EHEMALIGER ZENTRALBAHNHOF IN BELGRAD: Letzte Zuflucht für 1200 Asylsuchende

Flüchtlingselend auf der Balkanroute

Auf der Balkanroute spitzt sich die Lage zu: Flüchtlingsunterkünfte brennen, Proteste eskalieren und Tausende sitzen unter menschenunwürdigen Bedingungen fest.

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Das Thermometer in den leer stehenden Lagerhallen zeigt minus vier Grad, der Rauch der Lagerfeuer brennt in den Lungen. Rund 1200 Menschen haben ihr Lager in den Depots des alten Belgrader Zentralbahnhofs Glavna Železnička Stanica aufgeschlagen -ohne Wasser, Strom oder Sanitäranlagen und mit nur einer Mahlzeit alle 24 Stunden. Sie besteht aus zwei Scheiben Brot und einem kleinen Teller Suppe, den NGOs verteilen. Im März haben europäische Regierungen nicht zuletzt auf Drängen Österreichs die sogenannte Westbalkanroute geschlossen. Nun stecken Tausende Flüchtlinge auf serbischem Staatsgebiet fest. Neben den 1200, die in Bahnhofshallen ausharren, versorgt Serbien weitere 6500 Migranten in besser ausgestatteten staatlichen Notunterkünften, die von den lokalen Behörden bereitgestellt wurden. Sie alle wollen nicht zurück in eines der Länder, die sie auf ihrer Flucht passiert haben, dürfen aber auch nicht in andere Staaten weiterreisen.

Die serbische Regierung betrachtet viele der Gestrandeten als Wirtschaftsflüchtlinge. Von den 11.000 Asylanträgen, die sie im vergangenen Jahr annehmen musste, wurden lediglich 74 abgearbeitet - und nur 57 davon positiv.

Auseinandersetzungen in Bulgarien

Während die Lage in Serbien trist, aber ruhig ist, spitzt sie sich anderswo an der Balkanroute mehr und mehr zu. In der Nacht zum Freitag kam es im bulgarischen Lager Harmanli zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Flüchtlingen und der Polizei. Der Grund dafür dürfte unter anderem ein kürzlich verhängtes Verbot gewesen sein, das Camp zu verlassen. In Bulgarien, dem ärmsten Mitgliedsstaat der EU, halten sich gegenwärtig rund 13.000 vorwiegend afghanische Flüchtlinge auf.

Auf der griechischen Insel Lesbos wiederum fackelten Asylwerber ihre Unterkünfte im Camp Moria ab. Zuvor waren bei der Explosion einer Gasflasche eine 66-jährige Frau und ein sechsjähriges Kind ums Leben gekommen, drei weitere Menschen wurden schwer verletzt.

Moria ist für 3500 Insassen ausgelegt, derzeit sind aber 5000 Menschen dort untergebracht. Insgesamt befinden sich in Griechenland momentan rund 50.000 Flüchtlinge, die auf eine Weiterreise nach Mitteleuropa warten.

Inzwischen hat das Problem zusätzliche politische Brisanz bekommen. Als Reaktion auf die Forderung des EU-Parlaments, die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei einzufrieren, drohte Präsident Recep Tayyip Erdoğan damit, das Flüchtlingsabkommen mit Europa aufzukündigen und die Grenze wieder zu öffnen.