David Bowie beim Video-Dreh zu seinem neuen Song "Blackstar".
In den Sternen: David Bowies neues Album

In den Sternen: David Bowies neues Album "Blackstar"

Nein sagen, ja meinen: "Blackstar“, David Bowies neues Album, erweist sich als zwiespältig.

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Derselbe Trick, dieselbe Pointe: Als Anfang 2013 der düster flimmernde Song "Where Are We Now“ via YouTube unerwartet David Bowies Rückkehr einleitete, lockte der resignativ-verlorene Klang dieser Stimme die globale Fangemeinde des seit fast einem Jahrzehnt in Zurückgezogenheit lebenden Meisters auf die falsche Fährte. Das dazugehörige Album "The Next Day“ war nämlich im Vergleich zur Single verhältnismäßig konventionell geraten - nicht mehr als eine Stilübung Bowies in seiner neuen Rolle als bester Bowie-Imitator der Welt.

Das im November 2015 auf dieselbe Weise ohne jede Vorankündigung ans Licht der Öffentlichkeit gebrachte Zehn-Minuten-Stück "Blackstar“ kam logischerweise nicht mehr ganz so unerwartet. Aber die ausladende Suitenform, in der arabische Anklänge und soulige Bläsersätze sich mit klassisch bowieeskem Pathos vermengten, weckte auch diesmal die Erwartung großer Experimente, die der gleichnamige Longplayer nun leider nicht ganz erfüllt.

Um "Blackstar“ zu mögen, darf man jedenfalls keine Aversion gegen rockende Jazzer hegen.

Zwei der Songs, die sich darauf finden, kennt man in der Tat schon von einer im November 2014 als Köder für die - typisch ironisch benannte - Karriere-Retrospektive "Nothing Has Changed“ veröffentlichten Single: Die damalige B-Seite "’Tis A Pity She Was A Whore“ lässt in ihrem hermetischen Album-Arrangement die frühere Version rückblickend wie ein voreilig entglittenes Demo erscheinen. Da es in der Welt David Bowies jedoch so etwas wie ein Entgleiten nicht gibt, könnte man freilich auch dies als einen wohlkalkuliert gewährten Blick in seinen Schaffensprozess deuten.

Die A-Seite "Sue (Or In A Season of Crime)“, möglicherweise ein Song über Sterbehilfe, erscheint nun vergleichsweise angerockt als viertes Stück. Die Jazz-Harmonien der Bläser haben sich zu Clustern verdichtet, und Ben Monders Gitarre spielt metallisch verzerrte Riffs synchron zu den rastlosen Beats des jungen Schlagzeugwunders Mark Guiliana. Neben Donny McCaslins Saxofon und Jason Lindners Old-School-Synthesizer definieren diese Ingredienzien den Sound des Albums, das von seinem Klangbild her am ehesten an die Zeit der Berliner Phase Bowies bis "Let’s Dance“, rhythmisch dagegen an die Drum’n’Bass-Exkurse der 1990er-Jahre erinnert. Um "Blackstar“ - Erscheinungstermin: 8.1., der 69. Geburtstag Bowies - zu mögen, darf man jedenfalls keine Aversion gegen rockende Jazzer hegen.

Zwischen den beiden erwähnten Neuinterpretationen bereits bekannter Tracks fällt "Lazarus“, die Titelnummer aus David Bowies neuer Off-Broadway-Bühnenadaption von "The Man Who Fell To Earth“, auf eher schleppende Weise aus dem Rahmen. Immerhin kann man Bowie nicht vorwerfen, sein Pulver zu früh zu verschießen. Nach dem von einem Wortschwall im Londoner Schwarzhändler-, Akrobaten- und Schwulen-Slang Polari eingeleiteten "Girl Loves Me“ findet das auf Vinyl-LP-Länge, auf 42 Minuten beschränkte Werk gegen Ende seinen zweiten Höhepunkt.

Nach einem letzten der vielen Saxofon-Soli hangelt sich die Band zu einem finalen Stadionrock-Tusch vor.

In "Dollar Days“ erklingt nach einem von lyrischen Akkorden getragenen Intro jene zwölfsaitige akustische Gitarre, die in Bowies Œuvre so oft die vollends auskomponierten Songs begleitet hat (im Gegensatz zu jenen, die um harmonisch statische Riffs kreisen). Zu Recht hat Produzent Tony Visconti diese Nummer neulich als "die üppige“ des Albums bezeichnet. Ähnlich wie das kryptische Titellied lässt sich auch "Dollar Days“ zum Teil als Kommentar zu Bowies Lebensrolle auslegen: "Don’t believe for just one second I’m forgetting you“ (Glaubt keine Sekunde lang, dass ich euch vergesse), aber er legt es dann doch sehr darauf an: "I’m trying to / I’m dying to“.

Nach einem emphatischen Jaulen der Gitarre blendet das Lied fließend über in den Beat des von einer neckischen Mundharmonika flankierten "I Can’t Give Everything Away“, wo es heißt: "Seeing more and feeling less / Saying no and meaning yes / This is all I ever meant / That’s the message that I send“, singt Bowie da. Und nach einem letzten der vielen Saxofon-Soli hangelt sich die Band zu einem finalen Stadionrock-Tusch vor, den dieses Album eigentlich nicht gebraucht hätte.