„Unzulässige Zahlungen”

US-Behörden ermitteln gegen den Motorola-Konzern und Alfons Mensdorff-Pouilly

Korruption. Die US-Behörden ermitteln gegen den Motorola-Konzern und Alfons Mensdorff-Pouilly

Drucken

Schriftgröße

Ende vergangenen Jahres löste eine Bilanzprüfung eine Kettenreaktion aus, die ihren Beginn im US-Bundesstaat Illinois nahm und bei der Staatsanwaltschaft Wien endete. Die interne Revision eines Konzerns, der im beschaulichen Schaumburg unweit von Chicago ansässig ist, war auf Ungereimtheiten in der Buchhaltung gestoßen. Weil das Unternehmen börsennotiert ist, erstattete es Selbstanzeige bei der amerikanischen Börsenaufsicht SEC (Securities and Exchange Commission). Deren Experten prüften die Verdachtslage und kontaktierten, da auch ein österreichischer Staatsbürger in die Malversationen involviert ist, im Frühjahr umgehend ihre Kollegen bei der österreichischen Finanzmarktaufsicht (FMA). Im Rahmen der gegenseitigen Amtshilfe forderten die Amerikaner Kontodaten, Firmenbuchauszüge und Steuererklärungen an. Die FMA reichte das Auskunftsbegehren der US-Behörde umgehend an die Staatsanwaltschaft Wien weiter.

Business as usual eigentlich, streng nach international festgelegten Spielregeln. Wären da nicht die klingenden Namen, welche diesem behördlichen Routinevorgang gehörigen Zündstoff verleihen: Die US-Behörden interessieren sich für niemand Geringeren als für Alfons Mensdorff-Pouilly, dessen Verbindungen zum US-Elektronikkonzern Motorola – und unerklärliche Zahlungen in Millionenhöhe.

Die Post aus Übersee platzte in ohnehin heikle Ermittlungen.

Mensdorff und Motorola:
Der Lobbyist und das US-amerikanische Unternehmen sind hierzulande untrennbar mit Ernst Strasser, ÖVP-Innenminister im Kabinett Schüssel I und II, und dem Blaulichtprojekt Tetron verbunden; mit jenem Millionenauftrag also, der 2004 unter fragwürdigen Bedingungen an ein Konsortium um Motorola vergeben worden war und wor­über alle Beteiligten im Innenressort stets Stillschweigen bewahrt hatten. Im Bemühen, den Namen des ÖVP-nahen Lobbyisten aus der medialen Schusslinie zu halten, soll der Kabinettschef der heutigen Innenministerin Druck auf den Telekom-Vorstand ausgeübt haben.

Und das offenbar mit gutem Grund.

Der Vorwurf gegen Mensdorff wiegt schwer: profil-Recherchen zufolge gehen die amerikanischen Behörden dem Verdacht nach, wonach Mensdorff im Auftrag von Motorola Amtsträger in Europa und dem Mittleren Osten bestochen haben soll. In Summe sollen 2,2 Millionen Euro auf Basis von „Beratungsverträgen“ an drei Gesellschaften, welche in Mensdorffs Einflussbereich stehen, verteilt und an Politiker und Beamte weitergereicht worden sein. Die Behörden in Österreich schließen nicht aus, dass ein Teil der Zahlungen im Zusammenhang mit der Vergabe des digitalen Behördenfunknetzes steht.

Um die Verbindungen zwischen dem Unternehmen in Illinois, Mensdorff und dem Innenministerium zu verstehen, ist ein Rückblick in die Ära Schwarz-Blau nötig. Kurz nach der Wende im Jahr 2000 wollte der damalige zuständige Ressortchef, VP-Innenminister Ernst Strasser, die Sicherheitsbehörden dieses Landes technisch auf den Stand des dritten Jahrtausends bringen. Exekutive, Rettung und Feuerwehr sollten fortan bei Massen­events und Kriseneinsätzen nicht mehr über veraltete analoge Kanäle kommunizieren, sondern über ein landesweit einheitliches digitales Netz.

