Glücksspiel

Regierung schaut zu: Illegale Online-Casinos in Österreich hochaktiv

Über 150 Millionen Euro Spielerträge im Jahr – so viel verdienen Betreiber von konzessionslosen Glücksspielen mit Usern aus Österreich. Das zeigt eine neue Statistik, die profil vorliegt. Die Koalition aus ÖVP und Grünen tut nichts.

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Es ist ein offenes Geheimnis des Glücksspiels, dass den größten Jackpot immer die Bank abräumt. Im Fall illegaler Online-Casinos, die mit ihren digitalen Roulette-Runden und Walzenspielen auch österreichische User ködern, sind die Beträge beträchtlich: 37,9 Millionen Euro an Bruttospielerträgen lukrierten illegale Gaming-Plattformen alleine im ersten Quartal 2023 in Österreich. Hochgerechnet auf das Gesamtjahr bedeutet das einen Umsatz von knapp über 150 Millionen Euro. Im Jahr 2022 lagen sie bei 137 Millionen.

Die Zahlen stammen aus einer Anfragebeantwortung des Finanzministeriums an die Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper. Sie liegt profil vor.

Illegale zahlen Steuern

Das Finanzministerium weiß gut über Schwarzmarkt beim Online-Gaming Bescheid. Der Grund: Selbst, wenn Betreiber keine Konzession zum Anbieten von Roulette und Co. im Internet haben, müssen sie dennoch die 40-prozentige Glücksspielabgabe ans Finanzamt abführen. Andernfalls droht ihnen ein Steuerstrafverfahren. Und das kann dank internationaler Abkommen ungemütlich werden.

Aus Sicht der Betreiber ist es eine einfache Rechnung: Sie zahlen ihre Abgaben und bleiben straffrei. Die meisten Betreiberfirmen haben ihren Sitz in Malta und operieren mit einer maltesischen Glücksspiellizenz. In Österreich ist diese Lizenz laut Ansicht des Finanzministeriums zwar wertlos, aber niemand hindert die Anbieter daran, ihre Spiele auch Usern aus Österreich anzubieten.

Unter dem Radar

Im ersten Quartal 2023 überwiesen insgesamt 29 illegale Betreiber von Online-Glücksspielen ihre Steuern ans Finanzamt Österreich. Die Umsatzzahlen sind konservativ geschätzt – denn sie beruhen auf der Selbsteinschätzung der Betreiber. Außerdem gibt es deutlich mehr als 29 Portale, die solche illegalen Dienste in Österreich anbieten. Sie fliegen offenbar unter dem Radar der österreichischen Finanzbehörden.

Wer in Österreich Online-Glücksspiel anbieten darf

Das Monopol zum Anbieten von Onlineglücksspielen liegt bis zum Jahr 2027 bei win2day, einer Tochter der österreichischen Lotterien. Alle anderen Betreiber – darunter auch bwin – bieten ihre Online-Glücksspiele in Österreich ohne Lizenz an, das Finanzministerium klassifiziert diese Unternehmen auf profil-Anfrage wörtlich als „illegal“.

Regierung säumig

Die ÖVP-Finanzminister lassen seit vielen Jahren das illegale Online-Glücksspiel in Österreich unverschämt viel Geld machen – auf Kosten vieler Spielsüchtiger, aber zugunsten des Finanzministers, der gern die Abgaben nimmt“, sagt Neos-Abgeordnete Krisper. In seiner Beantwortung von vor drei Tagen weist Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) den Vorwurf zurück: Die Behauptung, die Besteuerung unerlaubter Anbieter in Österreich erfolge zur Maximierung der Staatseinnahmen, ist falsch.

So oder so: Krisper drängt jedenfalls auf eine Umsetzung des lange versprochenen Glücksspiel-Pakets. Denn die Bundesregierung aus ÖVP und Grünen ist bei der Umsetzung von Spielerschutzmaßnahmen säumig. Das relevanteste Versprechen war, Marktteilnehmer ohne Konzession mittels IP-Blocking für österreichische User zu sperren. Damit wären die Websiten schlicht nicht mehr aufrufbar. Doch die Verhandlungen zum Glücksspiel-Paket gerieten bereits im Vorjahr ins Stocken. Auf einen Durchbruch zu wetten, ist nicht empfehlenswert.

Machtlose Behörden

Zwar begehen die Betreiber mit dem Anbieten von illegalen Glücksspielen formal eine Verwaltungsübertretung, für das Verfahren wären allerdings – analog zum terrestrischen Glückspiel – die Bezirksverwaltungsbehörden zuständig. Doch selbst wenn es zu Verwaltungsstrafen kommt, fehlt die Handhabe, sie einzutreiben. Denn der „grenzüberschreitende Vollzug von Verwaltungsstrafen der Bezirksverwaltungsbehörden ist unionsrechtlich im Bereich Glücksspiel nicht vorgesehen“, gab das Finanzministerium dem Finanzausschuss im Parlament im April schriftlich bekannt.

Malta als sicherer Hafen

Die einzige Gegenwehr, die illegale Betreiber aktuell fürchten müssen, kommt von ihren eigenen Spielern. Sie können die Verluste von den Anbietern zurückklagen. Die Spruchpraxis der österreichischen Gerichte hilft ihnen dabei: Ein Vertrag mit einem Anbieter ohne Konzession ist laut aktueller Rechtssprechung ungültig und rückabzuwickeln.

Diese Klagen haben einigen Betreiber zwar schmerzliche Verluste zugefügt – doch damit dürfte nun Schluss sein: Glückspielkonzerne mit Sitz in Malta dürfen künftig Urteile aus anderen EU-Staaten ignorieren, wenn sie dort wegen unerlaubtem Glückspiel geklagt werden. Vor gut zwei Wochen unterschrieb der maltesische Präsident ein entsprechendes Gesetz. Malta droht deshalb ein EU-Vertragsverletzungsverfahren.

Egal wie es ausgeht: Illegale Online-Casinos werden in Österreich weiter gute Gewinne machen – unter freundlicher Duldung der Bundesregierung.

Jakob   Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv.