Gustav Klimt-Auktion

„Fräulein Lieser” und diverse peinliche Pannen

Der Krimi um den Klimt-Fund „Fräulein Lieser“: In letzter Sekunde sprangen Mitbieter ab, ein bislang vernachlässigter Erbe tauchte auf, einer mysteriösen Frau Wong gelang ein echtes Klimt-Schnäppchen und am Ende verkündete das Auktionshaus mit der Sammlung HomeArt noch einen falschen Käufer.

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Katerstimmung nach der Auktion des „Bildnis Fräulein Lieser” am vergangen Mittwoch. Das Bild ging weit unter den Erwartungen bei 30 Millionen Euro (mit Aufgeld 35 Millionen) an eine private Sammlung nach Hongkong. Intern hatte man mit einer Summe von 50 bis 70 Millionen gerechnet.  Der sichtlich gedämpfte Geschäftsführer des Auktionshaus im Kinsky, Ernst Ploil, erklärte vor laufenden Kameras: „Das weinende Auge überwiegt das lachende. Es ist der bisher höchste Preis, der für ein Gemälde in Österreich je bezahlt wurde, aber es kam vergleichsweise billig weg. Wir haben vielleicht nicht gut genug gearbeitet und sind auf halber Strecke stehen geblieben.“

Dass nicht gut genug gearbeitet wurde, kann man nur bestätigen. Denn in der Folge verriet Ploil den anwesenden Medien den Käufer, was sich später aber leider als krasse Fehlinformation herausstellen sollte: „Ich bin ermächtigt zu sagen, dass das Bild an die Sammlung HomeArt in Hongkong geht.” HomeArt ist eine Sammlung von Weltrang, die unter der Ägide der Hongkong-Chinesin Rosaline Wong steht. Neben Basquiats, Bacons, Picassos und Giacomettis finden sich in der Sammlung auch die zwei maßgeblichen Klimt-Gemälde „Wasserschlangen II“ und „Adele Bloch-Bauer II“, die Rosaline Wong 2017 von einem russischen Oligarchen (um 200 Millionen Dollar) beziehungsweise der US-Talkshowkönigin Oprah Winfrey (um 150 Millionen Dollar) erworben hat. 

Auf Anfrage von profil, wie ein solcher Fehler unterlaufen könne, erklärte Ploil telefonisch: „Es war plötzlich eine große Gruppe von Menschen da, und da fiel der Name Wong. Ich bin dadurch davon ausgegangen, dass das Bild in die HomeArt-Sammlung in Hongkong geht. Es tut mir sehr leid, dass uns ein solcher Fehler unterlaufen ist.” 

„Fräulein Lieser” reist also nach Hongkong, aber in eine andere Sammlung. Den Zuschlag bekam eine in schlichtem, aber teurem Schwarz gekleidete chinesische Dame, die zwar auch Wong heißt, aber mit Vornamen Patti. Gemeinsam mit ihrem (ebenfalls anwesenden) Geschäftspartner Daryl Wickstrom, mit dem sie vorrangig auf dem asiatischen Markt operiert, hebt sie auf internationalen Auktionen im Auftrag betuchter Kunden die Hand. Patti Wong, die jahrelang für Sotheby's tätig war, und mit ihrer erst Anfang 2023 gegründete  Kunstberatungsfirma Patti Wong & Associates ausschließlich Highend-Kunden bedient, gehört zu den Stars ihres Geschäfts. Vergangenen Juni ersteigerte sie Klimts „Dame mit dem Fächer” zum bislang höchsten Auktionspreis des Künstlers um knapp 100 Millionen Euro für einen Sammler aus Hongkong. Der „New York Times” erklärte Wong, dass sie „sehr glücklich” mit dem Preis für das „Bildnis Fräulein Lieser” sei und etwaige Unklarheiten in der Provenienz des Gemäldes kein Störfaktor seien: „Wir haben unsere Recherchen gemacht.”

Die Atmosphäre im Saal bei der Auktion des als Sensationsfund gehypten Klimt-Gemäldes „Bildnis Fräulein Lieser“ im Palais Kinsky  war anfangs noch von wohliger Aufgeregtheit geprägt gewesen. Neben potenziellen Käufern fand sich die schaulustige Wiener Society, die bei dem Kunstereignis der Saison nicht fehlen wollte. 18 Losnummern, darunter ein ebenfalls restituiertes Schiele-Aquarell, das dessen Schwester Gerti zeigt (700 000 Euro ohne Aufgeld), und mehrere Klimt-Zeichnungen (einige davon nicht verkauft), wurden vom Auktionsleiter und Geschäftsführer des Hauses Michael Kovacek angepriesen, ehe man zum Filetstück der Veranstaltung schritt: Klimts jahrzehntelang verschollenes Gemälde, das unvollendete „Bildnis Fräulein Lieser“ aus dem Jahr 1917, das mit einem Rufpreis von 28 Millionen Euro angesetzt war. Der mit knisternder Spannung erwartete Gebotskrieg sollte jedoch nicht statt finden ; die Stimmung hatte sehr bald etwas von einem Luftballon, dem in Sekundenschnelle die Luft ausgelassen worden war. Die Stimme von Michael Kovacek bekam einen Unterton von Verzweiflung, als sich nach einem Saalgebot von 30 Millionen nur mehr gespenstische Stille im Raum ausbreitete: „30 Millionen, 30 Millionen sind geboten ... Hab‘ ich was gehört? ... Niemand mehr?“

Angelika   Hager

Angelika Hager

leitet das Gesellschafts-Ressort