Los Angelexit

Separatisten kämpfen für eine unabhängige Republik Kalifornien

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Bis vor wenigen Wochen lebte es sich als kalifornischer Separatist sehr, sehr einsam. Wer Nachbarn oder Arbeitskollegen von den Vorzügen einer autonomen, von den USA unabhängigen Republik an der Westküste überzeugen wollte, erntete verwundertes Naserümpfen oder mitleidvolle Blicke. Von den meisten wurde die Idee einer Abspaltung des Bundesstaats als Spinnerei abgetan.

Seit Donald Trump am 8. November die Wahl gewonnen hat, ist das anders. Derzeit ist der designierte Präsident damit beschäftigt, ein Regierungsteam aus konservativen Hardlinern, rechtsextremen Obskuranten und milliardenschweren Unternehmern zusammenzustellen. Schon bald wird er mit ihnen die Geschicke des Landes bestimmen und seine teils wahnwitzigen Versprechungen in die Tat umsetzen können.

Niemand wird sich öffentlich für euer Anliegen aussprechen, keiner nimmt euch ernst, ihr werdet nie eine Grassroots-Bewegung zusammen bekommen. (Marcus Evans)

Im Lichte dessen ist unter den Sezessionisten in Kalifornien Euphorie ausgebrochen. Ihre Anhängerzahl auf Twitter, Facebook und die Zugriffe auf ihre Online-Auftritte steigen, das Spendenkonto wächst, Reporter aus der ganzen Welt rufen an und interessieren sich für die ehemals maximal als wunderliche Käuze angesehenen Aktivisten.

Und so klingt heute ein wenig Genugtuung bei Marcus Evans, dem Vizepräsident der vor gut zwei Jahren gegründeten Unabhängigkeitsbewegung Yes California, durch: "Uns wurde immer gesagt: Die Medien werden euch nicht zuhören, niemand wird sich öffentlich für euer Anliegen aussprechen, keiner nimmt euch ernst, ihr werdet nie eine Grassroots-Bewegung zusammenbekommen und auch keine Finanzierung. Das alles hat sich als unrichtig erwiesen“, sagt der junge Mann aus Fresno.

Vergangene Woche hat der Kalifornier, aufgrund des aktuellen Rückenwinds ein Jahr früher als geplant, ein Austritts-Volksbegehren initiiert. Er kann bereits auf 13.000 Unterstützer zählen, die behilflich sein wollen, die dafür notwendigen 500.000 Unterschriften zu sammeln.

Knackt Yes California diese Marke, stimmt der Bundesstaat 2018 darüber ab, ob Artikel III der kalifornischen Verfassung ("Kalifornien ist ein untrennbarer Teil der Vereinigten Staaten von Amerika und die Verfassung der Vereinigten Staaten ist das oberste Gesetz des Landes“) gestrichen und gleichzeitig ein Unabhängigkeitsreferendum für März 2019 angesetzt wird. Bei diesem wiederum müssten dann 50 Prozent der registrierten Wähler teilnehmen und 55 Prozent dafür stimmen, dass "Kalifornien ein freies, souveränes und unabhängiges Land“ wird.

Die Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs ist freilich äußert gering, zumal die US-Verfassung keine einseitige Abspaltung von Bundesstaaten vorsieht und so eine - in der Praxis eigentlich undenkbare - Änderung der US-Verfassung notwendig wäre. Yes California will sich aber mit einem Kniff behelfen und nach einem Ja-Votum direkt bei den UN um die Anerkennung als Staat ansuchen.

Evans und seine steigende Zahl an Mitstreitern sind von der Notwendigkeit eines "Calexits“ überzeugt. Prinzipiell reicht ein Blick auf den diesjährigen Wahltag, um zu sehen, dass Kalifornien anders ist. Während der Rest des Landes einen Rechtsruck erlebte, stimmten 61,5 Prozent der Kalifornier für die Demokratin Hillary Clinton. Gleichzeitig wählten die Kalifornier mit Kamala Harris die erste indisch-amerikanische Frau in den US-Senat. Sie bestätigten demokratische Mehrheiten auf Bundesstaatsebene, stimmten für die Legalisierung von Marihuana, höhere Steuern auf Zigaretten, Einkommenssteuer für Reiche und die Abschaffung von Einweg-Plastiksackerln.

Die Unabhängigkeitsbewegung muss eine Bewegung von Kaliforniern für Kalifornier sein. (Jed Wheeler)

Evans argumentiert auch monetär: Kalifornien zahle jährlich zwischen 15 und 32 Milliarden Dollar mehr in das Bundesbudget ein als der Staat aus D.C. zurückbekomme. Der Golden State bewahre zig andere Bundesstaaten vor der Pleite, während die eigene Infrastruktur zu einer der schlechtesten im gesamten Land zähle. Der 40-Millionen-Einwohner-Bundesstaat, der mit einem Bruttoinlandsprodukt von 2,46 Billionen Dollar die sechstgrößte Wirtschaft der Welt darstellt, käme - samt Silicon Valley, Hollywood und der massiven Agrarindustrie - bestens alleine zurecht.

Aber Evans beklagt nicht nur die Rolle als Nettozahler, auch fehlende Wertschätzung vonseiten seiner Landsleute im Rest der Vereinigten Staaten: "Sie hassen uns und machen sich über uns lustig.“ In der Tat sind die gängigen Vorurteile gegenüber den liberalen Kaliforniern wenig schmeichelhaft: Sie seien oberflächlich, nicht sonderlich schlau, Hippies, und ja - reich.

Doch ausgerechnet jetzt, da es Unterstützung für die Sezessionsbewegung gibt, kämpfen die Aktivisten mit unerwarteten Schwierigkeiten. Louis Marinelli, Präsident von Yes California und lange die treibende Kraft hinter den Unabhängigkeitsbestrebungen, wird sein Faible für Russland vorgeworfen. Er hat seinen Wohnsitz dorthin verlegt, seit er im September an einer vom Kreml gesponserten Konferenz von sezessionistischen Bewegungen teilnahm. Nun will er eine kalifornische Botschaft in Moskau eröffnen - mit dem Ziel, für die Anerkennung der "Republik Kalifornien“ Unterstützung von der UN-Vetomacht Russland zu bekommen.

Bei der California National Party (CNP), die als politischer Flügel von Yes California gegründet wurde und ebenfalls die Unabhängigkeit Kaliforniens propagiert, schrillen nun die Alarmglocken. Hinter beiden Organisationen stehen die gleichen acht Gründungsmitglieder, doch sie haben sich im Sommer mit Marinelli, "der in einem Fantasieland lebt“, überworfen.

"Die Unabhängigkeitsbewegung muss eine Bewegung von Kaliforniern für Kalifornier sein“, sagt Jed Wheeler, Generalsekretär der CNP: "Es soll nicht etwas sein, das betrieben wird, um die geopolitische Agenda einer anderen Nation voranzutreiben. Wir haben kein Interesse daran, Russland zu helfen, indem wir die USA spalten.“