Interview

Südtiroler Koalition mit extremer Rechte: „Es ist eine Sondersituation“

Landeshauptmann Arno Kompatscher über seine neue Fünferkoalition, Identitäten und den Transit-Konflikt am Brenner.

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Wenn man in Österreich leicht abschätzig von „italienischen Verhältnissen“ spricht, ist Südtirol in der Regel nicht mitgemeint. Die autonome Provinz wird seit 1948 konstant von der Südtiroler Volkspartei (SVP) regiert. Sie definiert ihre Zielgruppe mehr ethnisch als ideologisch und will alle Deutschsprachigen und Ladiner ansprechen.

Die SVP regiert auch weiterhin, aber seit Februar in einem nie da gewesenen Fünferbündnis – mit hauchdünner Mehrheit und gegen große Proteste. Denn die SVP koaliert mit einer Bürgerliste und drei Parteien der extremen Rechten: den Fratelli d’Italia, der Lega und den Freiheitlichen. Gegen das Bündnis formierte sich eine Bewegung der Bevölkerung und aus der Kulturszene, auch ehemalige SVP-Persönlichkeiten unterstützten die Demonstrierenden.

Ein Grund für die vielen Koalitionspartner ist das schlechte Abschneiden aller Beteiligten, vor allem aber der SVP bei der Landtagswahl im Oktober. Zum ersten Mal sitzt eine deutschsprachige Landesrätin in der Regierung, die nicht von der SVP gestellt wird. Und die 35 Mandate im Landtag teilen sich auf 13 Fraktionen auf. Landeshauptmann Arno Kompatscher argumentiert das Bündnis im profil-Interview vor allem mit einer gewünschten Autonomiereform, die eine Verfassungsmehrheit im italienischen Parlament verlangt. Dafür brauche es Giorgia Melonis Fratelli d’Italia und die Lega von Matteo Salvini. Nach einer italienweiten Verfassungsreform im Jahr 2001, die eigentlich föderal gedacht war, wurden durch die Rechtssprechungspraxis des Verfassungsgerichts die Befugnisse in Südtirol stark eingeschränkt. Bei vielen Materien, die vorher autonom entschieden wurden, muss man sich derzeit an römische Vorgaben halten. Bis Sommer soll die Reform stehen, die die Koalition mit den Rechten laut Kompatscher legitimieren soll.

Herr Landeshauptmann, in Südtirol regiert Ihre SVP mit vier anderen Parteien, ein absolutes Novum. Wie würden Sie das Fünfer-Bündnis jemandem in Österreich kurz erklären?
Kompatscher
Die Koalition ist aus dem Wahlergebnis und südtirolspezifischen Regeln entstanden. Alle Sprachgruppen müssen in der Regierung vertreten sein. Auf italienischer Seite wurden drei Abgeordnete gewählt, die dem Rechtslager zuzuordnen sind, einer der bürgerlichen Mitte und ein Abgeordneter, der links verortet werden kann. Vier davon sind Teil der Koalition. Es ist eine Sondersituation, keine Blaupause für irgendwas.
Kann so ein Bündnis ein gemeinsames Verständnis einer Südtiroler Identität haben?
Iris Bonavida

Iris Bonavida

ist seit September 2022 als Innenpolitik-Redakteurin bei profil. Davor war sie bei der Tageszeitung "Die Presse" tätig.