Anfang 2002 erhielt ein Bieterkonsortium aus Siemens, Raiffeisen und Wiener Stadtwerken vom Innenministerium den mit 138 Millionen budgetierten Auftrag. Projektname: Adonis. Doch nach der Nationalratswahl im November 2002 begann Strasser, an Adonis herumzumäkeln. Die Auseinandersetzungen zwischen Innenressort und Auftragnehmern eskalierten im Sommer 2003. Strasser feuerte das Konsortium, ließ – obwohl das Projekt nach seinen Angaben nicht funktioniert hatte – fast 30 Millionen Stornokosten überweisen und schrieb den Auftrag neu aus. 2004 wurde einer Bietergemeinschaft aus Motorola, Alcatel und Telekom Austria der Zuschlag erteilt.

Die Aktion Blaulicht lief ab nun unter der Bezeichnung „Tetron“: Die Telekom stellte Netzinfrastruktur, Alcatel die Sendeanlagen und Motorola die Endgeräte. ­Tetron, das sei noch erwähnt, ist bis heute lediglich in drei Bundesländern im Einsatz: in Wien, Niederösterreich und Tirol.

Sieben Jahre später ist Tetron nun ein Fall für die Justiz.

Die Vermutung, wonach bei der Vergabe an das Motorola/Alcatel/TA-Konsortium nicht alles mit rechten Dingen zugegangen ist, bekommt durch das bei der Staatsanwaltschaft aufliegende Rechtshilfeersuchen neue Nahrung.

Börsennotierte Konzerne in den USA unterliegen den U.S. Generally Accepted Accounting Principles, also den US-amerikanischen Rechnungslegungsgrundsätzen und damit der SEC. Bilanzfälschungen werden nicht nur strafrechtlich verfolgt, sondern zusätzlich von der US-Börsenaufsicht. Daher setzten sich auch die SEC-Ermittler auf den Fall.

Mensdorff, so die Erkentnisse der US-Behörden, war als Motorola-Lobbyist in mehreren europäischen Staaten und im Mittleren Osten aufgetreten. Auf Basis so genannter „Representa­tive Agreements“ sollte der Lobbyist im Auftrag Motorolas in diversen Ländern die jeweils politische Gemengelage analysieren, Konkurrenten beobachten und politische Entscheidungsträger für Motorola günstig stimmen. Möglicherweise auch durch „unzulässige Zahlungen“, wie es in dem bei der Justiz aufliegenden Sachverhalt heißt.

Mensdorffs Engagement wurde, wie profil recherchierte, gräflich belohnt.

Zwischen 10. Mai 2006 und 30. April 2007 fütterte Motorola ein Bawag-Konto in Österreich häppchenweise mit Beträgen zwischen 12.000 und 99.000 Euro an. Die Bankverbindung läuft auf die MPA Handelsgesellschaft in Wien, deren Alleingesellschafter Alfons Mensdorff-Pouilly ist – und die Zuwendungen addierten sich im genannten Zeitraum auf exakt 383.589,39 Euro.

Doch das ist nur ein Bruchteil jener Summe, die Motorola ab April 2004 in die Einflusssphäre des Grafen verschoben hat.

Auch die in Ungarn ansässige MPA Budapest Kft sowie die in Panama angesiedelte (und in der Schweiz treuhändisch verwaltete) Briefkastengesellschaft Valurex International SA – beide stehen im Einflussbereich Mensdorffs – waren mit Zahlungen bedacht worden, welche sich in Summe auf 2,2 Millionen Euro be­laufen. Geld, das nicht für nichts bezahlt wurde: Beim Durchforsten der Motorola-Bücher stellten die US-Ermittler Beweise sicher, wonach Mensdorff politische Entscheidungsträger zumindest mit Aufmerksamkeiten und Gratisreisen gesponsert haben soll.

Also:
Der US-Elektronikkonzern Motorola zahlte Mensdorff-Pouilly über Jahre hinweg in Summe 2,2 Millionen Euro, um Politiker und Beamte zu seinen Gunsten gnädig zu stimmen. Um die Zahlungen zu verschleiern, bediente sich Motorola auch einer Gesellschaft in Panama. Und um die Zuwendungen auf geschäftlich zu schminken, wurden „Representative Agreements“ abgeschlossen, also Beraterverträge mit schwammigen Pflichten.

