Papst Franziskus: Hat er gehalten, was sich viele von ihm versprochen haben?

Ist Papst Franziskus ein guter oder böser Papst?

Franziskus sollte der Reformator werden, nach dem sich viele moderne Katholiken lange gesehnt hatten. Doch auch dem 81-jährigen Argentinier sitzt ein Engelchen auf der einen und ein Teufelchen auf der anderen Schulter.

Drucken

Schriftgröße

Als vor fünf Jahren weißer Rauch aufstieg, galt er rasch als der große Hoffnungsträger: Jorge Bergoglio, neu gewählter Papst, der sich den Namen Franziskus gab. Er sollte die verstaubte katholische Kirche zumindest ein kleines Stück weit in die Moderne holen. Doch der Argentinier hat so seine Probleme: Nicht nur, dass die Reformen ins Stocken geraten sind. Nun wird ihm vorgeworfen, Missbrauchsvorwürfe gegen den Washingtoner Erzbischof Theodore McCarrick unter den Teppich gekehrt zu haben und Homosexualität in allerschlechtester Tradition als Krankheit zu klassifizieren.

profil stellt die Frage: Guter Papst oder böser Papst?

1) Franziskus und die Pädophilie

Guter Papst Am 13. März 2013 verkündete der frischgewählte Papst Franziskus, dass der Kampf gegen Kindesmissbrauch in den Reihen der Kirchen ganz oben auf seiner Agenda stehen würde. Er erließ Dekrete, kündigte Kontrollen im Klerus an, versprach eine enge Zusammenarbeit mit der weltlichen Justiz zur Aufdeckung und Bestrafung pädophiler Geistlicher. Er verkündete „null Toleranz“ und veröffentlichte 2016 ein „motu proprio“, ein Papstschreiben, dass die Absetzung von Bischöfen, die sich der Pädophilie schuldig machen oder pädophile Kollegen decken, vorsieht. 2014 berief er eine Kommission zum Schutz Minderjähriger ein. Zu deren Mitgliedern gehörten auch Laien, die als Minderjährige von Geistlichen missbraucht wurden – wie etwa die Irin Marie Collins, die seit Jahren für Aufklärung kämpft.

Böser Papst Marie Collins verließ die Pädophiliekommission nach drei Jahren wieder. Der Grund: ständige Versuche durch geistliche Kommissionsmitglieder, konkrete Entscheidungen in eine ferne Zukunft zu verlegen. Das am 26. August bekannt gewordene Dossier des Ex-Nuntius Carlo Maria Viganò scheint mit Namen, Daten und anderen Hintergründen zu belegen, dass auch unter Papst Franziskus keine durchgreifenden Maßnahmen zur Aufdeckung pädophiler Umtriebe durch Geistliche beschlossen wurden. Eine von Viganò und vielen Gläubigen geforderte Kommission, die pädophile Geistliche umgehend aus dem Kirchenamt entfernen soll, wird es nicht geben. Das sagte Franziskus selbst vor Kurzem.

2) Franziskus und die Homosexualität

Guter Papst Im Sommer 2013 fragte ein Journalist den Papst, was er vom Schwulsein eines seiner Mitarbeiter (Monsignore Battista Rocca, Direktor der Residenza Santa Marta, in der der Papst wohnt) halte. Franziskus antwortete: „Wenn eine Person schwul ist und den Herrn mit ganzem Willen sucht, wer bin ich, um über ihn zu richten?“ Zum ersten Mal zeigte sich ein Papst offen gegenüber Mitarbeitern, die offen schwul sind. Er legte auch kein Veto ein, das Thema Homosexualität während der Familiensynode 2014/2015 zu besprechen. Schwule und lesbische Menschen in der Kirche hegten die Hoffnung, als gleichberechtigt anerkannt zu werden.

Böser Papst Am 26. August 2018 bekamen diese Hoffnungen einen mächtigen Dämpfer. Da sagte Franziskus zu einem Journalisten, es könne notwendig sein, „einen Psychiater aufzusuchen, wenn ein Kind besorgniserregende Verhaltensweisen“ zeige. In der Kindheit, so der Papst, könne die Psychiatrie viel erreichen. Das klang nach Josef Ratzinger (Benedikt XVI.) und Karol Wojtyla (Johannes Paul II.). Und: Franziskus unterscheidet, wie auch seine ganz und gar nicht reformfreudigen Vorgänger, immer noch zwischen homosexuellen Neigungen, die nicht sündhaft sind, und homosexuellem Verhalten, das es unter allen Umständen zu vermeiden gelte.

3) Franziskus und die Frauen

Guter Papst „Die Kirche ist weiblich“, erklärte Franziskus seit seinem Amtsantritt im Jahr 2013 mehrfach in öffentlichen Ansprachen. Er berief weibliche Laien in verschiedene vatikanische Kommissionen. Die Papstzeitung „Osservatore Romano“ erhielt eine Frauenbeilage mit einer feministischen Journalistin als Chefredakteurin. Eine Papstkommission untersucht die historische Rolle weiblicher Diakone in der Frühkirche, mit dem Ziel, ein weibliches Diakonat einzuführen.

