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Explosion in Beirut: Apokalypse und Hoffnung

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Die Kamera schwenkt durch eine verwüstete Wohnung, die Fenster sind zerborsten, Bilder liegen am Boden, die Terrasse ist voller Schutt und Asche. Nur ein Klavier scheint von der gewaltigen Explosion, die am Dienstag dieser Woche die libanesische Metropole Beirut erschüttert hat, unversehrt geblieben zu sein. Inmitten der Zerstörung beginnt eine ältere Dame auf dem Klavier zu spielen – als wäre alles noch in Ordnung. „Es ist ein Moment des Friedens“, meint die Schwiegertochter der 79-Jährigen, die das Video in den sozialen Medien veröffentlicht hat.

Es sind Bilder der Apokalypse – und eine Geschichte voller Hoffnung in einer Stadt, die einfach nicht zur Ruhe kommt. Bei der Detonation im Hafen von Beirut sind nach offiziellen Angaben mindestens 135 Menschen ums Leben gekommen, etwa 5000 weitere wurden verletzt (Stand Donnerstag) – nach Vermissten wird unter den Trümmern immer noch gesucht. Bis zu 250.000 Menschen sollen ihre Wohnungen verloren haben. Große Teile der Stadt sind zerstört.

Die Folgen für das Land, das in einer massiven wirtschaftlichen Krise steckt, sind kaum abzusehen – auch die Corona-Infektionen sind im Libanon in den vergangenen Wochen dramatisch angestiegen; wegen der Covid-19-Pandemie sind die Krankenhäuser schon an ihren Kapazitätsgrenzen. Wie also weitermachen? Wie wieder neu anfangen? Worin neuen Mut finden?

„Wir müssen weitermachen, wir können nicht aufhören“, erzählte ein Brautpaar der Nachrichtenagentur Reuters, nachdem die Braut unfreiwillig zur Hauptdarstellerin eines weiteren viralen Videos geworden war. Es ist kurz nach 18 Uhr an diesem schwarzen Dienstag, als Israa Seblani, eine 29-jährige Ärztin, die eigentlich in den USA lebt, im Zentrum Beiruts für Fotos posiert.

 

Es ist ihr Hochzeitstag und eine Kamera fängt die unwirkliche, hollywoodreife Szenerie ein, als die enorme Druckwelle den Hinterhof verwüstet. „Wir stehen immer noch unter Schock“, erzählt sie einen Tag später über die Katastrophe: „Mein Gesicht lächelte, meine Lippen lächelten, das war‘s. Dann gingen wir zum Abendessen.“ Sie selbst sei in all dem Leid dankbar, dass ihr Mann, sie selbst und der Kameramann unverletzt geblieben sind – und sie somit auch die Freude über die Hochzeit bewahren können. „Wir machen weiter.“

 

Alles wird gut.

Philip Dulle

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Philip Dulle
Philip Dulle

Philip Dulle

1983 in Kärnten geboren. Studium der Politikwissenschaft in Wien. Seit 2009 Redakteur bei profil. Hat ein Herz für Podcasts, Popkultur und Basketball.