Sven-Eric Bechtolf und Helga Rabl-Stadler
Gastkommentar: Das Salzburger Festspieldirektorium verteidigt sich

Gastkommentar: Salzburger Festspieldirektorium verteidigt sich

Üble Vorrede? Ehrabschneidung? Helga Rabl-Stadler und Sven-Eric Bechtolf antworten auf Manuel Brugs kritische Programmanalyse im profil der Vorwoche.

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Dass Manuel Brug Salzburg so schauerlich findet, sei ihm unbenommen. Wir erinnern uns trotzdem gerne an ihn, wie er im Trachtenjankerl eines prominenten Dirndlherstellers, das ihn so ausnehmend gut kleidete, munter die verwerflichen Gassen Salzburgs durchwanderte.

Nicht unbenommen hingegen ist ihm die Überschrift seines Interviews mit Peter Konwitschny: „Salzburg ist asozial!“. Konwitschny behauptet: „Oper ist asozial“ und weitet diesen Anwurf in einer etwas seltsamen Logik auf den Ort aus, der Opernveranstaltungen zeigt. Demzufolge wären also sämtliche Städte, die Oper präsentieren, asozial. Was ist dann aber ein Opernkritiker? Handlanger dieser gemeinen Umtriebe?

Üble Nachrede müssen Künstler in Kauf nehmen. Gegen üble Vorrede aber darf und muss man sich wehren.

Uns hat es doch sehr gewundert, dass Brug nicht schon in ureigenem Interesse widersprochen hat. Die vielfache Wertschöpfung, die durch Theater, Opern, Konzerte und Kultur entsteht, sollte nicht aufgrund persönlicher Aversionen unterschlagen werden. Da leistet er auch seinem eigenen Broterwerb einen Bärendienst. (Und ja: Es gibt ihn, weil es uns gibt.) Das würde uns aber weniger stören, wenn er nicht eklatant seine journalistische Sorgfaltspflicht verletzt hätte. Dagegen wehren wir uns en gros und en detail.

Dass ein Kritiker üble Nachrede betreibt, muss der jeweils betroffene Künstler in Kauf nehmen, auch wenn er es schwer erträgt. Gegen üble Vorrede allerdings darf und muss man sich wehren. Wir hätten auf diese Vorverurteilung der Festspiele schon seit Monaten gefasst sein müssen. Denn bereits am 13. November 2014 anlässlich der Präsentation des diesjährigen Festspielprogramms in Berlin zeigte uns Brug in Wort und Tat, dass er nur den dort ausgeschenkten Festspielwein, nicht aber das kommende Programm schätzt. So können wir nur hoffen, dass Brug seine Drohung von damals wahrmachen und nicht nach Salzburg kommen wird. Denn er kann sich doch nach der detaillierten Vorverurteilung der Festspiele 2015 nicht selbst Lügen strafen und die penibel verrissenen Produktionen gut finden.

So ist er sich jetzt schon sicher, dass der „Fidelio“ rundum enttäuschend wird. „Ist es aber künstlerisch notwendig, Beethovens Befreiungsoper gefühlt alle fünf Jahre hier anzusetzen? Mit Franz Welser-Möst am Pult und Claus Guth als Regisseur … ist auch nichts unbedingt Innovatives zu erwarten“, ätzt er. Dass Brug glaubt, den letzten „Fidelio“ in Salzburg vor fünf Jahren gesehen zu haben, obwohl dieses Werk 1998 das letzte Mal am Spielplan gestanden ist, scheint uns ein wunderbarer Beweis dafür, wie sehr gute Festspielinszenierungen (damals Herbert Wernicke) noch viele Jahre als Eindruck im Gedächtnis haften bleiben. Und von Welser-Möst, dem weltweit gefeierten Dirigenten, so wie von Claus Guth, den szenischen Schöpfer so vieler Erfolgsproduktionen nicht nur bei den Salzburger Festspielen, erwarten offensichtlich nicht nur wir, sondern auch unser Publikum ein besonderes Ereignis. Es ist seit Monaten hoffnungslos ausverkauft.