Böser Papst Die Papstkommission arbeitet nur langsam. Die weiblichen Mitglieder bemängeln den Widerstand durch frauenfeindliche Bischöfe. Lucetta Scaraffia, leitende Redakteurin der Frauenbeilage „Donna Chiesa Mondo“ der Papstzeitung „Osservatore Romano“, wird nicht müde anzuklagen, dass in wichtigen Ressorts, Kongregationen, Kommissionen etc. im Vatikan nie Frauen anwesend oder für wichtige Posten zuständig seien. Selbst Ordensfrauen im Vatikan sprechen von einer weiblichen Feigenblattpolitik des Papstes.

4) Franziskus und die Finanzen

Guter Papst In seinem Papstschreiben „Evangelii gaudium“ (2013) fand er klare Worte: „Das Geld soll dienen und nicht regieren.“ Mithilfe von kirchlichen Laien wie dem deutschen Bankier Ernst von Freyberg ließ Franziskus sämtliche Konten der undurchsichtigen Vatikanbank IOR kontrollieren und warf jene „Kunden“ raus, die das Institut für krumme Finanztouren nutzten – darunter für internationale Geldwäsche. Auch bei der APSA, der Verwaltung für das Patrimonium des Heiligen Stuhls, die Tausende von Immobilien im Wert von geschätzten zwei bis vier Milliarden Euro besitzen soll, kündigte Franziskus Reformen an: Sie wurde von zahlreichen Spitzenbischöfen und Kardinälen immer wieder genutzt, um etwa Luxuswohnungen zu Spottpreisen zu vergeben.

Böser Papst Wie italienische Enthüllungsjournalisten aufdeckten, landen immer wieder Dossiers auf dem Schreibtisch des Papstes. Sie dürften ihm zeigen, dass noch immer illegale Geldgeschäfte getätigt werden. Das schrieb zuletzt die Zeitschrift „MicroMega“ unter dem Titel: „Die falsche Revolution von Papst Franziskus“. Die Kleriker sollen laut Kritikern nun alle finanzpolitischen Entscheidungen des Vatikans treffen. Laienexperten arbeiten heute so gut wie gar nicht mehr für die Vatikanbank IOR. Das Projekt einer einzigen Finanz- und Immobilienzentrale des Vatikans, die von einem internen Gremium kontrolliert wird, ist bislang nicht Realität. Entworfen hatte es Kardinal George Pell – der steht übrigens gerade in Australien wegen pädophiler Übergriffe vor Gericht.

5) Franziskus und die Eucharistie

Guter Papst Mit der Familiensynode vor etwas mehr als vier Jahren wollte Franziskus endlich heikle Themen ansprechen, die Katholiken beschäftigen: zum Beispiel die Teilnahme geschiedener und wiederverheirateter Katholiken an der Eucharistie. Auch der Wiener Kardinal Christoph Schönborn begrüßte diese Öffnung des Papstes, die Tausende von Gläubigen betreffen sollte. Die auch für Laien verständlichen Worte des in seinem Inhalt fast schon revolutionären apostolischen Schreibens „Amoris laetitia“ von 2016 sprechen davon, „alle zu integrieren“.

Böser Papst Mit seinem Vorstoß in Sachen Kommunion auch für geschiedene Wiederverheiratete stiftete der Papst aber vor allem ein Riesendurcheinander. Er regte zwar vollmundig Neuerungen an, schuf dann aber keine für die Weltkirche geltenden Normen. Das führt bis heute zu gravierenden Auseinandersetzungen in den Ortskirchen und verschärft den Graben zwischen Befürwortern und Gegnern des Papstes. Die Bedürfnisse der modernen Gläubigen blieben bislang eher auf der Strecke.

6) Franziskus und die Ökumene

Guter Papst Dass ein katholischer Papst ausgerechnet ins schwedische Lund reiste, wo im Jahr 2016 die Protestanten 500 Jahre Reformation feierten, stieß Konservativen sauer auf. Dort betete Franziskus mit dem Präsidenten des Lutherischen Weltbundes, Bischof Munib Younan. Dann erklärte er: Beide Kirchen seien Brüder und Schwestern. Das weckte genauso Hoffnungen für gemischtchristliche Ehepaare – bei denen der protestantische Teil nicht an der katholischen Kommunion teilnehmen darf – wie ein freundlicher Besuch in der protestantischen Kirche Roms.

Böser Papst Auch hier blieb es bei revolutionär klingenden Worten, ohne dass der Papst danach konkret wurde. Seine Annäherungsversuche an die Protestanten werden durch konservative Mitarbeiter der Kurie vereitelt. Auf die schwammigen Anregungen in Sachen Ökumene folgte kein klares Machtwort des Papstes, das eine offizielle Linie für die gesamte Kirche vorgibt. Die Deutsche Bischofskonferenz etwa entschied mit Zweidrittelmehrheit, dass ein protestantischer Ehepartner an der Kommunion teilnehmen dürfe – prompt sprach sich Franziskus gegen diesen Vorstoß aus.