Berlinale 2015: Die Leiden des jungen Kurt Cobain

Berlinale 2015: Die Leiden des jungen Kurt Cobain

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Die erste und wichtigste Regel, die sich Kurt Cobain für das Rockbusiness auferlegte, lautete stets: Lerne unter keinen Umständen, auf deinem Instrument zu spielen. Cobain, der kindsköpfige, hochtalentierte und viel zu früh verglühte Stern, Sänger, Gitarrist und Hauptsongschreiber der Grungerock-Band Nirvana, wusste nämlich wie kein Zweiter, dass es in der Rockmusik – und hier insbesondere bei der von ihm Ende der 1980er mitgeprägten Spielart Grunge („We play a fast version of rock’n’roll“) – nicht um das Erlernen bestimmter musikalischer Fähigkeiten geht, sondern vor allem darum, ein Gespür dafür zu entwickeln, seine Gefühle, den Schmerz, die Freude, den Hass und die zahllosen Ängste und Depressionen in möglichst ungeordnete Bahnen – bestehend aus Gitarre, Bass, Schlagzeug und Gesang – zu lenken.

We play a fast version of rock’n’roll

Mensch mit Schwächen, Ängsten und Süchten

Cobain, der sich 1994, am Höhepunkt seiner Karriere, von Heroinsucht und Depressionen gezeichnet, in seinem Haus in Seattle das Leben nahm, wird in „Cobain: Montage of Heck“ (der Name bezieht sich auf Cobains erstes Demo-Tape) nicht als unnahbarer Rockstar gezeigt, sondern als Mensch mit Schwächen, Ängsten und Süchten. Man sieht den Musiker als fröhliches Kind, der die Menschen für sich einnimmt und bereits sehr früh seine überbordende Kreativität offenbart; er malt, musiziert und schreibt. Man sieht aber auch die enorme Zerrissenheit, die fehlende familiäre Bindung und die erste Teenage-Angst.

Erste autorisierte Dokumentation

Regisseur Brett Morgan zeichnet in dieser, der ersten von der Cobain-Familie autorisierten Dokumentation (Tochter Frances Bean Cobain unterstützte das Projekt als ausführende Produzentin), nicht nur ein stellenweise äußerst beklemmendes Porträt des jungen Künstlers mit den goldenen Haaren und den durchdringenden stahlblauen Augen, sondern auch eine prototypische Coming-of-age-Geschichte, die hoffnungsvoll beginnt und in Selbstzweifeln, Drogen, Depression ein frühes Ende findet. Dabei bedient sich Morgan erstmals freigegebenen Kinderbildern, unbekanntem Archivmaterial, privaten Super-8-Filmen und nachgezeichneten Comicszenen, die der Regisseur nur mit Soundaufnahmen ergänzen musste, und er führte Interviews mit den Eltern, Verwandten, Freunden, musikalischen Weggefährten sowie Cobains Frau Courtney Love.

Cobain: Montage of Heck“ vereint über 200 Stunden Musik- und Video-Material, 4000 Seiten Notizen, Skizzen und Songbüchern zu einer Geschichte über Leben und Kunst eines bereits legendären Musikers, wie sie nur der Rock’n’Roll schreiben kann.

Philip Dulle

Philip Dulle

1983 in Kärnten geboren. Studium der Politikwissenschaft in Wien. Seit 2009 Redakteur bei profil. Hat ein Herz für Podcasts, Popkultur und Basketball.