Spitzenpreise? Von 225.000 Karten kosten mehr als die Hälfte zwischen fünf und 105 Euro.

Aus Platzmangel wollen wir nicht jedem einzelnen Vorverriss des Brug’schen Elaborats widersprechen, sondern die profil-Seite nützen, um „wahr ist vielmehr“ zu schreiben: Bei den Salzburger Festspielen stehen im Sommer 2015 188 Aufführungen an 45 Tagen und 14 Spielstätten auf dem Spielplan. Und wir – auch ermutigt vom großen Publikumsinteresse, das sich in einem hervorragend laufenden Kartenverkauf zeigt – sind überzeugt, dass wir eine Mischung bieten, die es jedem Kunstliebhaber möglich macht, sein ganz persönliches Salzburger Festspielprogramm zusammenzustellen. Der zeitgenössischen Musik bieten wir auch 2015 eine starke Plattform, von der Eröffnungspremiere mit „Die Eroberung von Mexico“ bis zum sorgsam komponierten Konzertschwerpunkt zu Pierre Boulez. Für all jene, die Salzburg als Mozart-Stadt lieben, ist sicher die zweite Premiere dieses Sommers, der „Figaro“, ein Muss. Dazu kommen noch die künstlerisch hervorragend kritisierten und vom Publikum enthusiastisch akklamierten Wiederaufnahmen: „Norma“, für die wir 2013 den Preis als beste Opernaufführung erhielten, und „Iphigénie en Tauride“ – beide mit der unvergleichlichen Cecilia Bartoli als Titelfigur. „Il trovatore“, wo selbstverständlich Anna Netrebko eine besondere Anziehungskraft ausübt. Und als letzte Premiere dieses Sommers die Wiederaufnahme des „Rosenkavalier“ – zur Zeit wohl eine der schönsten Interpretationen dieser Oper des Festspielmitbegründers Richard Strauss.

Und dann das Schauspielprogramm: Ein bisschen stolz sind wir schon darauf, dass es uns gelungen ist, die „Dreigroschenoper“ in einer speziell für Salzburg bearbeiteten musikalischen Fassung aufzuführen. Einer der magischsten Festspielorte, die Felsenreitschule, rechtfertigt unseren Titel „Mackie Messer – Eine Salzburger Dreigroschenoper“ doppelt. Übrigens hat Herr Brug in seinem Furor auch das verwechselt: Er meint, die Tiger Lillies künstlerisch umbringen zu müssen, „deren schräge Töne nun auch nicht so viel anders tröten und quietschen werden“, weil er sie im „Jedermann“ und in „Mackie Messer“ eingesetzt vermutet. Wahr ist vielmehr: In beiden Produktionen tritt das Ensemble 013 auf, eigens für den „Jedermann“ gegründet und für „Mackie Messer“ vergrößert. Die abschätzigen Vorabbemerkungen über zwei der Hauptdarsteller, Sona McDonald und Graham Valentine, grenzen an Ehrabschneidung. Die beiden haben in ihrem Beruf so Außerordentliches geleistet, dass wir Brugs Kommentare entbehren können, nicht aber diese wunderbaren Künstler. Goethes „Clavigo“ im Landestheater und Shakespeares „Komödie der Irrungen“ auf der Perner Insel locken die Schauspielliebhaber nach Salzburg. Und das alles nicht, wie Brug zu suggerieren versucht, bloß zu Spitzenkartenpreisen. Von 225.000 Karten kosten mehr als die Hälfte zwischen fünf und 105 Euro.

Alles gute Gründe, trotz Vorverriss Vorfreude zu fühlen.

Helga Rabl-Stadler, 67, fungiert seit über 20 Jahren als Präsidentin der Festspiele. Die studierte Juristin und ehemalige ÖVP-Abgeordnete ist gemeinsam mit Bechtolf 2015 und 2016 interimistische Festspielleiterin. Sven-Eric Bechtolf, 57, ist Schauspieler, Theater- und Opernregisseur, seit 2011 auch Schauspielchef der Salzburger Festspiele.