FPÖ: Halbstarker gegen Halbwilden

Die Freiheitlichen im Selbstzerstörungsrausch

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Das Schicksal der FPÖ hat eine Postleitzahl: 9560. In der Kärntner Stadtgemeinde Feldkirchen versammelten sich im Sommer vergangenen Jahres höhere und tiefere Chargen der FPÖ zum gemeinsamen Nachdenken. Mit von der Partie: die Nationalratsabgeordnete Barbara Rosenkranz, der EU-Mandatar Andreas Mölzer, die frühere Kärntner Landtagspräsidentin Kriemhild Trattnig und Ewald Stadler, Volksanwalt und Präsident der Freiheitlichen Akademie. Das offizielle Programm: die Listenerstellung für die Nationalratswahlen am 1. Oktober. Doch nebenbei dominierte ein anderes Thema die blauen Diskussionsrunden: der Führungsstil von Parteiobmann Heinz-Christian Strache. Die weiche Kritik: Strache kommuniziere zu wenig und höre zu viel auf Claqueure. Die harte Variante: Strache werde wie einst Jörg Haider die Partei an die Wand fahren.

Kurze Zeit später kam es in Pörtschach zur konstruktiven Aussprache zwischen Partei und Obmann. Heinz-Christian Strache gelobte Besserung. Bei der Klausur der FPÖ auf Burg Hochosterwitz im August war alles wieder gut. Doch der Burgfrieden war nur ein scheinbarer. Bei der endgültigen Erstellung der Bundesliste für die Wahlen hatte der Oberblaue auf seinem exklusiven Nominierungsrecht bestanden. Für Ewald Stadler war kein vorderer Platz bestimmt. Er wolle, so die Befürchtung, Strache den Klubobmannsposten streitig machen. Schließlich zog Stadler von sich aus zurück und kandidierte auf der niederösterreichischen Landesliste.

Am 1. Oktober feierte man gemeinsam den Triumph. Strache und Stadler tranken Siegersekt aus demselben Kelch. Doch wenige Wochen später wurde Stadler zugetragen, Strache plane, ihn als Chef der Freiheitlichen Akademie zu entmachten. In einer Sitzung stellte er den FPÖ-Chef zur Rede. Was Stadler noch nicht wusste: Bei den zuständigen Behörden war längst ein neuer Verein angemeldet worden. Der Volksanwalt fühlte sich hintergangen. In der Partei wurde der Unmut größer.

Am 25. Dezember erhielt Stadler jene Fotos, die den jungen Strache bei Wehrsportübungen zeigen, und übergab sie dem freiheitlichen Bürgeranwalt und Ehrenobmann Hilmar Kabas. Strache ergriff die Flucht nach vorn und veröffentlichte die Bilder von sich aus. Allerdings nicht alle: Auf einem – bisher unbekannten – Foto soll er vermummt mit Handfeuerwaffe im Anschlag abgebildet sein. Die Parteiführung verdächtigte Stadler, die Fotos aus Rache selbst in Umlauf gebracht zu haben, und beauftragte Kabas, einen Bericht zur Affäre zu verfassen. Am 23. Jänner inszenierten Strache und Stadler bei der freiheitlichen Klausur in Waidhofen an der Ybbs einen Friedensschluss. Doch hinter den Kulissen ging der Konflikt weiter. Mitarbeiter Stadlers wurden von FPÖ-Mitarbeitern zu ihrem Chef einvernommen. Selbst die Regierungsbildung führte zu Streit. Strache-Vertraute sollen entgegen der offiziellen Parteilinie heimlich Kontakte mit der ÖVP gepflegt haben.

Vergangene Woche die Parteiaffäre. Auf Bitte der Parteiführung erörterte Stadler mit Parteianwalt Johannes Hübner, wie man den Streit lösen könne. Dienstagabend schickte er formal seine Austrittserklärung ab. Er wolle, so Stadler, der Partei weitere „Zerreißproben“ ersparen. Im Klub wird er laut Vereinbarung bleiben. Bei der Vorstandssitzung der FPÖ am Donnerstag wurde der Kabas-Bericht nicht mehr verhandelt. Stadlers Wunsch, das Papier zu veröffentlichen, wollen die Freiheitlichen nicht nachkommen. Der Exvolksanwalt ist sich seiner Sache sicher: Er habe Strache weder verraten noch erpresst oder genötigt. Wer anderes behauptet, muss mit einer Klage rechnen. Stadlers Urteil über den Kontrahenten: „Strache fühlt sich in meiner Nähe psychisch gehemmt. Das ist Minderwertigkeitskomplex plus Paranoia.“

Dies ist die Wahrheit nach Ewald Stadler.

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Das Schicksal der FPÖ hat eine Postleitzahl: 9560. Der blauen Führung um Heinz-Christain Strache blieb nicht verborgen, dass sich im Kärntner Feldkirchen Funktionäre zum Gedankenaustausch über den FPÖ-Chef zusammengefunden hatten. Kurze Zeit später beim Treffen in Pörtschach stellte Strache seine Parteifreunde zur Rede. Die Aussprache war – aus seiner Sicht – erfolgreich. Manche Kritiker gaben sich zerknirscht und redeten sich auf „Missverständnisse“ und Ewald Stadler aus. Bei der Klausur der FPÖ auf Burg Hochosterwitz im August war alles scheinbar wieder gut.

