Politikwissenschafter und Initiator des Österreichischen Gedenkdienstes, Andreas Maislinger.

„Der Vergangenheit stellen, auf die Zukunft blicken“

Andreas Maislinger über seine Pläne für Hitlers Geburtshaus.

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Seit Innenminister Sobotka verkündet hat, er wolle Hitlers Geburtshaus in Braunau abreißen lassen, kocht die Diskussion um den Umgang mit dem Haus. Die zuständige Kommission will die Fassade des Hauses ändern, statt es abzureißen. Für Andreas Maislinger kommen diese Optionen nicht in Frage.

profil: Warum ist es so schwierig, den richtigen Umgang mit Hitlers Geburtshaus in Braunau zu finden? Andreas Maislinger: Österreich hat lange gebraucht, um einen Umgang mit der NS-Zeit zu finden. Opferorte wie Mauthausen, später auch Täterorte wie der Obersalzberg wurden erhalten. Bei Hitlers Geburtshaus handelt es sich allerdings um den Geburtsort eines Kindes. Dieses Kind war nicht von Geburt an Adolf Hitler, der größte Verbrecher des 20. Jahrhunderts. Es ist also weder Opfer- noch Täterort.

profil: Wie kann man der Faszination um Hitlers Geburtshaus und Braunau am Inn entgegenwirken? Maislinger: Wichtig ist, das Image der Stadt Braunau zu ändern. Braunau hat weit mehr zu bieten als Hitlers Geburtshaus. Das Haus selbst muss entmystifiziert werden. Die zuständige Kommission schlägt vor, die Fassade zu ändern. Das würde zwar das Erscheinungsbild des Hauses ändern, nicht aber das Image der Stadt.

profil: Warum ist der Vorschlag des Innenministers, das Haus abzureißen, nicht der richtige Weg? Maislinger: Bundesminister Wolfgang Sobotka schlägt nicht nur den Abriss des Hauses vor, sondern auch noch eine Ausschreibung zur weiteren Verwendung des Grundstücks. Sein Vorschlag ist ein Architektenwettbewerb. Durch Abriss und architektonisch wertvolle Gebäude wird jedoch nicht vom Mythos um Hitlers Geburtshaus weggeführt.

profil: Was ist ihr Gegenvorschlag? Maislinger: Mein Vorschlag ist ein „Haus der Verantwortung“. Diese Idee wurde im Februar 2000 durch Reinhold Klika angeregt. Er hat die Initiative „Braunau setzt ein Zeichen“ ins Leben gerufen. Im Rahmen dieser haben mehr als 1000 Braunauer dafür gestimmt, dass das Haus von der Republik gekauft wird und in eine Stätte für internationale Verständigung und Versöhnung verwandelt wird. Junge Menschen aus aller Welt sollen dazu angeregt werden, einen Diskurs zu führen, sich der Vergangenheit zu stellen und auf die Zukunft zu blicken. Somit ginge das Hitler-Stigma verloren und Braunau hätte ein anderes Image.

profil: Würde das neonazistische Pilgerreisen nach Braunau verhindern? Maislinger: Die Zahl der Schaulustigen hat seit dem Vorschlag des Innenministers leider zugenommen. Aber diese Pilgerreisen sind eine Mär. Natürlich gibt es immer wieder Menschen, die sich das Haus in Braunau ansehen. Aber das sind meist keine Neo-Nazis, sondern geschichtsinteressierte Menschen.

profil: Ist es richtig, dass die Entscheidung über den Umgang mit Hitlers Geburtshaus beim Innenminister liegt? Maislinger: In Österreich ist das Innenministerium für Gedenkstätten zuständig. Das ist, meines Erachtens nach, nicht richtig. Diese Verantwortung sollte im Wissenschaftsministerium oder im Bundeskanzleramt liegen.

profil: Was ist Ihre Botschaft an den Innenminister? Maislinger: Die Entscheidung über den Umgang mit Hitlers Geburtshaus ist geschichtspolitisch so wichtig, dass sie von der ganzen Bundesregierung gefällt werden sollte. Vielleicht wäre das ein Projekt, das die Bundesregierung dann tatsächlich gemeinsam durchzieht.

Andreas Maislinger, geboren 1955 in St. Georgen bei Salzburg, ist Politikwissenschafter und Gründer des Österreichischen Auslandsdienstes.