Ungarn-Wahl: Resignation und Schadensbegrenzung am Tag danach

Philosoph: "Zusammenbruch der Zivilisation".

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Der ungarische Premier Viktor Orban und seine rechtskonservative Fidesz-Partei sind am Sonntag bei den Parlamentswahlen widerstandlos zum Sieg gestürmt. Während Orban sich feiern ließ, traten Chefs von Oppositionsparteien nach der Wahlschlappe reihenweise zurück.

Diese seien wegen "Verrätern und eigener Dummheit" unterlegen, kritisierte der parteilose Bürgermeister der südostungarischen Stadt Hodmezövasarhely, Peter Marki-Zay. Er hatte diesen Posten bei einer Lokalwahl im Februar mit Unterstützung der ganzen örtlichen Opposition überraschend gegen den Fidesz-Kandidaten gewonnen.

Da sich die Opposition bei den Wahlen selber "abgewählt" habe, will der weltanschaulich christlich-konservative Marki-Zay eine neue Bewegung ins Leben rufen. In Ungarn gebe es eine sehr hohe Anzahl von "unabhängigen Menschen, die sich der Demokratie verschrieben haben", die in dieser Bewegung vereint werden sollen. Dabei gehe es keineswegs um eine ideologische Vereinigung.

Was genau bei den Parlamentswahlen am Sonntag geschah, wird wohl noch lange analysiert werden. Denn selbst regierungsnahe Meinungsforscher hatten die Beliebtheit von Fidesz unterschätzt und eine Zwei-Drittel-Mehrheit quasi ausgeschlossen. Während Orban seinen Sieg einfuhr, hörten linke, liberale Parteien bis auf Budapest im ganzen Land "auf zu existieren", konstatierte das Internetportal "Merce.hu".

Schadensbegrenzung bei Oppositionsparteien

Bei Oppositionsparteien ist Schadensbegrenzung angesagt. "Hätten wir uns früher über einen Wahlzusammenschluss geeinigt, hätten wir besser abschneiden können, erklärte Peter Juhasz, der inzwischen zurückgetretene Chef der Kleinpartei "Együtt" (Gemeinsam). Oppositionsparteien hätten nicht mit Fidesz, sondern mit dem Staat gekämpft, würden sich einer Übermacht gegenüber sehen, die nicht kompensiert werden könne.

Orban werde nach seinem Sieg "um sich schlagen", behauptete Gaspar Miklos Tamas. Der prominente Philosoph und Publizist bezeichnete den Wahlsieg von Orban als "Tragödie". Jetzt laute die Frage, "mit was für einem Staat wir in Zukunft rechnen müssen, wobei uns hier die grauenvollsten Dinge vorschweben". Der Philosoph erinnerte an die Massenflucht von ungarischen Arbeitskräften ins Ausland, die sich fortsetzen werde. Hinsichtlich des Fidesz-Sieges gehe es "nicht nur um eine politische Niederlage der Opposition, sondern um den Zusammenbruch der Zivilisation". Die Mehrheit der Wähler hätten "für eine Politik, Mentalität, Kultur gestimmt, die all das einfach von der Landkarte fegen wird, was wir als ungarische Kultur, Tradition, Zivilisation bezeichnen".

Mit seinem Sieg kann Orban seinen harten Kurs fortsetzen, den Druck auf die Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und unabhängige Medien weiter erhöhen, die Verfassung nach Gutdünken umschreiben und seinen "Freiheitskampf" gegen Brüssel weiterführen. Auch die von der EU kritisierte Gesetzvorlage "Stop-Soros" kann Orban nun mit seiner neuen Zwei-Drittel-Mehrheit durch das Parlament peitschen. Der Gesetzentwurf zielt auf Nichtregierungsorganisationen, die aus dem Ausland finanziert werden, und richtet sich namentlich gegen den aus Ungarn stammenden US-Milliardär George Soros, der mit seinen Stiftungen auch mehrere ungarische Bürgerrechtsorganisationen unterstützt. Soros wird laut Beobachtern auch weiterhin der Staatsfeind Nummer Eins von Orban bleiben, der diesen beschuldigt, eine "Masseneinwanderung" in die EU zu betreiben.

Der jetzige Sieg ist bisher der größte von Fidesz

"Der jetzige Sieg ist bisher der größte von Fidesz", erklärte der Politologe Gabor Török in seinem Blog. Denn trotz der hohen Wahlbeteiligung, die eigentlich die Opposition begünstigt, konnte Fidesz mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit gewinnen. Die Opposition wiederum treffe die volle Kritik der Wähler, die einen Regierungswechsel wollten und nun nach Verantwortlichen suchten. Der regierungsnahe Politologe Zoltan Kiszelly meinte, die Rücktritte der Chefs von Oppositionsparteien würden nicht ausreichen, sondern diese müssten auch im Interesse eines Neubeginns ihre Parlamentsmandate zurückgeben.

Eine Gratulation erhielt Orban hingegen von den ungarischen Kommunisten. Der langjährige Chef der seit Jahrzehnten aktiven, aber nie im Parlament vertretenen Munkaspart (Arbeiterpartei), Gyula Thürmer, gratulierte Orban zum Wahlsieg und lobte die Fidesz-Regierung als Garant der "innenpolitischen Stabilität". Der Migrationspolitik von Orban würden die Kommunisten in vollem Maß zustimmen.

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