Eatdrink von Klaus Kamolz: Figlmüller-Lokal "Lugeck“

Figlmüller-Lokal "Lugeck“

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"So, ich schick die beiden jetzt hoch.“ Der junge Leutnant von der Bodenkontrolle in der smarten Uniform, dem Idiom nach deutscher Staatsangehöriger, sprach den Satz leise, hinter halb vorgehaltener Hand, in sein Headset. Dann trat er einen Schritt zur Seite, ließ uns passieren und stemmte seine Beine sofort wieder selbstbewusst in den Boden. Eine Schlange von Menschen aus aller Herren Länder drängelte, schubste, begehrte Einlass. "No reservation, no table“, sagte der Offizier. Das Flehen der Masse wurde langsam leiser, wir waren drin, tasteten uns langsam und vorsichtig entlang der Kachelwände vorwärts. Uniformierte zischten aus allen Richtungen an uns vorbei, manche sprachen dabei in ihr Headset, andere ließen ihre Tabletts voller Teller und Gläser wie Surfbretter über die Köpfe der Menschen kurven. Es war ein bisschen wie in den Fabriken, die Bond-Bösewichte betreiben. Wir gingen langsam die Treppe hinauf in den ersten Stock, wurden oben sofort in Gewahrsam genommen und zu unserem Tisch geführt. Wir hatten es geschafft; wir waren dort gelandet, wo die neue Tradition der Wiener Wirtshauskultur gerade dabei war, ihren Anfang zu nehmen: im soeben eröffneten Etablissement der Familie Figlmüller am Wiener Lugeck, dem "Lugeck“.

Die Figlmüllers haben jedenfalls beschlossen, hier nicht nur ein bisschen zu kleckern, was ihnen offenbar im Blut liegt, denn die Grundflächen der Schnitzel im Stammhaus gleich gegenüber sind ja auch nahezu weltberühmt. Allein die Fensterfront mit dem imposanten Portal würde als Eingang der Federal Bank of Gotham City gar keine schlechte Figur machen. Die Zahl der Service-Brigadistinnen und -Brigadisten ist beeindruckend, das Tempo, mit dem sie heran- und wieder hinfortschleppen ebenso. "Zwei Session IPA vom Brauwerk Ottakring“, bestelle ich aus der ziemlich feinen Craft-Beer-Karte. Ein weiterer junger Offizier raunt die Bestellung umgehend in sein Headset, und kurze Zeit später schweben die Flaschen, in denen eine spezielle Hopfenmischung glasklare Aromen von Maracuja erzeugt, herbei. Offenbar ist auch die Küche in dauerhafter Lauerstellung; so schnell habe ich noch kein Beef Tatar serviert bekommen. Wie es ist? Immerhin korrekt gehackt, von sehr guter Fleischqualität, aber auch ein bisschen langweilig abgeschmeckt. Das Schnitzel lassen wir hier einmal aus, stattdessen möge gebackenes Kalbsbries herbeigebeamt werden. Auch das ist verdächtig schnell zur Stelle, offenbar auf Nummer sicher komplett vorgekocht, was allerdings dazu führt, dass es - dann auch noch schnell gebacken - etwas grau aussieht und schmeckt wie eine elastische, in der Konsistenz schon etwas mehlige Eiweißbombe.

Ich mache mir, angesichts der Bemühungen, uns abzufüttern, damit auch die da draußen endlich drankommen, ein wenig Sorgen um die bestellte Garstufe beim trocken gereiften Beiried aus der Fleischerei Höllerschmid, aber die kommt dem Workflow hier durchaus entgegen: medium to medium rare geht halt flott (im Übrigen ein für Wiener Verhältnisse exzellentes Steak mit für Wiener Verhältnisse abenteuerlich weichen und labbrigen Pommes frites und einer faszinierend dünnen und anämischen Sauce béarnaise). Und jetzt noch zum Höhepunkt des kurzen Abends: das Rückensteak vom Porc Noir de Bigorre aus einer Zucht in der Buckligen Welt - ein wunderbares Stück, saftig, würzig, auf den Punkt knapp durchgegart; es hätte den Knoblauch- und Kräuterfirlefanz, unter dem es serviert wird, nicht nötig.

Noch während wir zahlen, schickt der Mann von der Bodenkontrolle unten mit einem Funkspruch die nächsten los. Es lebe das Wiener Wirtshaus!

Lugeck, Lugeck 4, 1010 Wien
Tel.: 01/512 50 60
[email protected],
Foto: www.lugeck.com
Hauptgerichte: 9,50 bis 33 Euro

[email protected]