Friedensnobelpreis 2014

Friedensnobelpreis 2014: Papst Franziskus und Edward Snowden unter Favoriten

Aktuell. Papst Franziskus, Edward Snowden und Helmut Kohl unter Favoriten

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Das norwegische Nobelkomitee verkündet am Freitag (11.00 Uhr) in Oslo den Preisträger des Friedensnobelpreises 2014. Für die prestigeträchtige Auszeichnung wurden in diesem Jahr 278 Kandidaten vorgeschlagen - ein neuer Rekord. Unter den Nominierten sind der US-Whistleblower Edward Snowden, die Kinderrechtsaktivistin Malala Yousafzai, Papst Franziskus und der deutsche Altkanzler Helmut Kohl.

Mit der Verkündung geht die Woche der Nobelpreise zu Ende. Seit Montag hatten Jurys in Stockholm Preisträgern Auszeichnungen in Medizin, Physik, Chemie und Literatur zugesprochen. Alle Preise sind mit jeweils acht Millionen schwedischen Kronen (rund 876.000 Euro) dotiert.

Friedensnobelpreis mit Kandidaten-Rekord
Nach diesem Nobelpreis räumt Geir Lundestad seinen Stuhl. Ein Vierteljahrhundert lang hat der Historiker als Sekretär des norwegischen Komitees über die Kandidatenliste für den Friedensnobelpreis gewacht. Dabei musste er mit seiner väterlichen, mal auch schlitzohrigen Art nicht nur einen Aufschrei des Empörens weglächeln.

Egal, ob bei dem ersten Preis nach seinem Amtsantritt - an Michail Gorbatschow - oder denen an Obama oder die EU: Viele Entscheidungen in Lundestads Zeit waren höchst umstritten. So ist auch die Liste, die dieses Jahr, kurz vor seinem Ruhestand, auf dem Schreibtisch des 69-Jährigen landete, noch ein letztes Mal voller kontroverser Namen.

Und sie ist länger als je zuvor. Den alten Rekord von 2013 bricht die Liste mit 278 Nominierten - von Promis über Exoten und bis zu ewigen Favoriten - locker. "Das Interesse am Preis ist enorm gewachsen", sagt Lundestad. Als Martin Luther King den Preis vor genau 50 Jahren bekam, musste er sich nur gegen 43 andere Kandidaten durchsetzen.

25 Jahre nach dem Mauerfall ist Lundestads letzter Preis auch eine weitere Chance für den deutschen Altkanzler Helmut Kohl, den Friedensnobelpreis zu bekommen. Konkurrenz bekommt er unter anderem von Papst Franziskus, der 17-jährigen Kinderrechtsaktivistin Malala Yousafzai und dem US-Whistleblower Edward Snowden.

"Snowden ist umstritten, aber ein sehr interessanter Kandidat", sagt Kristian Berg Harpviken, Direktor des Osloer Friedensforschungsinstituts Prio. Im Gegensatz zu Julian Assange oder Chelsea Manning, deren Namen auch als Preis-Anwärter im Umlauf sind, habe er sich verantwortungsbewusst und reflektiert gezeigt.

Als Edward Snowden im September mit dem Alternativen Nobelpreis geehrt wurde, löste das in Schweden ein geteiltes Echo aus. Während Öffentlichkeit und Medien überwiegend jubelten, verbannte Schwedens Außenminister Carl Bildt die Bekanntgabe der Preisträger aus den Räumen seines Ministeriums. Auch für das Nobelkomitee könnte einiges gegen Snowden sprechen: "Er wird von seiner Regierung offiziell als Verräter gesucht, und sucht Schutz in Russland - bei einer Regierung, die heute noch umstrittener ist als damals", sagt Berg Harpviken.

"Kontroversen sind ja nicht unbedingt etwas Schlechtes", sagt Lundestad, der als Sekretär des Komitees aus fünf norwegischen Parlamentsabgeordneten Kandidaten vorschlagen, aber nicht mit abstimmen darf. "Einige unserer erfolgreichsten Preise waren ausgesprochen kontrovers" - darunter der vielleicht wichtigste an den Pazifisten Carl von Ossietzky 1936. "Hitler war rasend vor Zorn", sagt Lundestad.

In seinen 25 Jahren als Nobel-Manager hat Lundestad Veränderungen angestoßen und fortgeführt, Frieden dabei auch neu interpretiert. Erstmals vergab die Jury Preise für Umweltschutz - 2004 an die Kenianerin Wangari Maathai, 2007 an Al Gore und den Weltklimarat. Der Nobelpreis wurde noch mehr zu einer weltweiten Auszeichnung. "Der Preis ist zu lange ein Preis der Amerikaner und Europäer gewesen", sagt der Nobel-Direktor. Und der Männer: Erst 15 Mal wurden seit 1901 Frauen geehrt. Acht der Preise fallen in Lundestads Amtszeit.

