Martin Staudinger

Martin Staudinger Larissa, fern vom Dschungelcamp

Kommentar. Larissa, fern vom Dschungelcamp

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Seit Montag vergangener Woche ist ein sechs Mann starkes Vorkommando des österreichischen Bundesheeres in schwieriger Mission unterwegs: „Etablierung des OHQ für Eufor CAR“ lautet sein Auftrag in der kryptischen Kürzelsprache der Militärs. Übersetzt heißt das: Die sechs sollen sich an der Einrichtung des Operativen Hauptquartiers (OHQ) für eine Intervention von EU-Truppen (Eufor) in der Zentralafrikanischen Republik (CAR) beteiligen.

Dort herrschen seit Monaten blutige Auseinandersetzungen, die immer mehr zum Religionskrieg eskalieren: Muslimische und christliche Milizen liefern einander bewaffnete Kämpfe, massakrieren aber auch unbewaffnete Angehörige der jeweils anderen Religionsgemeinschaft. Mehr als tausend Menschen sind bereits ums Leben gekommen, über eine Million auf der Flucht. Die Afrikanische Union hat inzwischen an die 5000 Soldaten in das Land entsandt, die ehemalige Kolonialmacht Frankreich 1600. Jetzt will die EU zusätzliche Truppen schicken, um noch Schlimmeres zu verhindern. „Mit der raschen Entsendung … kommt AUT seinen Verpflichtungen gegenüber der internationalen Staatengemeinschaft nach und demonstriert sichtbar seine Solidarität“, heißt es im Marschbefehl des Vorkommandos unter der Rubrik „Reisezweck“.

Die Österreicher mussten sich zunächst in die Stadt Larissa durchschlagen, wo das OHQ Eufor CAR aufgebaut wird: 130.000 Einwohner, die zwischen Ruinen leben; kein funktionierender Flughafen; gelegen in einem Tal-kessel mit extremen Klimaverhältnissen – bis zu 45 Grad im Sommer, im Winter schneidend kalt. Hier müssen sie bis auf Weiteres ausharren. Sorgen braucht man sich um die sechs trotzdem nicht zu machen: Es gibt kein Dschungelcamp in Larissa.

Die Stadt befindet sich nämlich in Griechenland, 4000 Kilometer Luftlinie von der Zentralafrikanischen Republik und ihrer Hauptstadt Bangui entfernt. Und es ist vorerst auch gar nicht geplant, dass die Bundesheersoldaten in das eigentliche Krisengebiet reisen. „Dienstverrichtung in CAR bzw. außerhalb GRC (Griechenland, Anm.) zur Erkundung nicht möglich“, hält ihr Marschbefehl ausdrücklich fest.
Kurz gesagt: Von Massakern droht den Österreichern keine nennenswerte Gefahr. Allenfalls vom Moussaka. Und die Ruinen von Larissa, das antike Amphitheater beispielsweise, sind durchaus sehenswert.

Jetzt könnte man sagen, dass das wieder einmal so richtig clever eingefädelt wurde. Niemand kann behaupten, Österreich habe sich gedrückt. Gleichzeitig ist absolut kein Risiko in Kauf zu nehmen. Und das Beste kommt noch: Es kostet auch nicht viel.

Gelernt ist eben gelernt. Derzeit beteiligt sich Österreich an insgesamt 14 Auslandseinsätzen. Bei elf davon umfassen die Kontingente weniger als zehn Mann. Eufor CAR fällt ebenfalls in diese Kategorie. Nach Informationen von profil wird es bei den sechs bereits jetzt nach Griechenland abkommandierten Soldaten bleiben, wobei selbst sie letztlich nur dort sind, weil sich Österreich schon vor Jahren verpflichtet hat, bei Bedarf Personal für die Hauptquartiere von EU-Einsätzen abzustellen. Afrika? Klarerweise sei es notwendig, sich dort zu engagieren, murmelt man im Verteidigungsministerium – aber alles mit der Ruhe, bitteschön. Bevor in größerem Stil daran zu denken sei, müsse sich das Bundesheer erst gewissenhaft vorbereiten, und das brauche sicher mehr als ein paar Monate. Lieber stockt Österreich seine Truppen im Kosovo auf.

So viel Umsicht in Ehren: Aber eine echte Krise gibt es nicht auf dem Balkan, sondern in Zentralafrika – und auch nicht erst in ein oder zwei Jahren, sondern gerade jetzt. Und es wäre aus mehreren Gründen sinnvoll, sich mit mehr als ein paar Zählkandidaten im sicheren Hinterland an einer EU-Intervention dort zu beteiligen.

Zunächst hat die Mission Eufor CAR überschaubare Ziele: Die Sicherung 1) des Flughafens sowie 2) des Stadtgebietes von Bangui und 3) der wichtigsten Verbindungsroute ins Nachbarland Kamerun, um Hilfstransporte zu ermöglichen. Punkt eins ist bereits komplett abgehakt, Punkt zwei zumindest ansatzweise, Punkt drei sollen afrikanische und französische Truppen erledigen, sobald sie ihre Aufgaben am Flughafen und in der Stadt an die EU-Verstärkung übergeben können.

Dass eine Teilnahme strategische Vorteile bringt, wenn Österreich bei der Afrika-Politik der EU mitreden möchte, versteht sich von selbst. Ebenso, dass es moralisch vermessen ist, einfach die Grenzen für Flüchtlinge dicht zu machen, ohne sich auch nur ansatzweise für die Verbesserung der Situation in ihren Heimatländern einzusetzen. Und militärisch gesehen lässt sich in Zentralafrika für die Problemfelder der Gegenwart lernen, statt wie auf dem Balkan nur einen Konflikt der Vergangenheit zu verwalten.

Aber all das spielt keine Rolle. Diesen Dienstag werden Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) und Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) nach dem Ministerrat die „Ausweitung“ der österreichischen Auslandseinsätze bekanntgeben – falls nicht (denn auch das war im Gespräch) dringliche Kundmachungen zum Thema Gratis-Zahnspange anstehen.

Wobei: Vielleicht sind im Bereich Kieferorthopädie wirklich die substanzielleren Neuigkeiten zu erwarten.

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