Doch bei der Listenerstellung für die Nationalratswahlen hatte es wieder zu gären begonnen. Ewald Stadler meldete seinen Anspruch auf einen vorderen Listenplatz an. Als ihm dieser verwehrt blieb, wich er bockig auf die Landesliste aus. Am Wahlabend war dann auch Stadler in Feierlaune. Man konnte den Eindruck gewinnen, als hätte gerade er allein die Wahlen gewonnen. Doch der Wahlerfolg am 1. Oktober konnte die Entfremdung nicht stoppen. Stadlers Agieren in der Parteiakademie hatte Strache und seinen Generalsekretär Herbert Kickl schon seit Langem irritiert. Der Vorwurf: Stadler sei ein „katholischer Mullah“, der die Akademie als Vorfeldorganisation der Piusbruderschaft, einer ultrakonservativen Splittergruppe, missbrauche. Strache forderte Stadler auf, sein Verhalten zu ändern. Pro forma wurde bei den zuständigen Behörden ein neuer Verein angemeldet. Als sich Stadler weigerte, Änderungen in der Akademie zuzustimmen, wurde der neue Verein als offizielle FPÖ-Bildungswerkstatt eingerichtet. Schon damals soll Stadler intern mit Rache und verfänglichen Aufnahmen gedroht haben, heißt es aus der FPÖ. Er hätte ein Dossier über Heinz-Christian Strache, mit alten und neuen Vorwürfen aus dessen

Privatleben. Als die Fotos von Straches Wehrsportübungen auftauchten, fiel der Verdacht sofort auf Stadler. Doch dessen Kalkül soll mehr als bloße Rache gewesen sein: Die Fotos hätten zu Straches Rücktritt führen und Stadler selbst den Weg an die Parteispitze ebnen sollen. Strache vergangene Woche: „Das war eine Kampagne, die ein klares Ziel hatte, nämlich meine Person abzuschießen.“ So mancher in der FPÖ verdächtigte Stadler sogar, hinterrücks mit ÖVP-Politikern Möglichkeiten zur Zusammenarbeit nach einem Sturz Straches ausgelotet zu haben.

Zu Hilmar Kabas hielt Strache Kontakt. Schon früh wusste die FPÖ-Führung, dass dessen Bericht Stadler schwer belasten würde und ein Parteiausschluss unumgänglich sei. Stadler hätte gezielt versucht, belastendes Material zu besorgen und einzusetzen. Es hätte sich eine „Indizienkette ergeben, die sehr wohl dazu führt, dass

Stadler diese Causa in Gang gebracht hat“, sagte FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky Mittwoch vergangener Woche. Da hatte Stadler den Parteiaustritt schon vollzogen. Er hätte sich erwartet, dass Stadler auch sein Mandat zurücklegt, sagte Strache. Den Kabas-Bericht zu den Wehrsportfotos will er nicht veröffentlichen. Schließlich ist Ewald Stadler jetzt kein FPÖ-Mitglied mehr. Straches Urteil über den Kontrahenten: „Immer wenn es einen Wirbel gegeben hat in der FPÖ in den letzten 20 Jahren, war Ewald Stadler beteiligt.“

Dies ist die Wahrheit nach Heinz-Christian Strache.

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Ulli Maier hat ein Déjà-vu. Die Bozenerin ist Generalsekretärin der Südtiroler Freiheitlichen und gemäß den Statuten auch Vorstandsmitglied in der FPÖ. An der Sitzung der Parteigremien vergangene Woche nahm sie nicht teil. Schon Mitte Dezember hatte sie ihren Ärger in einem Schreiben an ihre freiheitlichen Vorstandskollegen artikuliert. „Mit Verbitterung muss ich feststellen, dass nach der jahrelangen politischen Kärntner Geiselhaft in der Endphase der Haider-FPÖ und nach der existenzbedrohenden Krise während der BZÖ-Abspaltung offenbar schon wieder intrigante Seilschaften die FPÖ im Würgegriff halten.“

Intrigante Seilschaften? Seit Monaten monieren Strache-Kritiker innerhalb der FPÖ, der Parteichef höre bloß noch auf einen kleinen Machtzirkel. Selbst das Parteiblatt „Neue Freie Zeitung“ würde sich nur noch mit dem Parteichef, Generalsekretär Herbert Kickl oder dem Neoabgeordneten und Strache-Vertrauten Peter Fichtenbauer befassen. Intern hatte der Parteichef Umstrukturierungen in der FPÖ für das Frühjahr 2007 angekündigt. Der Begründung, man müsse die Partei nach der Abspaltung des BZÖ aus finanziellen und organisatorischen Gründen straffen, wollen nicht alle Vorstandsmitglieder glauben. Ulli Mair bezeichnet die Pläne in ihrem Brief als „Zerschlagung der Vorfelder und Gleichschaltung der Partei“. Überdies sei die Demontage „hochverdienter Persönlichkeiten“ – wie Stadler – unerträglich.

Der unberechenbare Einzelkämpfer war mit seinen konservativ-katholischen Positionen und seinem forschen Auftreten – gepaart mit intellektuellem Übermut – zwar auch in der Strache-FPÖ nie mehrheitsfähig, doch sein Austritt erschüttert die Partei. Prominente Stadler-Freunde wie die Niederösterreicherin Barbara Rosenkranz oder Generalsekretär Karlheinz Klement befinden sich nun in einem Loyalitätskonflikt. Im Parlamentsklub will Stadler mit seinen Exparteifreunden als „halbwilder Abgeordneter“ (der grüne Abgeordnete Peter Pilz) friedlich koexistieren. Sein Ausschluss aus der Fraktion würde die Partei 400.000 Euro Klubförderung kosten. Parteichef Strache sieht es pragmatisch: „Ob außerhalb oder innerhalb unseres Klubs: Stadler wird immer für Unruhe sorgen.“

Von Gernot Bauer