2013 hatte es ganz danach ausgesehen, als könnte eine neunte Frau zum Kreis der Nobelpreisträger zählen - vielmehr ein Mädchen. Die damals 16-jährige Malala, die in ihrer Heimat Pakistan für das Recht von Kindern auf Bildung kämpft, war große Favoritin - und steht auch 2014 bei den Buchmachern oben. "Sie hat gezeigt, dass sie reif genug ist, für ihre Sache weltweit effektiv einzustehen", sagt Berg Harpviken.

Zocker wetten auch auf den kongolesischen Gynäkologen Denis Mukwege, Agrarwissenschaftler Yuan Longping aus China und UN-Generalsekretär Ban-Ki Moon. Außerdem hoch im Kurs: Papst Franziskus. Weil er auf Ungleichheit und deren Einfluss auf die Menschenwürde und Konflikte aufmerksam gemacht habe, schien er zunächst ein würdiger Kandidat, meint Berg Harpviken. 2014 seien Initiativen aber ausgeblieben. "Dass er Nobelpreisträger wird, halte ich deshalb für unwahrscheinlich."

Der Forscher tippt dagegen auf einen Preis für die kremlkritische Zeitung "Nowaja Gaseta" oder die Organisation der Lesben, Gays, Bi-und Transsexuellen. Nur hatte das Nobelkomitee zuletzt erst mit der EU und den Chemiewaffenvernichtern der OPCW Organisationen geehrt. Nach Proporz könnten diesmal wieder Personen dran sein.

Ian Anthony, Direktor des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri, hält Auszeichnungen für Organisationen wie die OPCW aber für das richtige Signal: "Wir brauchen mehr ernsthafte multilaterale Zusammenarbeit", sagt er dpa. Darauf habe der Preis 2013 hingewiesen. "Ich denke, es wäre am interessantesten, das Signal vom letzten Jahr zu bestätigen." Preis-Anwärter, die das Komitee in Betracht ziehen könnte, wären etwa die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) oder die Internationale Organisation für Migration (IOM).

Lundestad wird dieser letzte Preis seiner Nobel-Laufbahn besonders im Gedächtnis bleiben. Mit welchem Coup das Komitee unter seiner Führung die Welt überrascht, zeigt sich heute. Und was macht der Nobel-Direktor dann? "Ich will zwei Bücher schreiben." Eins über seine Zeit beim Komitee, erzählt er vergnügt, "und ein langweiligeres über die ganze Geschichte des Nobelpreises".

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Mit dem Friedensnobelpreis wurden schon der Dalai Lama (1989) und der südafrikanische Vorkämpfer gegen die Apartheid, Nelson Mandela (1993), geehrt. Die Preisträger der vergangenen Jahre:

2013: Die Organisation für das Verbot von Chemiewaffen - für den Einsatz gegen die weltweit geächteten Massenvernichtungswaffen.

2012: Die Europäische Union - für ihren 60 Jahre währenden Beitrag für Frieden, Demokratie und Menschenrechte in Europa.

2011: Ellen Johnson-Sirleaf und Leymah Gbowee (beide Liberia) sowie Tawakkul Karman (Jemen) - für den gewaltfreien Kampf zur Stärkung der Rechte von Frauen.

2010: Der Menschenrechtler Liu Xiaobo (China) - wegen seines langen und gewaltfreien Kampfes für die Menschenrechte in seiner Heimat.

2009: US-Präsident Barack Obama - für seinen Einsatz zur Stärkung der internationalen Diplomatie und der Kooperation zwischen den Völkern.

2008: Finnlands Ex-Präsident Martti Ahtisaari - für seine Vermittlung in Kriegen und Konflikten.

2007: Ex-US-Vizepräsident Al Gore und der UN-Klimarat - für ihren Beitrag zur Mobilisierung gegen eine drohende Klimakatastrophe.

2006: Der Wirtschaftsfachmann Muhammad Yunus (Bangladesch) und die von ihm gegründete Grameen Bank - für die Idee, Kleinstkredite an Arme zu vergeben.

2005: Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) und ihr Chef Mohammed el Baradei - für ihren Kampf gegen die Verbreitung von Atomwaffen.

2004: Die Umweltaktivistin Wangari Maathai (Kenia) - für ihr Engagement für eine nachhaltige Umweltentwicklung sowie Demokratie und Frieden.

2003: Die Menschenrechtlerin Shirin Ebadi (Iran) - für ihren Einsatz für Kinder- und Frauenrechte sowie politische Dissidenten.

(APA/Red.)