Das Strafgesetzbuch hat dafür unmissverständliche Begriffe: Geldwäsche (Paragraf 165) und Bestechung (Paragraf 307). Diesem Verdacht gehen jedenfalls die ­österreichischen Behörden nach.

Mit den Erkenntnissen der US-Ermittler schließt sich freilich auch der Kreis zum österreichischen Blaulichtprojekt. Die zwischen dem US-Konzern und Mensdorff abgeschlossenen und sichergestellten „Representative Agreements“ sind mit Dezember 2004 beziehungsweise 2005 datiert – beide wurden also fixiert, nachdem das Konsortium um Motorola den Auftrag aus dem Innenministerium erhalten hatte. Auch jener Vertrag, mit welchem sich Mensdorff in den Dienst der deutschen Niederlassung von Motorola stellte, war ein so genanntes „Representative Agreement“ und im Juli 2005 abgeschlossen worden.

Wie profil in der Vorwoche berichtete, handelte es sich hierbei um einen „Folgevertrag“ zum Blaulichtprojekt, welcher der in Panama ansässigen Briefkastengesellschaft Valurex übertragen wurde. Valurex sollte Motorola-Endgeräte „aktiv promoten“, die Zufriedenheit bei den Blaulichtorganisationen erheben und Motorola in „ökologischen“, „rechtlichen“ und „administrativen Fragen“ beraten. Dem nicht ­genug: Der Briefkasten sollte auch PR-Dienstleistungen erledigen und die „Kommunikation“ zwischen dem österreichischen Innenministerium und Motorola managen sowie „Präsentationen“ mit dem Ministerium abstimmen.

Im Gegenzug erklärte sich Motorola bereit, Valurex für jedes verkaufte Endgerät mit bis zu fünf Prozent zu ­beteiligen, wobei die Gesamtprovision 2,6 Millionen Euro exklusive Umsatzsteuer nicht überschreiten durfte.

Klar ist: Ein Erfolgshonorar muss nicht unbedingt in jenem Land ankommen, wo die „Lobbyingaktivitäten“ erbracht wurden. Und das Geld muss nicht unbedingt dort bleiben, wo es hingeflossen ist.

Wie viel also von diesen 2,6 Millionen aus dem Folgeauftrag, wie viel von jenen 2,2 Millionen aus den USA bei Mensdorff blieb – und ob und wie viel davon möglicherweise auch bei österreichischen „Entscheidungsträgern“ landete, untersucht die Staatsanwaltschaft. Weder die Justiz noch die FMA, noch Mensdorffs Anwalt Harald Schuster wollten gegenüber profil eine Stellungnahme abgeben.

Die in Panama registrierte Valurex ­International SA ist der heimischen Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit ­mutmaßlichen Schmiergeldzahlungen mittlerweile durchaus ein Begriff. Die Briefkastengesellschaft stand offiziell im Einflussbereich von Mensdorffs verstorbenem britischem „Wahlonkel“ Timothy Landon. Mensdorff selbst stand bei Valurex ab 2005 unter Vertrag. Über das Verhikel sollen nach Kenntnisstand der Ermittler über Jahre hinweg bis zu zweistellige Millionenbeträge verschoben worden sein. Und dies stets nach demselben Muster: Die Summen sollen von Valurex ausbezahlt, teilweise von Mensdorff bar übernommen und an unbekannte Empfänger weitergereicht worden sein. Gegenüber der Staatsanwaltschaft hielt Mensdorff stets an derselben Geschichte fest: Er habe das Geld lediglich im Auftrag seines Onkels an Investoren weitergeleitet. Eine Gefälligkeit unter Verwandten also, und das sei ja wohl erlaubt.

Der bisherige Verdacht, wonach die Konten der Valurex nicht nur der Rüstungsindustrie als Umverteilungsvehikel gedient haben, besteht nun auch für Motorola.

Nur:
Bei Motorola stand nicht der Brite Landon unter Vertrag, sondern Mensdorff selbst.