War Hofers Lieblingsliterat NS-Sympathisant?

Mika Waltari: War Hofers Lieblingsliterat NS-Sympathisant?

Norbert Hofers Lieblingsbuch heißt "Sinuhe der Ägypter". War der Autor dieses Romans, der finnische Nationaldichter Mika Waltari, ein NS-Sympathisant?

Drucken

Schriftgröße

Äpfel. Südburgenland. Willenskraft und Optimismus. Großzügig informierte FPÖ- Bundespräsidentschaftskandidat Norbert Hofer im Wahlkampf auf seiner Website über kulinarische und landschaftliche Vorlieben sowie charakterliche Stärken. Auf norberthofer.at beantwortete er zudem die Frage nach seiner Lieblingslektüre: "Welches Buch nehmen Sie mit auf eine einsame Insel?" - "Sinuhe der Ägypter", so der Hofburg-Anwärter.

"Sinuhe der Ägypter" ist ein 1000 Seiten starker Roman, der tief in die Urzeit des pharaonischen Ägyptens führt. Im 13. vorchristlichen Jahrhundert verschlägt es den Heilkünstler Sinuhe nach Ägypten. Er wird Freund und Berater von Pharao Echnaton, der gegen den Widerstand der herrschsüchtigen Priesterschaft den Sonnengott Aton als alleinige Himmelsmacht etablieren will. Es geht um Machtspiele und Religionsfanatismus, Staatsräson und Herrschaftsgier mehr als 3500 Jahre vor unserer Zeitrechnung. Es geht auch um Menschliches, Allzumenschliches: "Alles kehrt wieder, und es gibt nichts Neues unter der Sonne", schreibt Waltari: "Der Mensch ändert sich nicht, auch wenn seine Kleidung sich ändert und seine Sprache sich ändert ." Wer auf der Suche nach einem leicht angestaubten, stilistisch soliden Sommerbuch mit Ersterscheinungsjahr 1945 ist, wird hier fündig.

Fragwürdig wird Hofers Insellektüre, wenn man die Hinweise und Einschätzungen zusammensetzt , die sich mit Blick auf den Verfasser des Romans ergeben. Mika Waltari (1908-1979) ist so etwas wie der finnische Karl May, ein internationaler Steadyseller und Nationalheld, dessen 100. Geburtstag in Finnland mit Gedenkmünzen, Briefmarken und einer umfassenden Biografie gefeiert wurde. In seinem Geburtsland steht der Historienroman-Vielschreiber über den Dingen.

Bewunderer von Nazi-Deutschland?

Nimmt man die Biografie des Klassikers jedoch kritisch in den Blick, ergibt sich ein Bild, das weniger eindeutig erscheint, Widersprüche hervorruft. Während des Zweiten Weltkrieges arbeitete der Autor als Propagandist in einem staatlichen Büro für psychologische Kriegsführung; Finnland war von 1941 bis 1944 mit Nazi-Deutschland verbündet. Waltari werde "oft als politisch rechts stehend, jedoch auch als liberal und tolerant" beschrieben, urteilt die finnische Wikipedia. Einer literaturhistorischen Überblicksdarstellung von 1996 ist ebenfalls zu entnehmen, dass Waltari "rechte Ansichten" vertreten habe. "Autoren wie Mika Waltari bewunderten Nazi-Deutschland", wird die Volkskundlerin Outi Tuomi-Nikula auf der Website der finnischen Botschaft in Berlin zitiert. Waltari übersetzte 1933 die im Jahr zuvor publizierte Biografie des zum NS-Märtyrer stilisierten SA-Schlägers Horst Wessel ins Finnische; mindestens drei Romane Waltaris erschienen vor 1945 in deutscher Übertragung im Nazi-Reich. 1942 nahm Waltari an einem von Joseph Goebbels initiierten internationalen Schriftstellerkongress in Weimar teil. "Ein dichtes Netzwerk sollte die in-und ausländischen Dichter an den NS-Staat binden", bemerkt dazu eine Studie zum Phänomen der kollaborierenden Intellektuellen im damaligen Weimar. "Waltari bewunderte weder Nazi-Deutschland noch die NS-Politik", widerspricht der Journalist und Waltari-Biograf Panu Rajala gegenüber profil. "Waltari reiste in den 1930er-Jahren durch Deutschland und schrieb Artikel, aber er war stets enthusiastischer in Paris und Frankreich." Der Osnabrücker Philologe Andreas Ludden hat bislang fünf historische Romane Waltaris ins Deutsche gebracht. Vor zwei Jahren erschien seine Übersetzung von "Sinuhe der Ägypter". Im gesamten Werk des Autors, sagt Ludden, fänden sich keine Hinweise, die auf eine ideologische Nähe des Autors zum braunen Regime hindeuteten: "Weder in den Romanen, Novellen und Theaterstücken, die in den 1920-und 1930er-Jahren erschienen, noch in seinem Schaffen nach 1945. In seinem Werk finden sich keine Spuren von Rassismus oder Antisemitismus."

Die Wessel-Übersetzung, ergänzt Ludden, sei ein "dunkler Fleck auf Waltaris literarischer Weste, keine Frage. Er hat sich später damit entschuldigt - andere würden sagen: sich damit herauszureden versucht -, dass er damals kaum etwas von der Nazi-Ideologie wusste. Aber der Übersetzungsvertrag war unterschrieben, und wahrscheinlich brauchte er das Geld." Waltari jedenfalls sei die "Abwertung von Menschen nach deren Herkunft, Sprache, Volkszugehörigkeit oder Religion" sicher fremd gewesen.

Wolfgang   Paterno

Wolfgang Paterno

ist seit 2005 profil-Redakteur.