinger gastiert mit Band am 11. April im Wiener Brut.

Philip Dulle

Philip Dulle

1983 in Kärnten geboren. Studium der Politikwissenschaft in Wien. Seit 2009 Redakteur bei profil. Hat ein Herz für Podcasts, Popkultur und Basketball.