Der Selbstbediener

Fußballkolumne: Der Selbstbediener

Warum die heimische Bundesliga nicht zur Spielwiese eines einzelnen Konzerns werden darf.

Drucken

Schriftgröße

Es ist ein Transfer, der Leipzig so gut wie gar nichts bringt, aber Salzburg immens schadet. Leipzig-Boss Ralf Rangnick bediente sich beim Partner-Klub aus der Mozartstadt kurzerhand wieder einmal selbst und lotste Defensiv-Allrounder Bernardo in die Deutsche Bundesliga, wo dieser – so darf getrost vermutet werden - nicht gleich eine tragende Rolle einnehmen wird. Zum besseren Verständnis: Bernardo war erst im Winter zu Salzburg gewechselt und gerade dabei, in der heimischen Bundesliga Fuß zu fassen und zum Leistungsträger zu werden. Ein Spieler vom Format eines Kevin Kampl oder Naby Keita, die beide der österreichischen Liga qualitativ entwachsen waren, ist der Brasilianer noch lange nicht, doch Oscar Garcia hätte ihn in Meisterschaft und Europa League sehr gut brauchen können. Das alles wurde zu einem Zeitpunkt (drei Tage vor Transferschluss, eine Stunde vor dem Bundesliga-Spitzenspiel gegen Rapid) unter Dach und Fach gebracht, der viel darüber aussagt, wie viel Interesse Rangnick an einer halbwegs erfolgreich agierenden Salzburg-Mannschaft hat.

War es nicht spätestens seit Adi Hütters freiwilligem Abgang im Sommer 2015 klar, dass Salzburg nur mehr als Farmteam für Leipzig fungieren würde? Die Antwort lautet 'nein'.

Angesichts dieser Vorgehensweise – ein Spieler wie Bernardo hätte sich wohl auch leicht andernorts bis zum Ende der Transferzeit finden lassen - ist es gar nicht so abwegig, anzunehmen, dass Rangnick nicht nur wenig Interesse an dem sportlichen Schicksal von Red Bull Salzburg hat, sondern dem Schwesternklub bewusst schaden oder ihn zumindest in ein möglichst enges Korsett zwingen will. Ich glaube nicht, dass es der 58-jährige gerne gesehen hätte, wenn sich Salzburg heuer erstmals für die Champions League qualifiziert hätte. 1.) Hätte es wohl dann zumindest in dieser Transferzeit einen Abwerbe-Stopp in Richtung Leipzig gegeben und 2.) ist eine regelmäßige Champions League-Qualifikation der Salzburger wahrscheinlich das Einzige, was Red Bull-Chef Mateschitz zu einer Zurückverschiebung der Prioritäten nach Österreich bewegen könnte. Rangnicks absolute Horrorvorstellung - ein etwaiger CL-Fixplatz für den österreichischen Meister – ist (der jüngsten Champions League-Reform zu Ungunsten der mittelgroßen und kleinen Ligen sei Dank) mittlerweile ohnehin in weite Ferne gerückt.

Aber war es nicht spätestens seit Adi Hütters freiwilligem Abgang („Ich sehe mich nicht nur als Ausbildungstrainer“) im Sommer 2015 klar, dass Salzburg nun nur mehr als Farmteam für den Rasenballsport-Verein fungieren würde? Die Antwort lautet schlicht und einfach „nein“. Noch in dieser Transferperiode wurden Spieler wie der Schweizer Torschützenkönig Munas Dabbur (24), der deutsche Mittelfeldakteur Marc Rzatkowski (26), ÖFB-Teamkader-Neuling Stefan Stangl (24) oder Oscar Garcias kolportierter Wunschspieler Wanderson (21) von Getafe verpflichtet – ein Jahr zuvor waren bereits gestandene Spieler wie Paulo Miranda (28), Reinhold Yabo (24) oder Yasin Pehlivan (27) geholt worden. Diese Transfers wurden sicher nicht zu reinen Ausbildungszwecken getätigt, sondern mit dem Ziel, Salzburg kurz- bis mittelfristig zu nationalen und internationalen Erfolgen zu führen. Zudem wurde mit Oscar Garcia ein Trainer an die Salzach gelotst, von dem von vornherein bekannt war, dass er sich nicht einfach zum reinen Zuliefer-Trainer für Leipzig degradieren lassen würde. Der Katalane gab nun auch selbst zu Protokoll, dass sich die Situation innerhalb weniger Wochen „stark verändert“ habe – so ganz absehbar war die jetzige komplette Fokus-Verschiebung also offenbar nicht.

