EVP-Kandidat bringt sich in Position

Europawahl 2014: Juncker pocht auf Amt des EU-Kommissionspräsidenten

EU-Wahl. Juncker pocht auf Amt des EU-Kommissionspräsidenten

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Die Sozialdemokraten hatten nur in Rumänien (16:7), Dänemark (3:1) und Malta (3:2) die Nase vor den jeweiligen EVP-Parteien. Diese lagen in Deutschland (36:27), Frankreich (19:13), den Niederlanden (5:2), Griechenland (5:1), Tschechien (7:5), Ungarn (12:4), Bulgarien (7:4), der Slowakei (5:4), Finnland (4:2), Slowenien (5:1), Lettland (4:2) und Zypern (2:1) vorne. In Österreich sah es laut Hochrechnungen nach einem Patt (5:5) aus.

Die beiden großen Fraktionen im Europaparlament haben sich im Vorfeld der EU-Wahl informell darauf verständigt, dass der Spitzenkandidat der stärksten Fraktion neuer Kommissionspräsident werden soll. Das Vorschlagsrecht für den Posten liegt bei den EU-Staats- und Regierungschefs, doch muss der Chef der Brüsseler Behörde zwingend auch vom 751-köpfigen Europaparlament mit absoluter Mehrheit (376 Stimmen) gewählt werden.

Ergebnisse aus vier der sechs großen EU-Staaten (Großbritannien, Italien, Spanien, Polen) stehen noch aus. Gesamteuropäische Hochrechnungen sahen die EVP bei 229 Abgeordneten, die S&D bei 195 Sitzen.

Juncker trat bereits drei Stunden vor dem offiziellen Wahlschluss vor die Presse und pochte auf seine Nominierung zum EU-Kommissionspräsidenten. "Ansonsten ist diese Wahl ja keine richtige Wahl gewesen", sagte er in Brüssel. "Wenn die EVP die stärkste Kraft im Parlament wird, würde ich wohl davon ausgehen wollen, dass alle diejenigen, die erklärt haben, dass die Partei, die vorne liegt, das Vorschlagsrecht hat, dieses Prinzip auch beachten werden."

Schulz gab sich jedoch noch nicht geschlagen. "Wir liegen Kopf an Kopf", sagte er mit Blick auf das Abschneiden der beiden großen Parteienfamilien. "Ich bin zuversichtlich, dass wir eine Mehrheit für einen Kommissionspräsidenten Martin Schulz finden können", sagte der deutsche SPD-Politiker weiter. "Ich werde mich ab heute Abend auf diese Aufgabe konzentrieren, diese Mehrheit zu gewinnen."

Swoboda: "Zu früh"
Der Ausgang der Europawahlen ist nach Worten des Chefs der Sozialdemokraten im EU-Parlament, Hannes Swoboda noch offen. Es sei "zu früh", jetzt schon Ergebnisse zu verkünden, sagte Swoboda am Sonntagabend in einer ersten Reaktion gegenüber der APA. Swoboda wies vor allem Aussagen aus den Reihen der Konservativen zurück, wonach diese mindestens 20 Sitze vor den Sozialdemokraten liegen.

"Wenn ich so viel verlieren würde wie die EVP, würde ich nicht solche Jubelmeldungen verbreiten", sagte Swoboda. Auf jeden Fall würden die bisherigen Ergebnisse auf einen "starken Verlust" der EVP gegenüber dem derzeitigen Stand deuten. Selbst wenn die EVP vorne liege, hätte die sozialdemokratische S&D-Fraktion zur EVP aufgeschlossen. Man müsse aber noch auf Ergebnisse etwa aus Spanien und Frankreich warten.

Swoboda sagte, es sei nicht ausgeschlossen, dass der Spitzenkandidat der Sozialdemokraten, Martin Schulz, EU-Kommissionspräsident werde, wenn er eine Mehrheit im EU-Parlament bekomme. Die stärkste Fraktion sollte aber den Vorrang bei der Suche nach einer Mehrheit haben.

Schulz spekuliert offenbar darauf, von Linken, Grünen und möglicherweise auch den Liberalen im Europaparlament unterstützt zu werden. Der EU-Kommissionspräsident wird zwar von den Staats- und Regierungschefs vorgeschlagen, er muss aber von einer absoluten Mehrheit (376 von 751 Mandate) im Europaparlament gewählt werden.

Liberale vor den Grünen
Die Prognosen sahen Sonntag knapp nach 20.00 Uhr für die Liberalen 65 Mandate vor, die Grünen können mit 48 Sitzen rechnen. Der von den britischen Tories angeführten ECR (Europäische Konservative und Reformisten) werden 40 Abgeordnete zugewiesen, der EFD (Fraktion Europa der Freiheit und Demokratie) 35 Sitze, die GUE (Vereinigte Europäische Linke/Nordische Grüne) kommt demnach auf 48 Mandatare.

Von den keiner Fraktion zuzuordnenden Parteien können die eher linksgerichteten inklusive der Fünf-Sterne-Bewegung des Italieners Beppe Grillo mit 24 Abgeordneten rechnen. Die rechtspopulistischen und rechtsextremen Parteien würden gemeinsam auf 38 Sitze kommen. Weitere 29 Fraktionslose sind anderen Parteien zuzurechnen.

Nach Veröffentlichung von Exit-Polls aus knapp der Hälfte der 28 Mitgliedsstaaten waren die Sozialdemokraten nur in Malta und der Slowakei die stärkste Kraft. In Deutschland konnten die Sozialdemokraten aber mit ihrem Spitzenkandidaten Schulz deutlich auf 27,5 Prozent zulegen. Die Union von Bundeskanzlerin Angela Merkel verlor auf 36 Prozent der Stimmen, die Euro-kritische "Alternative für Deutschland" (AfD) schaffte auf Anhieb 6,5 Prozent. Wegen der Abschaffung der Sperrklausel kam erstmals auch die rechtsextreme Nationaldemokratische Partei (NPD) auf ein Mandat.

In Frankreich wurde die rechtsextreme Front National mit 25 Prozent der Stimmen erstmals landesweit stärkste Partei, die Sozialisten von Präsident Francois Hollande stürzten auf 14,7 Prozent ab. In Dänemark lag die rechtspopulistische Dänische Volkspartei (DF) mit 23,1 Prozent vorne. In Griechenland wurde die linksgerichtete Syriza laut Exit-Polls mit rund 30 Prozent stärkste Kraft, knapp vor den regierenden Konservativen. EVP-Schwesterparteien erreichten in Tschechien, Lettland, Zypern, Bulgarien, Slowenien, Finnland und Österreich den ersten Platz.

Schlecht sah es unterdessen für die von der FPÖ angepeilte neue Fraktion rechtsgerichteter Parteien aus. In der Slowakei verfehlte die als siebenter Partner für eine Fraktionsbildung erforderliche Slowakische Nationalpartei (SNS) laut Exit Polls den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde. In Belgien musste ein weiterer Partner für das Bündnis der Rechten - der rechtspopulistische Vlaams Belang - um den Verbleib im Europaparlament zittern.

(APA/Red.)