Syrien: Im Kriegsgebiet sind österreichische Waffen im Einsatz

Syrien: Im Kriegsgebiet sind österreichische Waffen im Einsatz

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Eines kann man der Steyr Mannlicher GmbH sicher nicht vorwerfen: Übertriebene Eitelkeit. Wenn es dienlich ist, hat die oberösterreichische Waffenschmiede kein Problem damit, ihre eigenen Produkte zu verleugnen – jene Sturmgewehre des Typs Steyr AUG (Armee-Universal-Gewehr) etwa, die seit Jahren immer wieder an den Kriegsschauplätzen Syrien und Irak auftauchen.

Bei vergleichsweise gemäßigten Rebellengruppen, die gegen den Diktator Bashar al-Assad kämpfen, wurden die charakteristisch geformten Waffen ebenso gesichtet wie bei der Terrormiliz „Islamischer Staat“: Die Mordbrigade setzte Steyr-Gewehre vergangenen Juni etwa bei einem auf Video dokumentierten Massaker im Irak ein.

profil verfügt nunmehr über neue, sehr detaillierte Aufnahmen aus Syrien, die Angehörige der Liwa Tawid (Einheitsbrigade) – einer inzwischen in der Shamiya Front aufgegangenen Rebelleneinheit in Aleppo – mit AUG-Sturmgewehren zeigen.

Waffen stammen aus Österreich

Anhand der Fotos wird klar: Die Waffen stammen tatsächlich aus Österreich – und nicht aus einer Lizenzproduktion im Ausland, auf die Steyr bei Anfragen über Gewehre, die in die falschen Hände geraten sind, standardmäßig verweist. Das ergibt sich aus mehreren Merkmalen – unter anderem der Stampiglie AUG am Schaft, die für Steyr-Exportprodukte verwendet wird. In Australien nachgebaute Waffen tragen andere Aufdrucke. Bestände des Bundesheers sind wiederum mit der Bezeichnung StG 77 markiert. Sie verfügen auch nicht standardgemäß über die Bajonetthalterungen, die auf den Waffen aus Aleppo zu sehen sind.

Weiters zeigt die Stampiglie an den Steyr-Gewehren der syrischen Rebellen, dass es sich um vor 1987 produzierte Exemplare handelt: In diesem Jahr wurde die Waffenpoduktion der damaligen Steyr Daimler Puch AG in die Steyr Mannlicher GmbH ausgegliedert. Die geschlitzten Mündungsfeuerdämpfer, die auf den Fotos zu sehen sind, sind wiederum seit 1993 nicht mehr in Gebrauch.

Verwahrt wurden die Gewehre vermutlich in einer halbwegs professionell-bürokratisch geführten Waffenkammer – zumindest ist an der Unterseite des Griffs eine arabische Registraturbeschriftung angebracht. Allerdings: Die Rebellen können offenbar nicht so wirklich mit ihre AUG umgehen. Die Gasdruckeinrichtung unterhalb des Laufs ist nämlich falsch eingestellt.

Was fehlt, ist die Waffennummer, die eine eindeutige Identifizierung erlauben würde. Sie wurde herausgefräst: „Ohne die Waffennummer zu kennen oder das Gewehr direkt begutachten zu können, lässt sich unmöglich feststellen, wann und für welchen Abnehmer eine Waffe hergestellt wurde oder ob es sich möglicherweise sogar um eine Fälschung handelt“, sagt ein Sprecher von Steyr gegenüber profil.

Das Steyr AUG wird inklusive Österreich offiziell in 15 Ländern von Armeen, Polizei- und Spezialeinheiten eingesetzt. Bei einigen der Abnehmer lässt sich mehr oder minder ausschließen, dass sie die Kriegswaffen nach Syrien und in den Irak weitergereicht haben: die australischen Streitkräfte oder die US-Küstenwache etwa.

Allerdings hat Steyr noch in seiner Zeit als verstaatlichtes Unternehmen das AUG bereits ab den 1980er-Jahren in großer Stückzahl nach Saudi- Arabien und später auch nach Tunesien exportiert. Damals konnte freilich noch niemand voraussehen, dass beide Staaten mehr als drei Jahrzehnte später auf unterschiedliche Weise direkt in den Krieg in Syrien involviert sein würden.

Die Saudis, die ursprünglich 50.000 Sturmgewehre bestellt hatten, unterstützen derzeit bekanntermaßen den Aufstand gegen Assad; Tunesien, das 70.000 Exemplare kaufen wollte, ist das Land, aus dem zahlenmäßig die meisten Kämpfer stammen, die für den „Islamischen Staat“ in den Dschihad gezogen sind.

Der veraltete Mündungsfeuerdämpfer legt die Vermutung nahe, dass die in Aleppo aufgetauchten Gewehre aus einer Lieferung nach Saudi-Arabien stammen. Die Tunesier haben nämlich bereits das neuere Modell erhalten. Ein großer Teil der von den Saudis erworbenen AUG ist nach profil vorliegenden Informationen wiederum unbrauchbar geworden: Die Zieloptik der Waffen dürfte durch falsche Lagerung bereits in den 1990er-Jahren defekt gewesen sein – was die Einsatzfähigkeit stark einschränken würde.

„Wir wollen uns an Spekulationen nicht beteiligen“, heißt es bei Steyr Mannlicher: „Zumal durch den mehrmaligen Eigentümerwechsel des Unternehmens seit seiner Privatisierung nicht mehr alle Produktions- und Exportunterlagen zugänglich sind.“

Faktum ist jedoch: Es wird weiter geschossen in Syrien – auch mit Originalwaffen aus österreichischer Produktion.