Robert Treichler

Robert Treichler Oh Gott, dieses Gesetz!

Oh Gott, dieses Islamgesetz!

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Für Anlassgesetzgebung bräuchte man zumindest einen Anlass. Was genau ist nun der Beweggrund für ein hastig formuliertes neues Islamgesetz in Österreich? Das Errichten eines Kalifats durch den „Islamischen Staat“ im Irak und in Syrien? Die militärischen Erfolge seiner Terror-Milizen? Die Enthauptungen „Ungläubiger“ durch Schergen des IS? All das wären gute Gründe für ein militärisches Eingreifen, dem sich Europa allerdings allzu gern entzieht. Weit beliebter, weil risikolos, ist das Verfassen von Gesetzen, die der heimischen – soll heißen: nicht-muslimischen – Bevölkerung zeigen sollen, dass wir den Muslimen nicht über den Weg trauen. Ist das klug?
Der Islam ist das Ideengebäude, das weltweit derzeit die meiste Gewalt gebiert – in ihrer radikalsten Form manifestiert als totalitäre Schreckensherrschaft des sich ausbreitenden „Islamischen Staates“. Der Islam steht zudem mit Werten wie der Gleichheit der Geschlechter auf Kriegsfuß. Und der Islam erweist sich in seinem Verbreitungsgebiet häufig als Hindernis für eine demokratische Entwicklung.

Es ist so gesehen vielleicht nachvollziehbar, dass viele Bürger den Islam lieber nicht in der Nachbarschaft oder besser gar nicht in ihrem Staat sehen würden. Zu nahe liegt der Verdacht, wer immer sich zum Islam bekennt, könnte auch Sympathien für den Terror hegen, der im Namen dieser Religion verübt wird; oder für Gottesstaaten; oder für die Verbannung der Frauen unter schwarze Schleier.

Das ist die Gefühlslage. Und die ist die am wenigsten geeignete Triebfeder für ein Gesetz. Verboten werden soll durch das derzeit in Begutachtung befindliche Islamgesetz unter anderem die Finanzierung der islamischen Glaubensgemeinschaften aus dem Ausland. Das ist keiner anderen Glaubensgemeinschaft untersagt. Was soll das verhindern? Haben die bisher vom Ausland finanzierten Imame Delikte begangen? Welche, und wie viele Verurteilungen liegen vor? (Und: Wer hat eigentlich Mutter Teresa in Kalkutta finanziert?)

Die Republik gibt sich eine schreckliche Blöße, wenn sie eine solche Diskriminierung zulässt. Es erinnert fatal an Gesetze in Russland, die Nicht-Regierungs-Organisationen, die Geld aus dem Ausland erhalten, zwingen, sich als „ausländische Agenten“ zu registrieren.

Warum ist für den Gesetzgeber entscheidend, woher das Gehalt eines Imams kommt, wenn dieser sich nichts zuschulden kommen lässt? Offenbar deshalb, weil man diese Leute ohne Beweise schuldig sprechen und aus dem Weg haben möchte. Das ist eine Verletzung des Rechtsstaates, und – weil es nur eine bestimmte Gruppe betrifft – auch des Gleichheitsgrundsatzes. Das Gesetz weist darauf hin, dass eine islamische Religionsgemeinschaft eine positive Grundeinstellung gegenüber dem Staat haben muss – umso absurder ist es, wenn der Staat mit demselben Gesetz diese Religionsgemeinschaft benachteiligt.

Gegen eine verstärkte Überwachung der Aktivitäten muslimischer Vereine und Moscheen ist hingegen nichts einzuwenden. Der Verdacht, dass extremistische Aktivisten diese Orte nutzen, um einzelne Muslime für den bewaffneten Kampf zu gewinnen, ist nicht von der Hand zu weisen. Allerdings bedarf es auch hier am Ende einer gerichtlichen Verurteilung auf Basis von Beweisen.

Der „Islamische Staat“ und seinesgleichen haben großes Interesse daran, den Muslimen in Europa zu suggerieren, sie befänden sich in einer gottgegebenen Opposition zu westlichen Staatsformen. Europa darf sich nicht den Fehler erlauben, Beweise für diese Unterstellung zu liefern. Das Verbot des Baus von Minaretten in der Schweiz war ein solcher Fehler.
Die Kanäle, derer sich Extremisten bedienen, sind meist verborgen. Predigten radikaler Imame kursieren im Internet oder werden auf Tonträgern unter der Hand weitergereicht. Auch die Anwerbung von Gotteskriegern geschieht im Dunkeln. All das zu verhindern, gehört zu den schwierigen Aufgaben des Verfassungsschutzes. Die Verschärfung des Islamgesetzes ist hingegen das falsche Werkzeug.

Zumal die Zahl der Extremisten in Österreich nach wie vor
minimal ist. An die 600.000 Muslime leben in unserem Land. Verzeichnen wir einen besorgniserregenden Anstieg von Terror, Ehrenmorden, Zwangsehen? Die Zahl der mutmaßlichen Dschihadisten, die sich in Syrien islamistischen Organisationen angeschlossen haben sollen, ist ernst zu nehmen, aber dennoch verschwindend gering. Nichts deutet darauf hin, dass eine der Regelungen des neuen Islamgesetzes diese Wahnsinnigen in ihrer Mission gehindert hätte.

Der Staat sollte versuchen, moderate Tendenzen innerhalb des Islam zu stärken. Die ursprüngliche Idee von Außenminister Sebastian Kurz, eine einheitliche deutsche Koran-Übersetzung zu verlangen, war nicht ganz falsch. Unsinnig daran war, dies per Gesetz verankern zu wollen. Die Islamische Glaubensgemeinschaft hingegen zu motivieren, einen deutschsprachigen Koran herauszugeben, auf den sich jeder Muslim berufen kann, wäre ein Fortschritt.

Der Islam wird auf absehbare Zeit ein Fremdkörper in Europa bleiben. Dasselbe muss nicht für die Muslime gelten. Freitag vergangener Woche sammelten Schulkinder am Wiener Stephansplatz für die Erhaltung des Doms. Eine profil-Redakteurin warf Geld in die Sammelbüchse eines Mädchens, das einen muslimischen Schleier trug. Die Redakteurin sagte, dass sie auch für die Erhaltung einer Moschee spenden würde. Das Mädchen lächelte.

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