Bis jetzt gewährte die ungeschriebene Leipzig-/Salzburg-Vereinbarung nämlich auch dem österreichischen Serienmeister Vorteile: Die Salzburger konnten Spieler verpflichten, die sie wohl ohne die „Perspektive Leipzig“ nicht bekommen hätten und durften sie (wie etwa in den Fällen Kampl und Keita) zumindest zwei bis drei Saisonen lang behalten, bis sie einfach für die österreichische Liga zu gut waren und den nächsten Karriereschritt vollzogen. Mit dieser Konstellation hätten alle Beteiligten ganz gut leben können – schließlich funktioniert das auch bei fortgeschrittenen Ausbildungsvereinen wie dem FC Porto, Ajax Amsterdam, dem FC Basel oder RSC Anderlecht auf diese Art und Weise ganz gut.

Auch die UEFA wird sich der Problematik spätestens dann annehmen müssen, wenn beide RB-Vereine einmal gleichzeitig in internationalen Bewerben spielen.

Nach dem unglücklichen Ausscheiden gegen Dinamo Zagreb scheinen jetzt aber sämtliche Dämme zu brechen. Klangen die Aussagen von Salzburg-Sportdirektor Christoph Freund in der Vergangenheit zumindest noch ansatzweise so, als hätte er die Interessen des eigenen Vereins im Sinne, fügt man sich nun auch offiziell in die Marionetten-Rolle. Dies bringt für den gesamten österreichischen Fußball ungeahnte Problematiken mit sich: Wird der Serienmeister der letzten Jahre zum Farmteam eines deutschen Bundesliga-Aufsteigers degradiert, gerät nämlich die österreichischen Meisterschaft zum Lust-und-Laune-Wettbewerb eines einzelnen Konzerns. Es kann nicht im Sinne der österreichischen Bundesliga sein, dass Salzburg mit einer Mannschaft Meister wird, deren Stützen dann Jahr für Jahr spätestens vor Beginn der Champions League-Qualifikation freiwillig zum deutschen Schwesternclub abgegeben werden. Damit verzerrt man nämlich nicht nur den Wettbewerb, sondern - und das ist das wirklich Problematische - verbaut auch den tatsächlich ambitionierten Vereinen in Österreich (Rapid, Austria, Sturm) die Chance auf die Königsliga. Konsequenterweise sollte man Salzburg (laut Oscar Garcia mittlerweile ohnehin nur mehr „Liefering I“) eigentlich nur mehr außer Konkurrenz mitspielen lassen – natürlich eine eher unrealistische Forderung. Und doch: Wenn sich ein Club einer Liga offiziell dazu bekennt, nur mehr das Vehikel eines Vereines in einer anderen, größeren Liga zu sein, dann sollte man sich auch eingestehen, international nicht mehr als Vertreter im Sinne des österreichischen Fußballes agieren zu können. Es wäre also sehr wünschenswert, wenn die Bundesliga zumindest nicht ganz sorglos mit dieser Causa umgeht. Auch die UEFA wird sich der Problematik spätestens dann annehmen müssen, wenn beide RB-Vereine einmal gleichzeitig in internationalen Bewerben spielen.

Ralf Rangnick wird so jedenfalls langsam aber sicher nicht nur für eingefleischte Salzburg-Fans zur Reizfigur, sondern für alle, denen der österreichische Klubfußball irgendwie am Herzen liegt. Ob dies wirklich im Sinne von Dietrich Mateschitz und letztlich der Marke „Red Bull“ sein kann, ist fraglich.